The girls I´ve been

Autor*in
Sharpe, Tess
ISBN
978-3-551-58447-2
Übersetzer*in
Schäfer, Beate
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
284
Verlag
Carlsen
Gattung
Erzählung/RomanTaschenbuch
Ort
Hamburg
Jahr
2021
Lesealter
ab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
16,00 €
Bewertung
empfehlenswert

Teaser

„Ich konnte nicht aufhören zu lesen, ich musste immer wieder aufhören zu lesen“. So lässt sich meine Leseerfahrung zu The girls I´ve been zusammenfassen.

Beurteilungstext

Nora, ihr Ex-Freund Wes und ihre Freundin Iris werden beim Geldeinzahlen in einer Bank als Geiseln genommen. Die spannenden Stunden, in denen sie versuchen, den Geiselnehmern zu entkommen, verflechten sich mit Erzählungen aus Noras Vergangenheit. Schnell wird klar, dass es sich um mehr als das Überlisten der Geiselnehmer handelt. Aus literarästhetischer Perspektive ist es ein vielschichtiges und lesenswertes Buch. Inhaltlich aber finde ich es sehr schmerzhaft und keinen Lesestoff, den man in einer Gruppe, z.B. einer Klasse, besprechen müsste.
Das Bild des zusammengebastelten Wesens aus verschiedenen Leichenteilen erstreckt sich auf struktureller, inhaltlicher und sprachlicher Ebene. Die Konstruktion der Geschichte geht von den Ereignissen in der Bank aus und wird durch permanente Rückblenden ergänzt, die nicht unmittelbar Klarheit über das Geschehen erzeugen, sondern zunächst mehr Fragen aufwerfen. Antworten hierauf bastelt sich der Leser im Laufe der Lektüre zusammen. Inhaltlich thematisiert das Buch die Erschaffung eines neuen Ichs. Nora entscheidet während der Stunden des Banküberfalls, wer sie eigentlich sein will und welche Anteile von Rebecca, Samantha, Haley, Katie und Ashley sie für ihr zukünftiges Leben behalten möchte.
Die Geschichte wird in verschiedenen Textformen präsentiert: scheinbar gleichzeitiges Erzählen während der Stunden, die die Figuren in der Bank gefangen sind; transkribierte Gespräche, die sich der Wahrnehmung der Protagonistin zum Zeitpunkt des Banküberfalls entziehen; einzelne Geschichten über die Lebensweisen der Mädchen, die Nora für die Betrugsmanöver ihrer Mutter spielen musste. Darüber hinaus werden lange Zeit Noras schmerzhafte Kindheitserfahrungen nur angedeutet, nicht benannt. Der Höhepunkt ist dann erreicht, wenn der Leser Gewissheit darüber erlangt, um welche Gewalterfahrungen es sich tatsächlich handelt. Dabei werden die Erlebnisse so beschrieben, dass dem Leser noch viel Raum für eigene Vorstellungen bleibt, was meines Erachtens das Erzählte noch brutaler erscheinen lässt. Es handelt sich also auf mehreren Ebenen um die (Re)Konstruktion der Geschichte in der Erzählung. Aus der bruchstückhaften Präsentation der Handlung entsteht der Drang zum Weiterlesen. Die Spannung steigt, der Schmerz beim Lesen auch. Es wird immer klarer, dass Nora von ihrer Mutter nicht den Schutz und die Zuwendung erhalten hat, nach der sie sich so sehr sehnte. Sie musste im frühen Alter Misshandlungen und Missbrauch ertragen. Eine Lesepause wird notwendig, um die schwere Kost zu verdauen und Distanz zum Erzählten wieder aufbauen zu können.
Aus ästhetischer Perspektive ist es ein kunstvoll konstruiertes und lesenswertes Buch, das aber aufgrund der spannungsaufbauenden Hinführung zur Missbrauchserfahrung der Protagonistin zum Bereich der freiwillig gewählten Lektüre gehören sollte. Allerdings nur, wenn der Klappentext überarbeitet wird. Es handelt sich nämlich um einiges mehr als um einen actionreichen Banküberfall. The girls I´ve been ist vielschichtig und atemlos, aber auch brutal und schmerzhaft.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von cbg; Landesstelle: Hamburg.
Veröffentlicht am 15.03.2022

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