Tommy zieht aus

Autor*in
Skauge, Nina
ISBN
978-3-86256-102-5
Übersetzer*in
Halder, Cora
Ori. Sprache
Norwegisch
Illustrator*in
Skauge, Nina
Seitenanzahl
32
Verlag
Neufeld
Gattung
Taschenbuch
Ort
Schwarzenfeld
Jahr
2018
Lesealter
16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
8,00 €
Bewertung
eingeschränkt empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Wenn Menschen mit geistiger Behinderung selbstständig werden und ausziehen wollen oder sollen, ist das nicht einfach. Dieses Heft erzählt von einem solchen Auszug und ist damit ein Hilfsangebot für Eltern und Jugendliche, die sich mit genau dieser Frage beschäftigen.

Beurteilungstext

Der Neufeld Verlag versteht sich als Fachverlag für das Thema "Menschen mit Behinderung". Er nimmt damit eine wichtige Rolle in der Verlagslandschaft wahr und es verwundert nicht, dass viele der fiktionalen Texte dieses Verlags eine stark intentionale Ausrichtung haben und damit einem pädagogischen Anliegen folgen. So auch in diesem Buch: Durchgängig spürt man die Intention, dass das Buch vor allem dazu dient, Menschen mit geistiger Beeinträchtigung das Thema "Auszug" näherzubringen.

Tommy wohnt bei seinen Eltern und ist 23 Jahre alt. Diese haben zusammen mit anderen Eltern von Jugendlichen der "Tigerbande" ein Bauprojekt gefunden, in dem Wohnungen mit Assistenz gebaut werden sollen. Die fünf Jugendlichen der Tigerbande können dann eine WG bilden. Eigentlich will Tommy gar nicht ausziehen, behutsam wird er jedoch von seinen Eltern auf den Umzug vorbereitet und als die Wohnungen endlich fertig sind, ist er bereit. Und auch die erste Nacht in der neuen Wohnung ist viel besser, als Tommy es sich gedacht hat.

Der auktoriale Erzähler fokalisiert immer wieder Tommys Innensicht, so dass wir seinen Gedanken folgen können. Der Text versucht, das Geschehen in einfacher Sprache darzustellen, das gelingt zwar über weite Strecken, mitunter werden die Sätze aber doch schachtelig und ein wenig unübersichtlich - zumindest gemessen an dem Anspruch einer einfachen Sprache.

Die collagehaften Computerzeichnungen zeigen zentrale Szenen aus dem Text und können damit teilweise das Verstehen unterstützen.

Leider ist die pädagogische Intention hier viel zu dominant. Sie lässt keinen Raum für Misslingen, Widerstand und Hintergrund. Wir erfahren nichts darüber, wo es im Bauprojekt Probleme gibt, was nicht klappt. Nein: Alles klappt wunderbar. Und: Tommy möchte eigentlich nicht ausziehen. Für ihn gibt es am Anfang gute Gründe dafür, dass er nicht ausziehen möchte und wir werden als Lesende dank der internen Fokalisierung auch an seiner Sicht beteiligt. Trotzdem bleibt Tommy nahezu vollständig passiv: Er setzt der Entwicklung keinerlei Widerstand entgegen, er lässt es mit sich geschehen, anscheinend in der Haltung, dass andere Menschen (seine Eltern, die Gemeindemitarbeiterin, die Assistenz) besser für ihn entscheiden können, was gut ist. Steht dem nicht der Autonomiegrundsatz entgegen?
Und dann fehlt gänzlich der Hintergrund. Dass wir über Tommy so wenig erfahren, mag einerseits daran liegen, dass die Figuren im ersten Band der Reihe ("Die Tigerbande") vorgestellt werden, andererseits ist das vielleicht auch gar nicht nötig: Wir brauchen hier keine psychologische Diagnostik, daher ist positiv anzumerken, dass wir ein Stück weit vorurteilsfrei der Figur Tommy begegnen können. Trotzdem fehlt es an Hintergrundinformationen: So erfahren wir nicht, warum es gerade zu dem Zeitpunkt wichtig zu sein scheint, dass Tommy auszieht. Abgesehen davon, dass Tommy in einem Alter ist, in dem viele Menschen von zu Hause ausziehen, gibt es keinen Anlass, warum das so sein soll: Weder seine Entwicklung gibt dazu Anlass, noch wird transparent gemacht, dass z. B. die Eltern die Pflege und Betreuung nicht mehr leisten können oder dass das zumindest perspektivisch ein Grund sein könnte.

Damit liegt hier eine Erzählung vor, die für Menschen mit geistigen Behinderungen beim Auszug von den Eltern eine Unterstützung sein kann, die allerdings auch bei diesen Menschen wenig Raum für Reflexion, Abweichung und Irritation bietet - alles Aspekte, die für gute Literatur eine wesentliche Rolle spielen. Dies ist sowohl in einfacher Sprache möglich als auch für Menschen mit Behinderungen wichtig und wünschenswert. Vielleicht wäre es daher sinnvoller gewesen, der sicherlich wichtigen Intention dieses Buches mit Hilfe eines Sachbuches nachzugehen.

Christoph Jantzen

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von Christoph Jantzen; Landesstelle: Hamburg.
Veröffentlicht am 29.04.2019

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