Spiel mit dem Feuer

Autor*in
Orosz, Susanne
ISBN
978-3-7817-1501-1
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
222
Verlag
Oettinger - Klopp
Gattung
Krimi
Ort
Hamburg
Jahr
2009
Lesealter
14-15 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
9,95 €
Bewertung
eingeschränkt empfehlenswert

Teaser

Der 14-jährige Kyrill wandert zusammen mit Oma, Mama und Onkel Georgij von Moldawien nach Deutschland aus. Seine Freunde Katja und Pawel beneiden ihn, denn sie haben keine Oma mit deutschen ‚Wurzeln', sie müssen in ihrer von Armut geprägten Heimat zurückbleiben. Aber Kyrill will nicht alles aufgeben und einen Neustart wagen wie die Erwachsenen. Wie er erwartet hat, werden die ersten Wochen in Deutschland kein Zuckerschlecken.

Beurteilungstext

Sehr ausführlich beschreibt die Autorin die ersten Wochen eines jungen Russlanddeutschen, dessen Verwandte sich mit dem Schritt in ein Land, das die Heimat ihrer Vorfahren war, eine bessere Zukunft versprechen. Die Trennung von den Freunden, die Enge der Verhältnisse in den Auffanglagern, die Sprachschwierigkeiten, all das sind keine positiven Vorzeichen für eine reibungslose Integration. Während die Mutter sich in wilden Aktionismus stürzt, um innerhalb kürzester Zeit eine ‚normale' Familien- und Wohnsituation zu schaffen, Onkel Georgij mittels russischer Freunde Gelegenheitsarbeiten übernimmt, die entweder am Rande der Legalität oder illegal sind, die Oma sich nichts anderes wünscht, als eine Datscha und einen Garten zu bekommen, wird Kyrill - seiner Sicht nach - ins kalte Wasser gestoßen und muss sich mit Klassenkameraden - im wahrsten Sinne des Wortes - herumschlagen. In seiner Klasse herrscht das Chaos, eigentlich sind es einige wenige, die das Sagen haben, und das machen sie bereits am ersten Tag dem ‚Iwan' klar. Nicht nur, dass Kyrill die deutsche Sprache nur sehr schlecht spricht, so dass er sich verbal nicht wehren kann, kräftemäßig ist er ihnen auch unterlegen. Es bleibt ihm nichts anderes übrig, als auf die Geldforderung seiner Angreifer einzugehen. Erst als er durch Zufall in einen Selbstverteidigungsklub gerät und dort Jurij, der ebenfalls aus Russland kommt, kennen lernt, gewinnt er an Selbstvertrauen. Doch bald stellt sich heraus, dass Jurij immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt kommt. Kyrill erkennt zwar die Problematik, schottet sich jedoch gegen die Mahnungen und Drohungen seiner Mutter, die alles daran setzt, dass ihr Sohn weiterhin der gute Schüler ist, der er in Moldawien war, ab. Für Kyrill ist es schon nach den ersten Tagen beschlossene Sache, dass er wieder zurück in die Heimat geht, er muss nur den richtigen Moment abwarten. Er schwänzt die Klassenfahrt und hängt mit Jurij ab. Immer mehr gerät er auf die schiefe Bahn, doch er findet Jurij einfach cool, was die Erwachsenen sagen, ist ihm egal. Als Jurij an Kyrills Schule kommt, nachdem er von der anderen geflogen ist, muss Kyrill feststellen, dass er sich in seinem Freund getäuscht hat - der kommt nämlich offenbar ganz gut mit Kyrills Widersachern aus. Irgendwie läuft nun alles aus dem Ruder, auch die Sache mit Meryem, mit der er gerne befreundet wäre, endet schneller als geplant. Doch den letzten Schritt, den Jurij von ihm verlangt, macht Kyrill nicht mit - er geht zusammen mit seiner Banknachbarin, zu der er Vertrauen gefasst hat, zur Polizei und deckt alles auf, was in den letzten Wo-chen passiert ist.
Das Thema des Buches, die Integration des pubertierenden Russlanddeutschen Kyrill, wurde von der Autorin unter vielen As-pekten angegangen. Leider führte dies auch dazu, dass zahlreiche Klischees einflossen, die ein doch recht einseitiges Bild entstehen ließen. Während die Mutter die Möglichkeit bekommt, einen Deutschkurs zu besuchen, wird in dieser Hinsicht für Kyrill nichts unternommen. Dass er sich nach kurzer Zeit offensichtlich doch mit anderen verständigen kann, scheint selbstver-ständlich zu sein - leider sieht die Realität oft anders aus. Bereits am Ankunftstag stiehlt Kyrill für ein Mädchen aus seinem Haus Babynahrung, dies nimmt zusammen mit Jurij krassere Formen an. Kyrill und Georgij verdienen ihr erstes Geld mit Verschieben von Hehlerware - welches Bild erhält der jugendliche Leser von Menschen mit Migrationshintergrund? Die Schulstunden und das Verhalten der Lehrer sowie des Schulleiters liefern Beispiele für ‚Kampf' im Klassenzimmer, Chaos, Mobbing, Unverständnis auf beiden Seiten. Die Worte der Klassenlehrerin, die die Klassenregeln wie leere Phrasen aufzählt, spiegeln Frustration und erloschenes Interesse wider. Der Schulleiter, selbst Marathonläufer, interessiert sich nur für Kyrills sportliches Interesse, insbesondere für Leichtathletik. Diese fehlende Mit-Menschlichkeit wird durch das Verhalten der Mitschüler noch betont - Gewalt, Terror und Ausgrenzung bestimmen das Geschehen im Unterricht und in der Pause, die Lehrer wirken wie Opfer einer Anarchie, die sie möglicherweise selbst verursachen, verursacht haben. Dies soll die Situation an deutschen Gesamtschulen wiedergeben? Auch wenn der Gedanke, sich mit den Schwierigkeiten eines Jungen, der die Heimat verlassen und sich völlig neu in einem Land zurechtfinden muss, auseinander zu setzen, sehr positiv zu bewerten ist, so sollte doch vermieden werden, die bestehenden Vorurteile mittels eines Jugendbuches noch zu verstärken. Hier wären andere Ansatzpunkte denkbar. Trotz dieser kritischen Anmerkungen zum Rahmen der Geschichte sind Kyrills Empfindungen gut wiedergegeben. Wenn das Buch als Klassenlektüre erarbeitet wird, sollten die Schüler die Möglichkeit haben, sich mit Gegenbeispielen auseinander zu setzen, ansonsten besteht die Gefahr, dass Schüler mit Migrationshintergrund gleichgesetzt werden mit Terror und Illegalität.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von magic.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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