Stadtrandritter

Autor*in
Mohl, Nils
ISBN
978-3-499-21614-5
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
688
Verlag
Rowohlt
Gattung
Krimi
Ort
Reinbek
Jahr
2013
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
14,99 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Vier Wochen im Oktober: Die Geschichte von Merle und Silvester findet in einem ""sozialen Brennpunkt"" statt. Hier das 17-stöckige Hochhaus-Eck aus grauem Waschbeton, 400 Stufen hoch, hinter der Brücke das alte Viertel mit den Einzelhäusern und Villen. In der Mitte die Kirche mit dem noch jungen, nicht ganz 40-jährigen Pastor Christian Kamp. Die Personen im Buch sind alle um die 18 Jahre alt und suchen ihren Platz. Das ist nicht einfach, in dieser Gegend schon gar nicht.

Beurteilungstext

Stadtrandritter - ein toller Titel mit den Alliterationen der r- und t-Laute, über den man beim Sprechen stolpert und ""Strand"" lesen möchte (ein großer Gegensatz zum öden Stadtrand). Er weist auf die Welt des Mittelalters hin, auf ""frouwe minne"" und Ritterlichkeit, auf Suche nach den letzten Gründen und guten Sitten. Dazu wählt Nils Mohl Namen wie Merle von Aue, Silvester Lanzen und Christian Kamp, die Helfer der kirchlichen Jugendarbeit nennen sich ""Knappen"", mehrfach wird auf die Gralssuche hingewiesen, auf silberne Rüstung und ritterliche Kämpfe. (""Du magst [...] Typen in Rüstungen."" oder ""Entscheidend ist doch, wer unter den Panzern steckt."")
Dabei ist diese Welt, in die uns Nils Mohl führt, eine völlig andere. Beginnen wir mit Silvester. Er hat afrikanische Wurzeln, trägt stolz seine krausen Haare (die er später abschneiden wird) und die ihm den Spitznamen ""blonder Neger"" einbringen. Er wohnt bei Domino, einer ehemaligen Freundin seiner Schwester Kitty. Die starb vor drei Jahren an einer Gehirnblutung, hätte vielleicht gerettet werden können, doch die, die sie fanden, brauchten gerade das Geld, das Kitty dabei hatte. Domino hat vietnamesische Vorfahren, ist etwas älter und lebt oberflächlich und gestylt, ihre Flippigkeit ist Routine. Offensichtlich hat sich Silvester in Merle verliebt.
Merle von Aue war eineinhalb Jahre auf einer Auslandsschule und die einzige, die Ich-Erzählerin ihrer Kapitel ist. Ihr Wellensittich heißt Artus - wieder ein Verweis auf die Ritterzeit. Sie ist wie Silvester eine ""Echte"", eine, die sich Gedanken macht und sich sorgt und ihren Platz sucht. Kondor hält sie für eine Rührmichnichtan.
Dann haben wir die Jugendlichen um Brand III, den Inhaber des Getränkebasars und des Gemüsestands auf dem Markt. Er gibt kleine Diebstahlsaufträge (TÜV-Plaketten von Autos) und versorgt die Kleinkriminellen mit Drogen. Zu seinem Umfeld gehören Kondor und Milan Marcks (Emmemm), aber auch Josey, Panzer, Mauser und einige andere.
Der junge Pastor kümmert sich um die, die sich in dieser ""außergewöhnlichen Phase"" rund um die Volljährigkeit befinden, gibt ihnen Aufgaben, bezieht sie in sportliche Aktivitäten (Boxen) ein und in Verantwortung als Jugendgruppenleiter.

Nils Mohl gliedert seinen Blick in den Mikrokosmos in neun Âventiure (mit ""Abenteuer"" nur sehr ungenau übersetzt, eher: Bewährung, die der Held bestehen muss), unterbricht sie häufig mit kursiv gesetztem ""Bonusmaterial"" (Silvester über Silvester / Merle über ... Gott usw. / nachgestellte Szene / The Making-of ...) und gibt als Einführung immer mal wieder Hinweise auf den Schluss (Freitag, 8 Tage vor Ausbruch des Feuers). In die Handlung führt er mit drei ""Trailer"" ein, als würde gleich ein Film folgen. Das wäre nicht ungewöhnlich, denn Filme spielen auch eine gewisse Rolle im Handlungsablauf. Er beendet das Buch mit einer Seite ""Soundtrack"", auf der er 12 + 2 Liedtitel und die Interpreten nennt. Sie kommen zwar nicht im Text vor, verweisen aber auf ähnliche Inhalte (Broadripple is burning - Church not made with hands u. a.). Hier gibt er - warum auch immer - auch Hinweise auf 6 Orte. Hamburg-Jenfeld immerhin nennt er ebenfalls im Vorwort als den Ort, in den er seine erfundene Geschichte einfügte. Geschickt lässt er eine Person (Merle) für ihre Kapitel als Ich-Erzählerin auftreten, in denen sie mehrfach ein Gegenüber (du) anspricht, als würde diese irgendwann den (Tagebuch-) Text lesen.
Seine wörtliche Rede kennzeichnet er nicht mit Anführungszeichen, sondern beginnt die Zeile mit einem Gedankenstrich, mehrmals lässt er bei Aufzählungen die Kommata weg. Dadurch unterbricht er unsere Lese-Seh-Gewohnheiten, wir lesen deutlich intensiver, genauer.
Allein schon aufgrund des Buchumfangs richtet sich Stadtrandritter an Jugendliche ab 16 wie an Erwachsene. Das Eintauchen in diese kleine Welt und in die Sorgen dieser Menschen, wie sie mit Misserfolgen und Abhängigkeiten umgehen, nimmt den Leser sehr gefangen - nachdem er sich etwas mühselig einlas. Aber der Beginn ist ebenso schlüssig wie folgende Darstellung, ungewöhnlich dazu und sehr emotional.

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Diese Rezension wurde verfasst von uhb.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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