Streichholzburgen

Schlagwörter

• Behinderung
• Ungleichheit

Teaser

Lisa ist Autistin. Aber eigentlich geht es nicht um Lisa. Es geht um Jan. Und wie Jan die Welt um sich herum sieht, die pausenlos zu ihm spricht und die manchmal nur er verstehen kann.

Beurteilungstext

Jan, 10 Jahre alt, kann manchmal Wörter sehen. Wenn sich seine Eltern streiten, sind sie giftgelb. Dass die Gegenstände in seiner Umgebung zu ihm sprechen, ist auch normal. Und manchmal hört er es sogar, wenn Menschen laut denken. So wie seine Mutter. Die denkt immer häufiger, dass sie es nicht mehr aushält.
Das liegt an Lisa. "Mit Lisa kann man nichts, aber auch gar nichts anfangen." Lisa will immer alles gleich haben. Sie isst nur Tortellini mit Spinat-Ricotta-Füllung und will das ganze Jahr ihre Weihnachts-CD hören. Und wenn etwas anders ist, dann schreit Lisa. Und deshalb will die Mutter weglaufen. Das vermutet zumindest Jan.

Aus den feinfühlig beschriebenen Gesprächen zwischen Jan und seiner Umgebung (dem Kühlschrank oder seiner Actionfigur) erfahren wir die Gedanken eines Jungen, der eine behinderte Schwester hat. Und seine Freunde stellen Fragen, die wir uns alle schon einmal gestellt haben: Gibt es dafür denn keine Medizin? Ist Lisa dumm oder einfach anders?
Lisa ist Autistin. Trotzdem wird das Thema nur am Rande erwähnt, der Leser erfährt wie nebenbei einige Besonderheiten aus einem ganz normalen Leben einer Autistin. Ohne viel Trara.

Bettina Obrecht bezaubert mit ihrer teils einfachen, teils einfach anderen Sprache. Wir sehen die Welt durch die Augen eines Zehnjährigen, der später Arzt werden möchte, um etwas gegen Autismus zu erfinden. Durch die detailreiche Sprache lässt uns die Autorin fühlen, was Jan fühlt: Das Pflaumenmus seiner Oma zum Beispiel schmeckt dunkelsüß.

Bettina Obrecht schafft es ganz wunderbar, Behinderung zu thematisieren, ohne die Behinderung selbst zu beschreiben. In ihrem Buch "Streichholzburgen" geht es nicht um die Autistin Lisa, es geht um ihren Bruder Jan. Und für ihn machen seine Eltern mehr Probleme, als er eigentlich in Lisa sieht. Hier ist ein Buch entstanden, das beschreibt, wie es ist, mit einem behinderten Menschen zusammenzuleben. Ein Buch für alle, die ein behindertes Familienmitglied oder einen behinderten Freund haben. Und für alle anderen auch.

Bettina Obrecht, die in Hessen in einer Mühle im Grünen wohnt, hat schon mehr als 30 Kinder- und Jugendbücher geschrieben. Die mehrfach ausgezeichnete Autorin schreibt auch für Theater und Radio.