Sieben Tage Mo

Autor*in
Scherz, Oliver
ISBN
978-3-522-18648-3
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Waechter, Philip
Seitenanzahl
172
Verlag
Thienemann
Gattung
Buch (gebunden)Erzählung/Roman
Ort
Stuttgart/Wien
Jahr
2023
Lesealter
10-11 Jahre12-13 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
BüchereiFreizeitlektüreKlassenlektüreVorlesen
Preis
16,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Karl hat einen geistig behinderten Zwillingsbruder. Nachmittags muss er auf ihn aufpassen, wenn Mutter noch in der Arbeit ist. Das ist anstrengend. Denn Mo, sein Zwillingsbruder, sagt und tut, was ihm einfällt. Äußerst selten hat Karl Zeit für sich, seine Freunde und da ist auch noch das Mädchen aus der Parallelklasse. Eines Tages hält es Karl nicht mehr aus und er lässt seinen Bruder unbeaufsichtigt alleine zu Hause. Als er wiederkommt, ist Mo verschwunden.

Beurteilungstext

Die Eltern von Karl und Mo(ritz) sind vor etwa einem Jahr mit ihnen auf das Land gezogen und haben ein Haus gekauft. Das sei besser für Mo, sagen die Eltern. Mo ist seit seiner Geburt vor zwölf Jahren geistig behindert und seit dem Umzug muss Karl, seinen Zwillingsbruder, nach der Schule beaufsichtigen. Der Vater ist gefühlt immer im Ausland berufstätig unterwegs, kommt selten heim und bringt dann Geschenke mit. Die Mutter arbeitet als Krankenpflegerin im nahen Krankenhaus von morgens bis abends. Wir müssen arbeiten, erklärt sie Karl, damit wir die Schulden für den Hauskauf abbezahlen können.
Karl hat zwar einen Freund, aber eigentlich ist er nur ein Schulbus- und Schul-Freund. Denn nachmittags hat er keine Zeit für ihn. Hannes beschwert sich immer wieder über dieses "Nicht-Zeit-haben", aber diese Beschwerden bringen nur Risse in diese komplizierte Freundschaft.
Karl mag wirklich seinen Bruder und unternimmt viel mit ihm. Sie gehen z.B. zum nahen Bauernhof und schauen den Kälbern zu. Doch Mo verscheucht sie auf die Wiese und der Bauer schimpft. Karl findet mit Mo einen alten Stollen in einem Berg und sie untersuchen ihn gemeinsam. Und eine ältere Frau, die Nachbarin, bittet die beiden, ihren Dackel auszuführen. Das Ende ist ein Chaos mit der Leine, in die sich Mo und der Dackel verwickelt haben. Zum Trost schenkt sie den beiden Kekse. Zu Karl sagt sie, dass sie großen Respekt vor ihm habe, da er immer seinen Bruder beaufsichtigt und sich um ihn kümmert.
Doch da ist noch ein Mädchen in der Parallelklasse, Nida. Beide haben Interesse aneinander. Aber ein gemeinsames Treffen am Badeweiher endet chaotisch, da Karl seinen Bruder alleine gelassen hat. Und dann ist Mo auch noch verschwunden.
Endlich ahnt die Mutter welche Probleme Karl als Zwölfjähriger hat, der einerseits noch Kind sein möchte und andererseits Zeit für sich braucht.. Sie verspricht Änderungen.
Oliver Scherz hat aus der Sicht von Karl einen bedrückenden Kinderroman geschrieben. Zwar werden nur ein paar Tage erzählt und es gibt keinen wirklichen Spannungsbogen, doch diese Tage reichen aus, um die psychische Überforderung von Karl darzustellen. Man lebt beim Lesen mit Karl und leidet mit ihm, freut sich mit ihm über die beginnende Freundschaft mit Nida und ist wie Karl von der nicht enden wollenden häuslichen Pflege von Mo erschöpft, die ihm seine Mutter seit einem Jahr aufgehalst hat. Dabei versteht Karl die Situation. Doch er möchte auch als Kind wahrgenommen werden und er möchte auch Zeit für sich haben. Bedrückend ist, dass Mo die Abwesenheit des Vaters schwer beklagt und dessen Namen als Schimpfwort benutzt. Auch Karl sucht nach einer Erklärung für Vaters Abwesenheit und kann nur feststellen: Er entzieht sich der schwierigen Familiensituation.
Ein Kinderroman, den man in der sechsten oder siebten Klasse lesen und reflektieren sollte. Seine Sprache und Länge schreckt auch Lesemuffel nicht sonderlich ab. Der Inhalt ist spannend und glaubwürdig, ja bedrückend glaubwürdig.
Philip Waechter hat dazu Schwarz-Weiß-Zeichnungen geschaffen, die die Situationen eindrücklich betonen. Besonders wohltuend angesichts der schreiend grellen Cover im Kinderbuchsektor ist die ruhige Umschlaggestaltung. Vor einem gelben Sonnenhimmel stehen zwei Jungs: Mo und Karl. Mo lehnt sich an seinen Bruder. Mo lächelt und Karl blickt ernst nach vorne. Dieses Bild drückt die Gefühle der beiden füreinander und Karls Sorgen zugleich in einem zarten Bild aus.
Und trotzdem tauchen Fragen auf, die im Roman zumindest kurz erwähnt werden sollten. Klar, der Autor wollte die psychische Überforderung darstellen und das ist ihm absolut gelungen. Doch was ist mit den Personen am Rande? Müsste da nicht die Schule von Mo bereits bei der Einschulung nach der nachmittäglichen Aufsicht gefragt haben? Bietet diese Schule wirklich keine Nachmittagsbetreuung an? Oder muss man die extra buchen? Was sich Mos Eltern nicht leisten könenn? Normalerweise arbeiten Krankenpflegerinnen im Krankenhaus in drei Schichten am Tag, also könnte die Mutter auch öfters zu Hause anwesend sein, auch wenn sie vom Beruf gestresst ist. Dürfen Eltern die Pflege des geistig behinderten Kindes wirklich an den zwölfjährigen Bruder so bedingungslos übergeben? Kurzfristig sicher, wenn Einkäufe, Arzt- oder Friseurbesuche anstehen, aber so lange? Der Gesetzgeber in Deutschland ist da schwammig. Fragen von Außen an die Eltern hätten stattfinden müssen. Und Oliver Scherz hätte sie bestimmt gekonnt in seinen Roman einbauen können und auch müssen.
So endet der Roman in Versprechungen, die an den Horizont gemalt sind und zaubern ein harmonisches Idyll als Abschluss.


Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von Walter Mirbeth; Landesstelle: Bayern.
Veröffentlicht am 28.09.2023

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