Über kurz oder lang

Autor*in
Murail, Marie-Aude
ISBN
978-3-596-85390-8
Übersetzer*in
Scheffel, Tobias
Ori. Sprache
Französisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
223
Verlag
FISCHER Schatzinsel
Gattung
Ort
Frankfurt
Jahr
2010
Lesealter
12-13 Jahre16-17 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
12,95 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Louis hat keine Lust auf Schule und auch auf sonst nichts. Er soll in der 9. Klasse ein Praktikum machen, und da ihm alles “scheißegal” ist, bleibt nur ein Friseursalon. Für die Chirurgenfamilie völlig absurd. Aber eine Woche reicht aus, dass Louis das Leben für sich findet und er wird Liebling des Salons. Gegen alle, zum Schluss überaus massiven Widerstände der Familie, schafft er es sich durchzusetzen und Friseurlehrling zu werden. Und weil es sein Traum ist, wird er auch überaus erfolgreich.

Beurteilungstext

Natürlich handelt es sich hier um ein Märchen, den Traum, den jeder Vater und jede Mutter seinem Kind wünscht, nämlich, dass es seinen Traumberuf findet und in diesem so erfolgreich ist, dass jede andere Ausbildung ausgestochen wäre. Aber warum soll man nicht träumen, und erst recht, wenn dieser Traum so amüsant und lehrreich erzählt wird wie hier. Für einen erfolgreichen Chirurgen muss es ein Schlag ins Gesicht sein, wenn sein Sohn ihm verkündet, er wolle Friseur werden. Monsieur Feyrières ist so ein Mensch, aber seine Familie kennt ihn und verhindert lange, dass er davon Kenntnis bekommt. Der 14-jährige Louis findet auch reichlich Verbündete: der gesamte Salon ist auf seiner Seite, bald auch seine Mutter, seine Oma, die ihn auch finanziell unterstützt, und alle zusammen lassen den Schulleiter erkennen, dass die Zukunft des Jungen wirklich nicht in der Schule liegt, sondern in der Praxis. Dort findet er aber auch ein Kabarett von Personal: die vom Schicksal getroffene geizige Chefin, den schwulen Gesellen, die gebeutelte Gesellin, das allem überdrüssige Lehrmädchen. Sie alle haben ihre eigenen Qualitäten, die Louis auch bald findet.
Die Vorstellungen des Vaters sind starr auf Karriere ausgerichtet, er ist nicht in der Lage, sie zur Diskussion zu stellen. Er hat sie, findet sie richtig und sorgt für die Umsetzung. Basta. Dass man wenigstens mit dem Betroffenen darüber reden sollte, kommt ihm überhaupt nicht in den Sinn. Dass er angesichts des massiven Widerstands der gesamten Familie damit scheitern muss, sieht er erst, als es fast zu spät ist.
Am Schluss passieren mehrere Dramen, aber der letztendliche Erfolg Louis´ macht alles wieder wett.

Die Haltung der Autorin mag man in Frage stellen. Völlig unhinterfragt ist das autoritäre Verhalten des Vaters (auch wenn er letztlich unterliegt), das Friseurhandwerk ist eine Idylle, die Expansion eines abenteuerlichen Geschäftskonzepts reine Fiktion. Jeder Junge kann den erotischen Anforderungen widerstehen, wenn sie ihm nicht ganz geheuer sind. Das soll ja vorkommen. Und die Rettung aller “Schulversager” ist nicht etwa eine Überlegung, was sich in der Schule ändern könnte, sondern die typisch französische Form: eine private Schule (was ja konkret auch in Deutschland eine immer bedeutendere Rolle spielt - wenn auch noch weit entfernt vom Usus in Frankreich). Die Kleinkriminellen stellen eine Bedrohung dar - unternommen wird aber eigentlich nichts gegen sie. Da kann man sich nur selbst helfen, man hat ja Beziehungen und Vermögen.

Aber mit den Märchen gemeinsam hat diese Erzählung, dass eine Botschaft dahinter steckt, die durchaus wichtig und verständlich ist: Jeder hat Fähigkeiten, die ihn von anderen unterscheiden. Wenn man zulässt, dass jeder nach diesen seinen originären Fähigkeiten gefördert wird, ihm dafür die Wege geebnet werden, hat das nicht nur für ihn befriedigende Folgen.
Und das ist ja was.
Erst recht, wenn das so flott, unbeschwert und humorvoll geschrieben wird wie hier.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von cjh.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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