Sein wie keine andere

Autor*in
Gleichauf, Ingeborg
ISBN
978-3-423-62324-7
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
300
Verlag
dtv
Gattung
Biografie
Ort
München
Jahr
2007
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
8,95 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Zum 100. Geburtstag von Simone de Beauvoir (9.1.2008) porträtiert Ingeborg Gleichauf die Schriftstellerin und Philosophin für junge Leser in einer neuen Biografie.

Beurteilungstext

"Ich hatte nur ein Leben zu leben, ich wollte, dass es ein Erfolg würde, niemand sollte mich daran hindern ..."
Es ist ein Abenteuer, Simone de Beauvoir zu lesen - davon ist Ingeborg Gleichauf, die Autorin der neuen Biografie über die französische Philosophin und Schriftstellerin überzeugt. Deren 100. Geburtstag, am 9.1.2008, nahm sie zum Anlass, sich mit dem Leben und dem Werk der berühmten Denkerin zu beschäftigen und es für junge Leserinnen und Leser neu zu entdecken. Und weil sie nicht möchte, dass diese faszinierende Persönlichkeit in Vergessenheit gerät, ermuntert sie alle jungen Leserinnen und Leser am Ende ihres Buches, "den Staub der Jahre von den Buchdeckeln wegzupusten und eine neue, frische lebendige Simone de Beauvoir hervorzuzaubern."
Mit ihrer Biografie liefert Ingeborg Gleichauf den Beweis, dass das Werk Beauvoirs im Wesentlichen auch viele Jahre nach ihrem Tod immer noch aktuell ist. Sie stellt uns einen Menschen vor, der unabhängig von allen Konventionen ein eigenständiges, selbstbestimmtes Leben führt, der nicht reglos in sich verharrt, sondern dessen Leben nur Sinn hat, wenn er sich immer wieder neue Ziele setzt.
Schon als junge Frau formuliert die Beauvoir klar ein Ziel: sein wie keine andere. Alles an ihr ist ein Aufbegehren gegen jegliche Art von Fesseln, Gehorsam, rollenspezifische Zwänge und gesellschaftliche Normen. Stärkste Kraft, die sie motiviert und anspornt - auch bei Niederlagen - ihren eigenen Weg zu finden, ist die Neugier auf die Welt.
Chronologisch und in einzelne Lebensabschnitte geteilt erzählt Ingeborg Gleichauf vor dem historischen Hintergrund des 20. Jahrhunderts das Leben der berühmten Schriftstellerin und Philosophin: ihre Kindheit und Jugend, ihre Rebellion gegen das bürgerliche Elternhaus, ihr Weg zur Philosophin und Schriftstellerin, ihr Leben im II. Weltkrieg, ihre Beziehung zu Jean-Paul Sartre und den Geliebten.
Besondere Aufmerksamkeit widmet sie folgenden Themen, die sich durch das gesamte Werk ziehen: Beauvoirs Verhältnis zu Jean-Paul Sartre, der Bedeutung des Schreibens in Beauvoirs Leben und der Rolle als Menschen- und Frauenrechtlerin.
Kritisch beleuchtet die Autorin den Lebensweg Beauvoirs. Und gerade weil sie sich nicht an die gängige deutsche Rezeptionsgeschichte hält, die die Beauvoir eher als aktive Feministin hervorhebt, sondern weil sie in ihr vor allem die Schriftstellerin und die Menschenrechtlerin sieht, macht sie dem Leser die Beauvoir sympathisch und erweckt damit gleichzeitig das Interesse, ihre Werke zu lesen.
Von Beauvoirs Vorzügen erfährt der Leser ebenso wie von ihren Schwächen und Fehlern. Gleichauf schreibt zum Beispiel, dass ihr eine gewisse "bourgeoise Manier, andere zu beurteilen, bevor man sie richtig kennen gelernt hat" eigen war. Ihr mangelndes Engagement während des II. Weltkrieges hat die Beauvoir in ihren Erinnerungen selbst als einen großen Irrtum erkannt. Den Algerienkrieg nimmt sie nicht mehr so gelassen entgegen. Sie unterstützt die Nationale Freiheitsbewegung.
Ihr berühmtes Werk "Das andere Geschlecht", das sich mit der Rolle der Frauenbewegung in den verschiedenen Kulturen und Jahrhunderten beschäftigt und aus dem der viel zitierte Satz "Man wird nicht als Frau geboren, man wird es" stammt, hat sie zunächst - so erklärt Ingeborg Gleichauf - nicht aus dem Verlangen heraus, die Frauenbewegung zu aktivieren, geschrieben. Vielmehr steckt sie in einer persönlichen Krise, deren Ursache in ihrer Beziehung zu Sartre zu suchen ist. Beauvoir fühlt sich zwar als Schriftstellerin bestätigt, auf das Etikett "la grande Sartreuse" würde sie aber gern verzichten. Zur "grande Beauvoir" wird sie letztendlich, weil sie sich selbst in den Blick nimmt und schreibend dem Frausein auf die Spur kommt. Seit sie "Das andere Geschlecht" geschrieben hat, interessiert es sie stärker, wie die Frauen mit ihrer Rolle in der Gesellschaft zurechtkommen, sie tritt auch öffentlich als Persönlichkeit auf und versucht die Frauenbewegung zu unterstützen. Doch sie erkennt, dass sie nicht zur politischen Agitation berufen ist, sondern im Schreiben und Denken ihre wahren Fähigkeiten liegen.
Ingeborg Gleichauf hat eine sehr detaillierte Biografie geschrieben, die sich auch wegen der Fülle an Zitaten aus den Werken der Schriftstellerin wie eine Autobiografie liest. Gekonnt verknüpft sie Lebensgeschichte und Analyse mit den entsprechenden Zitaten der Beauvoir . Der Autorin ist es meisterhaft gelungen, das Leben der Denkerin in Verbindung mit ihrem Werk, ihren Romanen, essayistischen und philosophischen Schriften, gegenständlich zu machen. Das Schreiben ist für Simone de Beauvoir die einzige Tätigkeit, die ihrem Leben Sinn gibt. Alles was ihr begegnet und was sie beobachtet, muss sie zu Papier bringen.
Die Autorin schreibt in ihrem letzten Kapitel: "Sie war besessen davon, das Leben selbst in ihren Büchern sprechen zu lassen. Denken, Leben und Schreiben sind in ihrem Fall eine unzertrennbare Einheit."
Das, was sie direkt erlebt, was in ihrem Leben geschieht, verarbeitet sie in ihren Romanen: ihre Beziehung zu Sartre und ihren "zufälligen Lieben", ihre vielen Reiseerlebnisse, historische Ereignisse, den Tod ihrer Mutter. Sie erfindet Geschichten, in denen Figuren agieren, die unmissverständlich als ihre Freunde und Bekannten zu erkennen sind, was die Betroffenen natürlich nicht ohne Kritik und Missbilligung hinnehmen.
Immer wieder hebt die Autorin hervor, dass in den Romanen der Schriftstellerin ihre philosophischen Gedanken und die Ideen des Existenzialismus stecken. So wie die Frage nach der Freiheit des Menschen Beauvoirs Handeln als Menschen- und Frauenrechtlerin grundlegend beeinflusst, so bestimmt sie auch ihre schriftstellerische Tätigkeit. Am Leben und Wirken Beauvoirs bringt Ingeborg Gleichauf den jungen Lesern leicht und verständlich die Grundideen des Existenzialismus nahe. Sie macht die Leser mit einigen Grundgedanken Beauvoirs vertraut: Indem der Mensch immer wieder Neues entwirft und sich damit auch selbst erschafft, ist er frei. Die Freiheit des Ichs kommt nur dann zur Entfaltung, wenn das Ich dem anderen seine Freiheit lässt.
Kritisch beleuchtet die Autorin Beauvoirs Beziehung zu Jean-Paul Sartre. Für die Schriftstellerin ist es an der Seite Sartres nicht einfach zu bestehen. Sie braucht seine Nähe und die Gespräche, um sich mit ihm messen und eigene Ziele entwickeln zu können.
Gleichauf versucht hinter das Geheimnis dieses sonderbaren "Paktes", der auf Freiheit, Offenheit und absolutem Vertrauen basierte. Es ist schwer nachzuvollziehen - so Gleichauf -, wie die Beauvoir all die "zufälligen" Lieben ihres Partners ertrug - ohne eine Trennung in Erwägung zu ziehen. Sie vertraut vollkommen auf das Konzept der "notwendigen" Liebe, allerdings nicht ohne sich Sartre und seinen Bedürfnissen unterzuordnen. Das stellt Gleichauf ganz deutlich heraus und nimmt damit der Legende vom intellektuellen Traumpaar des 20. Jahrhunderts zumindest einen Teil vom Glanz.
"Sein wie keine andere" - Ingeborg Gleichauf geht Simone de Beauvoirs Lebensanspruch nach und analysiert mit scharfem Blick, wie anders die Schriftstellerin und Denkerin tatsächlich war. Sie lässt allen interessierten jungen Lesern eine faszinierende Persönlichkeit lebendig werden, deren Lebensmaxime, die schöpferische Selbstverwirklichung des Menschen, bis heute nicht an Bedeutung verloren hat.
Dass sich jungen Leser auf das Abenteuer, Simone de Beauvoir zu lesen, einlassen, dazu trägt Ingeborg Gleichaufs Biografie entscheidend bei.

(gsh JulimJournal)




Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von gsh.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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