Torte mit Stäbchen - Eine Jugend in Schanghai

Autor*in
Hornfeck, Susanne
ISBN
978-3-423-62500-5
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
371
Verlag
dtv
Gattung
Ort
München
Jahr
2012
Lesealter
12-13 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
12,95 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

1938, Inge ist 11, kann die Familie noch nach Schanghai auswandern - der Vater erlebte nach der Pogromnacht das KZ, wurde aber wieder entlassen. Inge lebt sich in der fremden Welt schnell ein, lernt Chinesisch sprechen und lesen und sieht darin ihre Zukunft. Die Eltern wandern nach dem Kriegsende nach Australien aus, Inge aber hat das Land und die Kultur der Chinesen für sich erobert und sieht eine gemeinsame Zukunft mit ihrem halbchinesischen Freund.

Beurteilungstext

Die heranwachsende Inge erzählt ebenso temperamentvoll wie engagiert ihr Zusammenwachsen mit der Welt Chinas. Vor dem Hintergrund der mit ihrem Schicksal und Nazi-Deutschland hadernden Eltern hebt sich die wachsende Sympathie des jungen Mädchens besonders deutlich ab. Die Erwachsenen brauchen sehr lange, um sich einigermaßen in dieser fremden Welt, die sie nicht freiwillig aufsuchten, zurecht zu finden. Besonders amüsant ist es, über das Entsetzen der Mutter zu lesen, die aus dem hygienischen Deutschland in das China kommt, das man heute so kaum noch finden wird, auf keinen Fall aber in Schanghai, das damals schon von den Japanern besetzt war. Inge erobert sich die Sprache, kannte im heimischen Brandenburg auch schon eine kleine Chinesin, die ihr die Grundlagen der Sprache beibrachte, so dass sie schnell die Einheimischen überrascht mit ihren wachsenden Sprachkenntnissen, denn die Blondine mit den langen Zöpfen ist sofort als Ausländerin erkennbar, die seinerzeit nur in den seltensten Fällen die Landessprache beherrschten. Eine große Hilfe ist ihr (und ihren Eltern natürlich) Frühlingserwachen, die chinesische Frau eines schon vor langer Zeit eingewanderten Deutschen, und deren gemeinsamer Sohn, der Inge Nachhilfeunterricht in allen Bereichen bietet und später große Schwierigkeiten hat, Inge seine Zuneigung zu gestehen - da muss sie ihm dann schon auf die Sprünge helfen.
Der gesamte, sehr lebendig erzählte Roman ist eine Liebeserklärung an die chinesische Sprache. Inge erobert sie richtig für sich und die Autorin lässt den Leser sehr genau und mit der gleichen Freude daran teilhaben, wie Inge die bildreiche Sprache und die Vielfalt der Schriftzeichen sich aneignet. Vieles kommt uns merkwürdig vor, aber an keiner Stelle taucht so etwas wie eine arrogante Haltung gegenüber dieser Kultur auf - außer bei den Karikaturen der Nazi-Deutschen, die Inge bei der Überfahrt kennen lernt - und nie wieder trifft. Die leben in einer völlig anderen Welt als die Emigranten, die froh sind, ihr Leben gerettet zu haben und schließlich in einem eigenen Ghetto zusammen gedrängt werden. Allerdings hat dieses Ghetto nichts mit dem der in Europa gebliebenen Juden gemein, nur wohnen sie in einem streng eingegrenzten Bereich inmitten der Chinesen und können dieses Ghetto auch nur mit Passierscheinen verlassen, die schwer zu bekommen sind.
Die Besatzungsarmee der Japaner kommt nicht gut weg. Wer aber auch nur etwas über die Herrschaft Japans über die besetzten Länder weiß, wird sich darüber nicht wundern.
Eine Fülle von Naziflüchtlingen lebt in dieser Stadt - hier wird keiner genannt, aber es ist lohnend nachzuforschen, wer alles an Prominenten in Schanghai Zuflucht fand. Schanghai war die einzige Stadt in Übersee, die keinerlei Bedingungen stellte, lediglich eine Schiffspassage war zu beschaffen. Das allerdings war schwer genug. Die USA z.B. schufen immer schwerer zu überwindende Hürden, bis schließlich kaum noch ein Flüchtling das Permit bekommen konnte.
Inge übersteht alle Anfeindungen; die sind ihr lästig, beeinträchtigen ihre Neugierde und Zuwendung aber keineswegs. Selbst die buddhistischen Nonnen eines nahe gelegenen Klosters werden auf das Mädchen aufmerksam. Sie nutzt deren Abgeschiedenheit gelegentlich, um sich ein paar Stunden Auszeit vom Trubel der Millionenstadt zu nehmen. Die Äbtissin bietet ihr an, dem Kloster beizutreten. Vorsichtig und inzwischen mit den Gepflogenheiten der chinesischen Seele vertraut, lehnt sie das Angebot ab. Sie weiß, was sie will: Sinologie studieren. Aber die Äbtissin wollte auch nur versichern, dass Inge jederzeit im Kloster willkommen ist und die Nonnen in ihr nicht einen “weißen Teufel” sehen.
Man kann natürlich diesen Erziehungsroman nicht als Vehikel benutzen, um die Sprache zu lernen. Aber die Fülle der abgebildeten Schriftzeichen, der kleinen Sprachunterweisungen bilden im Verein mit den beschriebenen Lebensgewohnheiten und Besonderheiten des Landes einen wunderbaren Einblick in eine Kultur, die - auch wenn sie sich zur Zeit radikal wie kaum eine andere verändert - für unsere Jugend immer wichtiger wird.
Und ein schöner Liebesroman ist er auch noch. cjh12.02

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Diese Rezension wurde verfasst von cjh.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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