Tornado im Kopf

Autor*in
Patrick, Cat
ISBN
978-3-407-75849-1
Übersetzer*in
Knese, Petra
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
271
Verlag
Beltz & Gelberg
Gattung
Buch (gebunden)
Ort
Weinheim
Jahr
2021
Lesealter
12-13 Jahre14-15 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
BüchereiKlassenlektüre
Preis
15,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Frankies beste Freundin wird vermisst. Alle in dem kleinen Städtchen in der Nähe von Seattle sind in Sorge und Angst, auch Frankie und ihre Zwillingsschwester. Frankie, der eine besondere Fähigkeit zum genauen Beobachten hat, findet die entscheidenden Hinweise, die helfen, die schwer verletzte Colette zu finden. Für Frankie, die „neurodivers“ ist, sind die Tage der Suche und Unsicherheit ein Weg zu mehr Offenheit für die Wahrnehmungen der anderen Menschen.

Beurteilungstext

Frankie ist anders – sie kann kaum Nähe vertragen und sagt sofort, was sie denkt. Sie hat häufig unkontrollierte Wutausbrüche und versteht viele Verhaltensregeln ihrer Umgebung nicht: Sie ist „neurodivers“. Unter diesem relativ neuen Begriff werden verschiedene Entwicklungsstörungen wie die aus dem Autismus-Spektrum, das Tourette-Syndrom und Zwangsstörungen, aber auch Legasthenie und ADHS zusammengefasst.
Die Autorin erzählt in der Ich-Form, sodass wir immer dicht an Frankie und ihren Wahrnehmungen und Überlegungen sind und das Geschehen aus ihrer Perspektive miterleben. Sie wächst umsorgt und behütet auf. Ihre Zwillingsschwester, die Mutter und der Lebensgefährte der Mutter haben gelernt, was sie gut vertragen kann und was nicht und vor allem die Erwachsenen versuchen, ihr so gut wie möglich zu erklären, wie ihr Verhalten auf andere Menschen wirkt. Sie hat phasenweise Therapie und erhält auch phasenweise Medikamente, die sie allerdings wegen der starken Nebenwirkungen ungern nimmt. Der Titel „Tornado im Kopf“ spielt auf Frankies Faszination für Tornados an, die auf der einen Seite ihre eigene Gefühlswelt symbolisieren, auf der anderen Seite ihr auch ein Sachthema sind, mit dem zu beschäftigen ihr die Ruhe und das Gefühl von regelhaften Abläufen gibt, was sie braucht.
Trotz dieser Behütung fühlt Frankie, dass sie eine Außenseiterin ist. Einige Monate vor dem Handlungsbeginn kam es zu einem Streit zwischen Colette, der besten Freundin von Frankie und ihrer Zwillingsschwester Tess. Und seitdem ist Frankie sehr einsam, schafft es aber wegen ihrer besonderen psychischen Verfasstheit nicht, ihre Gefühle und Gedanken zu äußern. Aber als Colette vermisst wird, ist sie tief verstört. Eine ihrer besonderen Fähigkeiten ist, dass sie akribisch ihre Erinnerung und auch gepostete Bilder und Videos analysiert und so auf Widersprüche und mögliche Zusammenhänge stößt. Für sie ist diese genaue Analyse eine Hilfe in der emotional belastenden Situation, es ist aber für alle Beteiligten wichtig, da Frankie herausfindet, wo Colette ist. Colette hat, als Entschuldigung an Frankie und aus Zorn und Verzweiflung über Umzugspläne ihrer Eltern, ein Spiel aus Grundschulzeiten wieder aufleben lassen und Mutproben gemacht. Bei einer, einer wirklich gefährlichen Fahrradfahrt, ist sie verunglückt. Durch Frankies Hinweise wird Colette schwer verletzt gefunden. Frankie verabschiedet sich von der im Koma liegenden Colette, die kurz danach stirbt.
Für Frankie und Tess ist dies ein Neubeginn. Beide sind keine Kinder mehr und begegnen sich mit neuer Offenheit. So ist dieser Roman eine Coming-of-Age-Erzählung. Dass wir quasi nebenbei etwas über neurodiverse Entwicklungsstörungen erfahren und miterleben können, wie sich dieses Anderssein ausdrücken könnte, ist zwar zentral, aber nicht aufdringlich.
Cat Patrick erzählt atmosphärisch dicht und benutzt stimmige Sprachbilder. Die Übersetzung ist gelungen: Der Roman liest sich flüssig und wir kommen Frankies Gefühlen und Gedanken sehr nahe und erleben ihre Probleme intensiv mit.

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Diese Rezension wurde verfasst von Gudrun Stenzel; Landesstelle: Hamburg.
Veröffentlicht am 08.06.2022