Sechs Leben

Autor*in
Petit, Véronique
ISBN
978-3-95854-162-7
Übersetzer*in
Häfner, Anne-Kathrin
Ori. Sprache
Französisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
224
Verlag
Mixtvision
Gattung
Buch (gebunden)Erzählung/Roman
Ort
München
Jahr
2021
Lesealter
12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
15,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Teaser

Was wäre, wenn…? Nämlich wenn man mehr als ein Leben hätte? Der 15-jährige Gabriel erfährt bei seinem 15. Geburtstag, dass er zu den ganz wenigen Glücklichen gehört: Er hat gleich sechs Leben. Und fühlt sich geradezu unsterblich. Doch innerhalb nur weniger Wochen sind bereits nahezu alle Bonusleben aufgebraucht. Durch draufgängerisches, sinnloses Handeln. Doch auch, um andere zu retten. Wofür lohnt es sich, ein Leben zu geben. Und was macht man mit dem letzten, das einem zur Verfügung steht?

Beurteilungstext

Es ist eine faszinierende Vorstellung, statt ein einziges Lebens gleich noch ein oder mehrere Bonusleben zu besitzen. Véronique Petit hat dieses fantastisch anmutende Konstrukt, das häufig in Computerspielen Anwendung findet, einmal auf das reale Leben übertragen. In ihrem Roman "Sechs Leben" haben allerdings nur gerade einmal 9 Prozent der Jugendlichen das Privileg, dass ihnen aus unerfindlichen Gründen mehrere Leben zur Verfügung stehen. Ob und wie viele es sind, wird jeweils durch eine offizielle Untersuchung im Alter von 15 Jahren festgestellt. Der 15-jährige Gabriel, der als Protagonist seine Geschichte aus der Ich-Perspektive im Präsens erzählt, gehört zu einem besonderen, nur sehr kleinen Teil der Bevölkerung: bei ihm sind es tatsächlich sechs Leben. Das Wissen darum macht aus dem eher zurückhaltend auftretenden Jungen einen bestaunten Draufgänger: Endlich kann er sich seinen sehnlichen Wunsch nach einem Solo-Fallschirmabsprung erfüllen – allerdings mit doppelt fatalem Ergebnis; der eigentlich erwartete Kick stellt sich leider auch nicht ein. Dass er mit zwei seiner Bonusleben andere Menschen rettet, ist eigentlich keine bewusste Entscheidung, sondern ergibt sich aufgrund gegebener Umstände. Und leider schrumpft sein Lebenskontingent weitaus schneller als ursprünglich angenommen…
Daraus stellt sich die spannende Frage, wofür denn überhaupt ein Leben sinnvoll geopfert werden könne. Unterschiedliche Sichtfacetten kommen zutage in den psychologischen Gesprächen, an denen alle jugendlichen „Mehrleben“ pflichtgemäß teilnehmen müssen. Es geht dabei nicht nur um eine notwendige Risikoeinschätzung (dazu gibt es eine „Risikobibel“), sondern mehr noch um die damit verbundene Verantwortung: Sollen die Bonusleben im Sinne der Gemeinschaft genutzt werden - oder dürfen sie allein zur egoistischen Befriedigung eigener Interessen dienen? Aber es stellen sich auch ganz praktische Fragen, etwa: Wird die Angst vor dem Tod bei mehreren Leben geringer? Wie wird der Zeitpunkt des Sterbens empfunden? Kann eine gute Partnerschaft oder Liebesbeziehung trotz unterschiedlicher Lebensanzahl überhaupt möglich und von Dauer sein? Bedeutet das Fehlen von Bonusleben die Vermeidung jeglicher Risiken?
Abgesehen von gewissen anatomisch-medizinischen Unmöglichkeiten (etwa: Was passiert, wenn einem „Mehrleben“ der Kopf abgeschnitten wird?), die letztlich nicht näher ausgeführt werden, wird auch das jeweilig ausgelöste persönliche Glücksgefühl hinterfragt. Offenbar ist dies zunächst überwältigend, weil die zusätzlichen Leben zweifellos ungeahnte Perspektiven eröffnen. Doch es wird auch sehr schnell deutlich, dass nahezu alle jene, denen ein oder mehrere Bonusleben zur Verfügung stehen, mit der damit verbundenen ethisch-moralischen Last riesige Probleme haben. Ja, dass sogar jene, die zur überwiegenden Mehrheit gehören und nur ein einziges Leben besitzen, nicht selten wesentlich bedächtiger damit umzugehen wissen, ohne dass dies zugleich mit einer Einschränkung der Lebensqualität verbunden wäre. Und dies gewiss auch aus dem Grunde, dass ihnen ihr einziges Leben schlichtweg bedeutungsvoller erscheint, als wenn ihnen mehrere davon zur Verfügung ständen.
Véronique Petit gelingt es ausgezeichnet, die widerstreitenden Gefühle des 15-jährigen Gabriel in Worte zu fassen. Ihr Buch ist ebenso packend wie einfühlsam geschrieben; die Schilderungen familiärer oder schulischer Konstellationen und Begebenheiten wirken ungeachtet des fantastischen Elements durchweg authentisch. Niemals will die Autorin moralisieren, sie will auch nicht mit wohlfeilen, banalisierenden Lebensweisheiten punkten. Vielmehr bleibt es den Lesenden überlassen, besser noch: fordert es jeden einzelnen heraus, sich eine ganz persönliche Meinung zu bilden. Mit seiner durchaus universalen Fragestellung, die auch Erwachsenen wichtige Denkanstöße vermittelt, kann "Sechs Leben" problemlos als All-Age-Literatur eingeordnet werden.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von RPGK; Landesstelle: Rheinland-Pfalz.
Veröffentlicht am 27.02.2021

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