Seidenhaar

Autor*in
Çelik, Aygen-Sibel
ISBN
978-3-401-02741-8
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
155
Verlag
Arena
Gattung
Ort
Würzburg
Jahr
2008
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Klassenlektüre
Preis
5,50 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Nach einer Diskussion im Unterricht zum Thema Kopftuchverbot verschwindet Canan (13). Sinem fühlt sich schuldig daran, denn sie hatte ihrer ehemaligen Freundin heftig Kontra gegeben. Sie fühlt sich von ihr, der Kopftuchträgerin provoziert. Es geht um Religion, Klischees, Überlieferung, Vorurteile und die Schwierigkeiten junger Menschen, ihren eigenen Standpunkt zu finden.

Beurteilungstext

Canan und Sinem sind beide vierzehn, leben in Frankfurt und gehen in dieselbe Klasse. Beide wollen Abitur machen. Ihre Familien kommen aus der Türkei. Das ist zu Beginn der Geschichte alles, was sie verbindet. In der Grundschulzeit waren sie gute Freundinnen. Canans Familie ist rückständig und altmodisch, wie Sinem meint. Sinem ist ganz sicher, dass die Canan dazu zwingen, das Kopftuch zu tragen. Canan lebt in einer eher europäisch geprägten Kleinfamilie. In der Schule nimmt Sinem von Canan keine Notiz mehr, ihre beste Freundin ist eine Deutsche. Mit dem Besuch von Cousine Belgin aus London ändert sich etwas in Sinems Leben. Von Belgin, der gläubigen Muslima fühlt Sinem sich provoziert. Die führt ihre religiösen Rituale so streng durch, ist so freundlich und selbstsicher, dass Sinem sie nur hassen kann. Als dann im Unterricht das Thema Kopftuchverbot für Beamtinnen diskutiert wird, greift Sinem Canan an. Sie wirft ihr Unselbständigkeit vor, hält sie für eine, die sich unterdrücken und manipulieren lässt. Sinem argumentiert geschickt und überzeugend, Klassenkameraden und Lehrerin gefällt das. Im Nachhinein ist Sinem nicht sicher, ob sie mit sich zufrieden sein soll.
Am nächsten Tag ist Canan nicht in der Schule. Die Familie sucht sie. Die Polizei ist eingeschaltet. Vermutungen, Gerüchte und Angst breiten sich aus. Hat Canan einen Freund? Ist sie in die Türkei entführt worden? Oder vor ihrer Familie geflohen? Sie geht doch zum Korankurs. Ist sie in den Händen muslimischer Eiferer? Sinem fühlt sich schuldig und macht sich auf Spurensuche, in Canans Familie, in der Moschee.
Celik erzählt auf zwei Handlungsebenen. Der Leser erfährt, wie Canan sich zu ihrer Koranlehrerin geflüchtet hat und dort Ruhe und Hilfe findet. Canan ist tief verletzt von der Diskussion im Unterricht. Sie fühlt sich als Person weder von der Familie, noch der Lehrerin und den Mitschülern ernst genommen. Niemand erkennt, dass sie selbständig denkt und handelt. Die Abschnitte von Canans Flucht - an der anderen Schrifttype leicht zu erkennen - sind in Sinems Erzählung eingebettet. Sinem, von Schuldgefühlen gequält, versucht immer weiter, sich in Canan hineinzuversetzen und lernt eine ihr bisher fremde Welt kennen. Sie geht zum Korankurs und lernt dort eine kluge, kritische und selbstbewusste Lehrerin kennen. Als sie selbst einen Tag mit Kopftuch zur Schule geht, geraten ihre Eltern in Panik. Die Mitschüler übersehen sie einfach. Man begegnet ihr wie einer Fremden. Sinem nimmt ihre Umwelt nun anders wahr. Sie ist empört über die Arroganz eines im Fall Canan ermittelnden Polizisten. Sie spürt plötzlich Vorurteile die aus Unwissen gewachsen sind - auf allen Seiten. Sinem schämt sich - und Leser können diese Scham gut nachfühlen und sind wie sie erleichtert, dass schließlich alles zu einem versöhnlichen Ende kommt. Sinem bittet Canan um Verzeihung und gemeinsam entlasten sie die junge Koranlehrerin von der Beschuldigung, eine Minderjährige vor ihren Eltern versteckt gehalten zu haben. Dabei greift Canan sehr geschickt in die Kiste mit den Vorurteilen und Leser haben mit den beiden Heldinnen Spaß an der grotesken Szene.
Celik zeigt Lesern türkische Familien in Deutschland. Menschen mit unterschiedlichem Bildungsgrad, verschiedenen Lebensplänen und Erfahrungen. Freundliche Menschen, Wichtigtuer, Fieslinge, Gebildete und Rückständige, Religion hat in deren Leben auch immer einen anderen Stellenwert. DieTochter des alten Hodscha beklagt die altmodischen Ansichten ihres Vaters. Leser schauen mit den Augen einer jungen Türkin auf diese bunte Welt. Mit ihr entdecken sie, staunen sie, ärgern sie sich. Leser entdecken Neues und Vertrautes, Bekanntes und Fremdes mit Canan und Sinem. Sie erfahren, dass egal welcher Herkunft; Menschen als Individuen handeln. Vorurteile sind gefährlich, Vorurteile sind dumm. Man muss immer fragen, selbst denken und wieder fragen. Zu der Einsicht kommt man mit der Lektüre. Und eventuelle eigene Vorurteilen hat der Leser danach auch verworfen, denn er weiß - auch dank des verständlichen Glossars -jetzt einfach mehr.
Als Klassenlektüre im 7. und 8. Schuljahr eine unterhaltsame und lehrreiche Anregung zu Diskussion und aufmerksamem Beobachten.






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Diese Rezension wurde verfasst von Pfn.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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