Sei ein Mädchen!

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• Gender/Geschlecht

Teaser

Mädchen sind hübsch angezogen, lächeln, können kochen, sind oft ängstlich und sind außerdem vernarrt in Schuhe, Puppen und Jungs. Denkste! Mädchen sind sauer, wütend und voller Hoffnung, können schreien und weinen, kämpfen und lachen, gut schießen und mit Technik umgehen, sie lieben Pferde genauso wie Dinosaurier und sind vor allem in eins vernarrt: Darin, sie selbst zu sein. Und das ganz unabhängig von gesellschaftlichen Normen, Wertungen und Erwartungen.

Beurteilungstext

Das Bilderbuch „Sei ein Mädchen!“ von Jochen Till thematisiert die Stereotype, denen Mädchen und Frauen täglich ausgesetzt sind, mit kurzen, pragmatischen und treffenden Sätzen, die das gesellschaftliche Bild infrage stellen und zu einem emanzipatorischen Denken anregen. Raimund Freys Illustrationen unterstützen die Botschaft, indem sie comichaft verbildlichen, wie unterschiedlich Mädchen sein können und dass eine Trennlinie zwischen Jungen und Mädchen nicht so klar gezogen werden kann, wie es nicht selten dargestellt wird. Nicht jedes Mädchen mag Puppen, genauso wenig wie jeder Junge Fußball mag. Die frechen, überdeutlichen Illustrationen symbolisieren ganz klar die Tatsache, dass Stereotype vor allem eines sind: Stereotype.
Das Buch erzählt keine Geschichte über ein bestimmtes Mädchen, sondern zeigt die Möglichkeiten auf, die Mädchen haben, wenn sie sie selbst sind, ohne auf die Stereotype zu achten, denen das weibliche Geschlecht oft zuteil wird. Die Seiten hängen nicht direkt zusammen, doch ergeben am Ende ein Gesamtbild.
Das Buch zeigt hervorragend eine Entfesselung der Vorurteile, denen man als Mädchen und Frau begegnet, vergisst dabei aber auch, dass die rigorose Abwehr der Stereotype zu einem neuen stereotypen Bild führen können. Dem Bilderbuch fehlt daher ein entsprechendes Fazit. Es macht den Eindruck, dass Mädchen nur dann Mädchen sind, wenn sie Technik lieben, nicht gern einkaufen gehen oder frech sind – dabei ist genau diese Impression falsch und verändert die eigentliche Intention des Buchs.
Dennoch ist „Sei ein Mädchen!“ empfehlenswert, insbesondere für Mädchen, die noch nicht lesen können. Die wiederkehrende Struktur mit dominanten, im Comicstil angefertigten Illustrationen, die von einem knappen Satz begleitet werden, könnten für Erstleser*innen schnell langweilig werden. Der Fokus des Buchs ist auf das Paradoxon zwischen Satz und Bild gelegt, daher ist bei der Lektüre eine erwachsene Begleitung empfehlenswert, um zu verdeutlichen, dass die gesellschaftlichen Stereotype eben nicht der Realität entsprechen. Es hinterlässt den Eindruck, den der Klappentext widerspiegelt: Sei du selbst, auch wenn du aus der Reihe tanzt!

Maria Annemüller