Thabo und Emma. Ein böser Verdacht

Autor*in
Boie, Kirsten
ISBN
978-3-7891-1068-9
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Bohn, Maja
Seitenanzahl
60
Verlag
Oetinger
Gattung
Buch (gebunden)ErstlesebuchKrimi
Ort
Hamburg
Jahr
2020
Lesealter
6-7 Jahre8-9 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
8,00 €
Bewertung
empfehlenswert

Teaser

Ein neuer Fall für Thabo und Emma: Wer hat das Portemonnaie eines Gastes von Lion Lodge gestohlen?

Beurteilungstext

Die preisgekrönte Autorin, promovierte Literaturwissenschaftlerin und erfahrene Erstlesebuchautorin Kirsten Boie legt nun den zweiten Band der Thabo-Erstlesereihe vor, die in Figuration und Handlungswelt an die Kinderbuchreihe um Thabo, Emma und Sifiso anknüpft. Als Literaturwissenschaftlerin hat Boie einen reflektierten Blick auf das eigene Tun und kann dies auch formulieren. In einem Aufsatz über das Schreiben von Erstlesebüchern ("Über das Schreiben von Erstlesebüchern", in Beiträge Jugendliteratur und Medien, 9. Beiheft 1998) stellt sie heraus, dass Verlage sehr einengende Vorgaben machen, die das Schreiben stark einschränken. Sie beklagt aber auch, dass Erstlesebücher "von Autoren nicht so ganz ernst genommen werden, sie sind schnell geschrieben, und häufig erscheinen die Texte banal." (ebd. S. 31). Vor diesem Hintergrund kann man in einer Rezension dieses Buches sehr hohe Ansprüche stellen.

Nun zum Inhalt:
Im Resort Lion Lodge wird einem Gast die Geldbörse gestohlen. Von dem Gast wird der Schuhputzer Paki verdächtigt, der mit der leeren Geldbörse in der Hand angetroffen wird. Thabo und Emma sind von Pakis Unschuld überzeugt und ermitteln selbst. Zunächst verdächtigen sie den schon vormittags angetrunkenen Sipho, doch dann sehen sie, wie die Affen mit Geldscheinen um sich schmeißen und können so den Fall lösen: Die Affen waren es.

Und zur Diskussion.
Erstens die Handlung. In einem klassischen Dreischritt baut sie sich auf: Ausgangssituation der Tat und erster Verdächtiger, der aber uns Lesenden ebenso wie den Detektiven nicht verdächtig erscheint. Dann ein zweiter Verdächtiger, der zwar den Detektiven verdächtig erscheint, aber die Lesenden nicht überzeugt. Und dann die Lösung, die Affen als Täter. Die Lösung ist - so auch die Rückmeldung von drei Testleser*innen - ab dem Moment vorhersehbar, in dem die Affen erwähnt werden. Insgesamt baut sich wenig Spannung auf. Zudem traut die Lösung den Kindern wenig zu, da hier die Täter nicht für die Tat verantwortlich gemacht werden können. Es gibt also eigentlich keine Bösen in diesem Buch. 7jährige können da mehr vertragen und kennen aus Hörbüchern, Kinderfilmen oder vorgelesenen Texten auch in der Regel schon Täter*innen, die entweder sehr böse sind oder selbst Opfer bestimmter (sozialer) Umstände. Schade. Im ersten Band der Reihe war es übrigens umgekehrt: Die zunächst verdächtigen Affen waren unschuldig und es gab einen Täter.

Zweitens die Figuren. Wer andere Thabo-Geschichten aus Hörbüchern oder in vorgelesener Version kennt, kann nahtlos Figuration und Situierung dort anschließen. Interessant ist jedoch, dass auch Kinder, die andere Geschichten von Thabo nicht kennen, problemlos in die Handlung einsteigen können, obwohl keine größere Einführung stattfindet. Auch die Übersicht der Figuren am Ende des Buches wird eigentlich nicht benötigt. Anlass zum Nachdenken gibt die Figuration in der Gegenüberstellung von PoC (People of Colour) und Weißen. Der Gast ist weiß, die Verdächtigen sind PoC, Emma ist weiß und Enkelin der Besitzerin von Lions Lodge, Thabo ist PoC und Aidswaise. Gelungen ist, dass Boie uns nicht mit der Nase auf diese Unterscheidungen stößt. Man kann sie wahrnehmen, muss es aber nicht. Die Zwischentöne, die im Umgang zwischen Weißen und PoC hier deutlich werden können, sind interessant, denn der Gast ist wahrscheinlich nicht frei von mindestens impliziten rassistischen Vorurteilen. Und auch Emmas Mutter, die den ersten Verdächtigen aufgrund der Aussage des Gastes in einen Lagerraum sperrt, zeigt einen problematischen Umgang, denn sie ist offensichtlich nicht bereit, Paki zuzuhören.

Drittens die Sprache. Großer Pluspunkt: In den Text sind einzelne Wörter und Formulierungen auf siSwati eingeflochten. Ihr Sinn kann aus dem Zusammenhang erschlossen werden, wer es genau wissen will, kann am Ende des Buches die Bedeutung nachschlagen - ist aber eigentlich nicht nötig. Diese gemischte Mehrsprachigkeit ist nicht nur gelungen, um die Handlungssituierung authentischer wirken zu lassen, sondern entspricht auch der Realität vieler Kinder, die eben nicht in einsprachigen Umgebungen aufwachsen, sondern zu deren Alltag es gehört, immer wieder zwischen Sprachen zu wechseln. Ansonsten ist der Erzählton weitgehend an Erstleseliteratur angepasst. Vor allem, wenn man die Kinderbücher der Thabo-Reihe im Ohr hat, wird das auffällig: Dort tritt Thabo als Ich-Erzähler in Erscheinung und findet seinen ganz eigenen Erzählton, bewertet vieles aus seiner Sicht, ist sprachlich etwas umständlich. Schade, dass diese Erzählindividualität nicht auch hier im Erstlesebuch zu finden ist. Einige Reste davon sind Kommentare, die in Klammern gesetzt sind und das Geschehen zwar in der 3. Person aber mit interner Fokalisierung auf Thabo kommentieren. Einigen Kindern wird es zunächst schwerfallen, diese Klammerkonstruktion zu verstehen - aber sie sind vielleicht eher eine Leseherausforderung, die auch zu einer Lernprogression führen kann als ein echtes Lesehindernis.

Viertens die Bilder. Maja Bohn bleibt eng am Erzähltext, fügt situativ nichts hinzu. Gelungen ist, dass sie den Figuren Charakter verleiht. Der Gast in Lion Lodge ist dickbäuchig und in (peinlicher) Freizeitkleidung gekleidet - einfach ein Unsympath. Und eigentlich erfahren wir nur durch die Bilder, welche Figuren PoC und welche weiß sind. Ansonsten haben die Bilder aber eher die Funktion, die Seiten aufzulockern als dass sie in die Erzählung eingreifen. Das ist schade, denn gerade in Erstlesebüchern können Bilder auch Erzählanteile übernehmen und so die Sinnstruktur gemeinsam mit dem Schrifttext aufbauen. Das würde die lesetechnischen Tätigkeiten der Kinder entlasten und Raum für komplexere Erzählstrukturen schaffen. Das erfordert aber eine enge Zusammenarbeit zwischen Illustratorin und Autorin in der Entstehung des Buches.

Insgesamt ist das Buch für viele Kinder im ersten Lesealter sicherlich lesenswert. Aber: Kirsten Boie - so hat sie in anderen Erstlesebüchern gezeigt - kann es besser. Das ist schade, denn die Figuration und Situierung hat mehr Erzählpotenzial. Aber vielleicht ist das Buch zu schnell geschrieben, weil ja auch noch andere - wichtigere? - Bücher auf dem Schreibplan standen, etwa "Dunkelnacht", "O du fröhliche Entführung" oder "Zurück in Sommerby"?

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von Christoph Jantzen; Landesstelle: Hamburg.
Veröffentlicht am 27.02.2021

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