Trümmerindianer

Autor*in
Pestum, Jo
ISBN
978-3-473-58244-0
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
192
Verlag
Ravensburger
Gattung
Ort
Ravensburg
Jahr
2006
Lesealter
10-11 Jahre12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
5,95 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Eine Bande Halbwüchsiger schlägt sich im kriegszerstörten Essen des Jahres 1946 durch ein Leben voller Gefahren, Ängste, Not und Träumen. Ihr Traum ist ein Leben als Indianer im Wilden Westen und sie hoffen, dieses Land auf Fahrrädern erreichen zu können. Fahrräder sind Mangelware und selbst auf dem Schwarzen Markt kaum erhältlich, aber den “Schwarzfußindianern” fällt immer ein Ausweg ein. Doch der Traumsommer endet plötzlich, als einer von ihnen bei der “Schatzsuche” in einer Ruine umkommt.

Beurteilungstext

Sie sind nicht gerade dick gesät, die Jugendbücher über die ersten Nachkriegsjahre. Und diese Zeit kennt auch kaum Berührungspunkte zum heutigen Alltag Jugendlicher. Trotz der “Exotik” dürfte es interessant sein, mehr zu erfahren über die Kinderzeit vieler Eltern und Großeltern, die Zeit, die sie wesentlich prägte. Oder ist diese Welt schon viel zu weit weg?
Nicht, wenn es nach Jo Pestum geht. Erstaunlich, wie bildhaft und nahe ihm sicher auch eigene Erinnerungen an jene Zeit (er ist Jahrgang 1936!) noch sind, wie er den Eindruck weitervermitteln kann, dass ihn viele Szenen beinahe anspringen vor Intensität und Bedeutung. Es ist unmöglich, nicht durch seine Augen zu blicken, nicht seine Gefühle zu teilen, nicht ergriffen zu werden von Hunger und Angst, aber auch von Hoffnung und Überlebenswillen. Pestum schafft das durch eine sehr schnörkellose, direkte Sprache, die wegen eines ungewöhnlich großen Wortrepertoires dennoch sehr plastisch und eigentlich nicht “aus unserer Zeit” wirkt. Zusätzlich geben viele Ruhrpottdialekt-Einsprengsel der Geschichte authentisches und unaufdringliches Lokalkolorit.
Den größten Eindruck macht aber die schonungslose Offenheit, mit der Pestum sowohl die seinerzeitigen Entwicklungen in Politik und Gesellschaft als auch sein eigenes Verhalten (und das seiner Freunde) beurteilt. Dieser Blickwinkel stammt natürlich aus der Rückschau, mit dem Abstand und den Erkenntnissen von Jahrzehnten, aber hellsichtig und urteilsscharf gelingen ihm Einschätzungen, die entsprechenden Äußerungen von Erich Kästner und anderen über die rasche Restauration und die Konsumfixierung der Fünfziger-Jahre-Gesellschaft durchaus ebenbürtig sind. Solche Überlegungen werden nichts verändern, sind es aber wert, auch von heutigen Jugendlichen nachvollzogen und auf ihre weiter gültige Relevanz geprüft zu werden. Ein lohnender Ansatz für den gesellschaftskundlichen Unterricht!
Nachdem die heutige Elterngeneration sich viel mit der Frage nach dem Verhalten ihrer Eltern unter der Nazidiktatur beschäftigt hat, findet sich hier ein Buch, das gleichermaßen unterhält, informiert und zum Nachdenken über eine noch viel zu wenig reflektierte Zeit der jüngeren deutschen Geschichte anregt, in der Weichen gestellt wurden, die viele Chancen zu einer radikalen Veränderung der “Bonner Republik” von vorne herein abblockten. Unbedingt lesen!

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Diese Rezension wurde verfasst von bh.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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