The Loop. Das Ende der Menschlichkeit

Autor*in
Oliver, Ben
ISBN
978-3-551-52118-7
Übersetzer*in
Niehaus, Birgit
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
398
Verlag
Carlsen
Gattung
Erzählung/RomanTaschenbuch
Ort
Hamburg
Jahr
2020
Lesealter
16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
15,00 €
Bewertung
eingeschränkt empfehlenswert

Teaser

Wenn die Zukunft so aussieht - Wollen wir sie dann erleben? Von dieser Kernfrage scheint sich der Autor leiten zu lassen. Er führt den Leserinnen und Lesern eine Gesellschaft vor Augen, die auf die selbstverschuldete Auslöschung zusteuert und der die Menschheit Gefahr läuft, zu "Batterien" einer Superintelligenz zu werden und in der, wie der Untertitel andeutet, die Menschlichkeit keinen Platz mehr findet.

Beurteilungstext

Das Romandebüt des britischen Lehrers Ben Oliver bildet den ersten Band einer mehrteiligen Science Fiction-/Thriller-Serie; in deutscher Sprache sind bislang zwei Bände erschienen.
Der Autor schildert das Leben in einer dystopischen Gesellschaft, angesiedelt irgendwann in der Zukunft (möglicherweise um das Jahr 2200 herum). Vor einigen Jahrzehnten hörte die Welt, wie sie bis dahin bekannt war, in Folge des "Vergeblichen Krieges", des dritten Weltkriegs, auf zu bestehen. Die Erde wurde von Nuklearwaffen verheert; etwa eine Milliarde Menschen fand den Tod und weite Gebiete wurden unbewohnbar. Ein Bündnis aus Rebellen beendete schließlich den Krieg und leitete in einer "Weltregierung" die Geschicke des Planeten. Das wichtigste Instrument der Neugestaltung der sozialen Zusammenhänge bildet seitdem "Happy", eine künstliche Superintelligenz. Herkömmliche ethische Normen scheinen keine nennenswerte Rolle mehr zu spielen; die Gesellschaft ist starr hierarchisch aufgebaut und es gibt erhebliche soziale Unterschiede und daraus hervorgehende Spannungen. An der Spitze stehen die "Modifizierten", deren Körper optimiert worden sind; weit unter ihnen die "Regulären". Jugendliche, die tatsächlich oder vermeintlich kriminell geworden sind, werden im "Loop", einem Hochsicherheitsgefängnis, eingesperrt, um dort auf ihre Exekution zu warten. Diese können sie hinauszögern, wenn sie sich mit Aufschüben einverstanden erklären, bei denen sie für medizinischen Experimente missbraucht werden.
Einer davon ist der sechzehnjährige Luka Kane, der Ich-Erzähler. Dass er die Verantwortung für einen tödlichen Unfall auf sich genommen hat, den seine Schwester verursacht hatte, erfährt man sukzessive. Die Tage im Loop unterliegen einer stupiden Routine - Essen, 45 Minuten Freigang mit lediglich akustischem Kontakt zu den Mithäftlingen und vor allem die grauenhafte Energieernte, bei der den Gefangenen auf nicht näher beschriebene Weise ihre Leistungsressourcen entzogen werden. Ein Lichtblick ist eine menschliche Wärterin, die für Luka Bücher ins Loop schmuggelt und die ausgewählten Gefangenen einmal wöchentlich einige illegale Freistunden im Flur gewährt, während die Überwachungsanlagen gewartet werden. Schlagartig ändern sich die Abläufe. Alle Häftlinge erhalten gleichzeitig die Gelegenheit, an einem erneuten Aufschub teilzunehmen. Danach laufen die Dinge aus dem Ruder, die Überwachung funktioniert nicht mehr. Luka und andere können sich befreien. Sie entfliehen in eine Welt, in der ein ebenso grauenvoller wie unverständlicher Krieg tobt. Menschen sind durch eine Art chemischen Angriff zu "Grinsern" geworden, die roboterhaft andere niedermetzeln. Die kleine Schar kämpft sich durch die apokalyptische Stadt. Allmählich wird klar, dass eine großangelegte Manipulation stattfindet, die darauf hinausläuft, dass nur eine kleine Anzahl von Menschen überlebt. In einem Showdown kommt es zu einer Schlacht, bei der sich die vermeintlich menschlich gebliebenen jungen Ausbrecher aus dem Loop mit einigen Verbündeten gegen die "Regierung" zur Wehr setzt. Schließlich findet sich Luka aber dennoch erneut im Gefängnis wieder und muss erkennen, dass Happy, die KI, die wirkliche Macht übernommen hat. Aber auch jetzt wird er befreit.
Dass sich die Handlung nur schwerlich stringent zusammenfassen lässt, liegt im Roman begründet. Kann man anfangs noch einer halbwegs nachvollziehbaren Handlungslinie folgen, häufen sich vor allem auf den letzten ca. 150 Seiten die Brüche in den Zusammenhängen, insbesondere aber bei den Kausalitäten. Olivers Buch, das zunächst noch versucht, die Protagonisten wenigstens oberflächlich zu Charakteren zu formen, Beziehungen aufzubauen und eine innere Plausibilität enthält, zerfasert gegen Ende hin zu einem wirren Action-Plot mit vielen "losen Enden" und nicht nachvollziehbaren Wendungen. Einige der nicht nachhaltig herbeigeführten Entwicklungen mögen dem Umstand geschuldet sein, dass es sich um den ersten Band einer Reihe handelt und dass "Cliffhanger" eingebaut werden. Dennoch verliert es dadurch rapide an Qualität.
Die Geschichte wird aus der Perspektive des Ich-Erzählers Luka dargestellt. Die beinahe durchgängige Nutzung der Gegenwartsform verleiht viel Unmittelbarkeit und schafft Nähe zur Handlung. Der Roman lässt sich in drei Teile gliedern - die großen, tageweise geschilderten Abschnitte "Im Loop" und "In Freiheit" und den kurzen Annex "Im Block". Vor allem im ersten Teil gelingen dem Autor einige gute, griffige Dialogteile; ebenso nachvollziehbare Reflexionen des Protagonisten. Auch die spärlichen Beziehungen zu den anderen eingesperrten Jugendlichen sind teilweise differenziert ausgearbeitet. Ein gut gehandhabtes Spannungselement ist die Frage nach der Ursache für Lukas Verhaftung und Verurteilung - dadurch, dass dies erst recht spät erklärt wird, wird ein guter Spannungsbogen aufgebaut. Einige Szenen im Mittelteil vermögen auch echte Spannung zu erzeugen. Wie erwähnt gehen diese guten Ansätze anschließend wieder verloren, das Buch wird zunehmend wirr. Die Hintergründe der gesellschaftlichen Veränderungen der zukünftigen Welt sind konstruiert und logisch nicht nachzuvollziehen. Negativ anzumerken ist auch die Brutalität, mit der viele Szenen ausgemalt werden. Teilweise ist diese so grotesk, dass sie beinahe ironisch gebrochen erscheint - was aber wohl nicht der Fall sein soll.
Dem Autor ist erzählerisches Talent in keinem Fall abzusprechen. Allerdings scheitert er an der Aufgabe, einen nachvollziehbaren Plot aufzubauen und am übermäßigen Hang zu "filmreifen" Actionelementen.

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Diese Rezension wurde verfasst von RPKJ; Landesstelle: Rheinland-Pfalz.
Veröffentlicht am 26.01.2022