Tom Sawyers abenteuerliche Ballonfahrt. Erzählt von Huck Finn

Autor*in
Twain, Mark
ISBN
978-3-446-23916-6
Übersetzer*in
Nohl, Andreas
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Reiser, Jan
Seitenanzahl
157
Verlag
Hanser
Gattung
Ort
München
Jahr
2012
Lesealter
8-9 Jahre10-11 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
12,90 €
Bewertung
eingeschränkt empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Ein Erfinder im Städtchen hat einen Ballon erfunden, mit dem er die Welt umrunden will. Diese Sensation will Tom Sawyer, dessen Ruhm als Abenteurer langsam zu verblassen droht, sich nicht entgehen lassen. Und ehe er sich versieht, findet er sich mit seinen Gefährten Huck Finn und Jim hoch droben in den Lüften wieder. Es beginnt eine weite Reise, die über unbekannte Orte hinweg bis nach Afrika führt. Schon bald ist klar: Es wird eine Reise, über die man noch lange sprechen wird...

Beurteilungstext

„Tom Sawyers abenteuerliche Ballonfahrt“ ist ein wenig bekannter kürzerer Nachfolgeroman der beiden Klassiker „Tom Sawyers Abenteuer“ und „Huckleberry Finns Abenteuer“, wie man dem Nachwort des Übersetzers entnehmen kann. Allerdings ist dieses Werk bisher auf Deutsch nur unter dem Titel „Tom Sawyer auf Reisen“ bekannt gewesen, einer völlig verfremdeten Version des Verlags, mit der Twain selbst nicht einverstanden war. Nohl hat es sich zur Aufgabe gemacht, eine Neubearbeitung herauszugeben, die näher am Original ist.
Die Geschichte ist spannend erzählt und eingeteilt in insgesamt 13 handliche Kapitel, die jeweils eine Episode schildern. Diese Episoden sind weitestgehend in sich geschlossen und erzählen chronologisch von jeweils einem Abenteuer, das die drei Gefährten erleben. Dank dieses Aufbaus eignet sich das Buch zum Vorlesen. Kritisch anzumerken ist aber, dass die Kapitel nicht über Bezüge oder nennenswerte übergreifende Spannungsbögen miteinander verwoben sind, sodass sie beinahe wie beliebig angeordnete Fragmente wirken. Dieser Eindruck verstärkt sich durch einige inhaltliche Ungereimtheiten und unklare Anschlussstellen zwischen den Kapiteln. Über jedem Kapitel befindet sich eine schwarz-weiß-Zeichnung, die dem Leser eine Vorahnung des nächsten Abenteuers vermittelt. Allerdings sind diese Illustrationen in einigen Fällen so eindeutig, dass sehr viel Inhalt vorweggenommen wird und die Spannung darunter leidet.
Ein interessantes stilistisches Detail ist die Erzählperspektive: Die Geschichte wird aus Sicht des Ich-Erzählers Huck Finn erzählt, obgleich der dominante und titelgebende Held des Romans Tom Sawyer ist. Auch scheint der Autor eine recht eigenwillige und selbstironische Beziehung zu seinem Werk zu pflegen, denn laut Untertitel ist der Roman „Erzählt von Huck Finn“ und, wie es im Inneren des Einbandes nachzulesen ist: „Bearbeitet von Mark Twain“. Letzterer meldet sich bisweilen in erläuternden Anmerkungen persönlich zu Wort und versteht es so, dem Leser weiszumachen, er habe tatsächlich nur Huck Finns Erzählungen aufgeschrieben. Lässt sich der Leser auf dieses Spiel mit Augenzwinkern ein, gewinnt der Roman an Authentizität und erleichtert es jedem Tagträumer, sich mit Tom auf die Reise zu begeben.
Einige Anmerkungen des Übersetzers, beispielsweise bezüglich des Ausdrucks „Nigger“ erläutern historische Zusammenhänge des Romans – Twain schuf ihn vor immerhin 120 Jahren. So werden einige Verständnisbrücken zu angesprochenen Themen gebaut, die der heutigen Leserschaft ansonsten wohl unzugänglich wären. Die Erläuterungen sind jedoch relativ rar, sehr knapp gehalten und verzichten auf Vollständigkeit. An mancher Stelle wäre etwas mehr Information wünschenswert, beispielsweise wenn es um Währungen, Technik oder gesellschaftliche Konstellationen geht. Selbst als Erwachsener ist man häufig überfragt, wenn es um den Wert eines Dollars, die technischen Möglichkeiten oder die Hintergründe der Sklaverei zu Twains Lebzeiten geht. So muss man sich als Leser hin und wieder mit dem unbefriedigenden Gefühl abfinden, nicht vollständig in Toms Welt eintauchen zu können. Auch verfehlt Twains Intention, mit spitzfindigen und sarkastischen Anspielungen auf gesellschaftliche Missstände hinzuweisen, mangels historischer Aufarbeitung an vielen Stellen bedauernswerter Weise ihre Wirkung.
Die botte Sprache und die humorvolle Darstellung von Diskussionen kommen als Mark Twains Markenzeichen in der Übersetzung gut zur Geltung. Unterhaltsam sind allerlei Überlegungen und Streitgespräche der Protagonisten über naturwissenschaftliche Fragestellungen wie beispielsweise, wie die Wüste entstanden ist, die sich aus waghalsigem Halbwissen und fantasievollen Behauptungen speisen und viel Spielraum zum schmunzelnden Mitüberlegen lassen.
Das Ende des Romans ist hingegen enttäuschend: Es ist dermaßen abrupt, dass man sich unwillkürlich an einen Schüleraufsatz erinnert fühlt, bei dem am Ende die Schulglocke klingelte und die Zeit nicht für einen abgerundeten Schluss reichte. Es ist lediglich ein knapper letzter Satz, der am Ende des Romans auf den Antritt der Rückreise hinweist. Er steht in keinem Verhältnis zu den umfangreichen Schilderungen der Hinreise und verpasst der Abenteuerlust des Lesers einen Dämpfer.
Wer auf der Suche nach etwas Abenteuer und Humor ist und angesichts des legendären Namens Mark Twain nicht allzu große Erwartungen an den Roman knüpft, dem bietet das Buch spannende Unterhaltung.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von nv.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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