so oder so ist das Leben

Autor*in
Murail, Marie-Aude
ISBN
978-3-596-85359-5
Übersetzer*in
Scheffel, Tobias
Ori. Sprache
Französisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
253
Verlag
FISCHER Schatzinsel
Gattung
Ort
Frankfurt
Jahr
2011
Lesealter
16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
13,95 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Die Arzttochter Violaine, 17, wird unversehens schwanger. Sie ist aufgeklärt genug, schnell zu reagieren und mit ihrer Freundin zusammen entscheidet sie sich für Abtreibung. Ihr Arzt im Beratungszentrum wird ausgerechnet der junge Assistenzarzt ihres Vaters. Während der Vater sich von ihm zunehmend distanziert, Angst hat, alle Patienten an ihn zu verlieren, verliebt seine Tochter sich immer mehr in den jungen Mann. Der Zusammenbruch des Vaters löst dann alle Probleme auf.

Beurteilungstext

Dies ist ein Roman aus dem Inneren der Arztwelt. Die Autorin bringt in einer Praxis die beiden diametral entgegengesetzten Arzttypen zusammen. Der etablierte Vater Violaines taktet alle Patientengespräche exakt im noch lukrativen Abrechnungsminutenabstand, während sein Partner sich alle Zeit der Welt nimmt. Die Aufreihung der Patienten ist reinstes Kabarett, neben wenigen Ernstfällen sind das vorwiegend Hypochonder und alleingelassene Alte der absurdesten Art. Einigen kann der junge Arzt durch seine Gesprächsangebote mehr bieten als der Senior, der eng mit den Angeboten der Pharmaindustrie und dem Labor seiner Frau zusammen arbeitet und ihr fast jeden Fall zur Untersuchung überweist, auch wenn eigentlich keinerlei Veranlassung vorliegt. Beide profitieren von dieser Art der Zusammenarbeit, immerhin führt das zu einem sorgenfreien Leben im luxuriösen Zuhause, einer Villa am Meer und den drei gut ausgestatteten Kindern.
Die 17-Jährige lebt so vor sich hin, weiß sich nie so recht zu entscheiden, sagt immer “Ja, also nein...” oder umgekehrt - es ist ja auch nicht nötig, eine Meinung zu haben, im Zweifelsfalle entscheiden die Eltern oder andere. Bis sie es zu sich selbst einmal zu oft sagt und so schwanger wird.
Ihre Freundin ist resoluter und erzwingt eine Entscheidung, die letztlich nur Violaine treffen kann. Vor allem entscheidet sie, dass ihre Eltern nichts davon erfahren sollen. Natürlich ist sie auch hier nicht ganz entschieden, aber die Eltern erfahren zu wenig und zu spät, als dass sie für ihre Tochter alles regeln könnten.
Marie-Aude Murail beschreibt das manchmal absurde Prozedere der offiziellen Abtreibung sehr genau und humorvoll, wieder gewürzt mit Patienten-Karikaturen. Sie verschweigt auch nicht, dass es auch zu erheblichen Schwierigkeiten kommen kann, ein operativer Eingriff erforderlich ist, die staatliche Stelle aber schnell und kompetent reagiert. (Unausgesprochen bleibt, welch eine Katastrofe Violaine erlebt hätte, wäre sie nicht den offiziellen Weg gegangen!) Dass ausgerechnet der Assistenzarzt ihres Vaters diese Operation durchführt, ist Violaines großes Glück. Leider scheut sich die Autorin, dazu mehr als diesen einen abstrakten Begriff zu benennen. Oder war das ihr Verlag? Jedenfalls reicht dieser Kontakt, damit die beiden sich ineinander verlieben. Bis ihnen das allerdings klar wird, muss noch einiges passieren. Als erstes ist eine Veränderung des Mädchens zu sehen. Sie bekommt auf einmal eine Meinung. Sie setzt sich intensiv mit ihrer Schwangerschaft, dem werdenden Leben auseinander und wird dadurch erwachsen. Sie besucht den jungen Arzt, der nie auf eine solche Idee gekommen wäre. Als dann ihr Vater in seiner Praxis zusammenbricht, Herzinfarkt, und sein Kollege ihm das Leben rettet, besteht auch die Möglichkeit der Aussprache, und der Vater gibt der Liebe seinen Segen.
Die Nebenschauplätze: Geschwister in der Arztfamilie, Parties der Heranwachsenden, Schule und vor allem die Gespräche zwischen den Freundinnen, sorgen für eine stimmige Atmosphäre.
Dennoch empfehle ich dieses leicht zu lesende Buch nicht Jüngeren, die es vielleicht noch nötiger hätten, etwas über Abtreibung und Verhütung zu lesen. Es ist einfach zuviel aus dem Praxisleben des Arztes beschrieben, von dem Profitinteresse, das hinter den Entscheidungen des Alten steht, den Gesprächen zwischen dem Ehepaar, von den Skrupeln des Jungen, von den Arzthelferinnen. Ich finde es interessant und humorvoll, wie Murail über die Innensicht der Ärztewelt schreibt. Aber Halbwüchsige werden sich allenfalls dann dafür interessieren, wenn sie selbst zu dieser Welt gehören. cjh11.4

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von cjh.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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