Schuhhaus Pallas

Autor*in
Fried, Amelie
ISBN
978-3-423-62464-0
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
199
Verlag
dtv
Gattung
Ort
München
Jahr
2010
Lesealter
12-13 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
7,95 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Amelie Fried wird auf ihre jüdische Familie gestoßen und beginnt nachzuforschen. Ihr Vater und dessen Vater haben über die Nazizeit und die Verfolgungen geschwiegen bis zu ihrem Tod. Amelie Fried versucht zu ergründen, wie eine solche Haltung zu verstehen ist und deckt dabei immer mehr des Kampfes ihrer Väter gegen die Enteignung und um ihr Überleben auf.

Beurteilungstext

Besonders interessant finde ich den Ausgangspunkt zu Amelie Frieds Recherchen in Sachen eigener Familie: Wieso hat man nie über die Ausgrenzung und Vernichtung der Juden in ihrer Familie gesprochen? Wie für viele jüdische Familien haben Herkunft und Religion in ihrer Familie eine eher untergeordnete Rolle gespielt. Nur durch die Nazigesetze wurden sie darauf gestoßen. Das gut gehende Geschäft in Ulm wurde boykottiert, jeder Versuch, gegen irgendwelche staatlichen Stellen das immer noch geltende Recht anzuwenden, schlugen fehl, selbst Übereignungen, Beteiligungen von “Ariern” und letztlich die Scheidung der Großeltern verhinderten nicht, dass der Betrieb letztlich geschlossen wurde. Der Großvater kam ins KZ, viele Verwandte wurden ermordet, einige konnten emigrieren. Dennoch konnte man weder mit dem Vater noch dem Großvater darüber reden. Elie Wiesel : ”Man wollte uns einfach nicht zuhören. Weil wir eine Schande für die Menschheit waren...Weil sich mit uns ein Abgrund aufgetan hat, der Abgrund der Menschheit. Wir haben bewiesen wozu der Mensch fähig ist.” ...”hierin liegt sicher eine Erklärung für das Jahre oder Jahrzehnte dauernde Schweigen vieler Betroffener: Sie mussten die Dämonen ihrer Erinnerung erst einmal wegsperren, weil sie sonst gar nicht lebensfähig gewesen wären.” (S.97 f)
Zwei alte Verwandte kann Fried noch interviewen, einen emigrierten Onkel und eine Tante, die immer geschwiegen hatte, erst jetzt, kurz vor ihrem Tode, war sie bereit, einiges zu erzählen.
Der Leser folgt der Autorin bei der chronologisch beschriebenen Recherche, sie weiß anfangs wenig mehr als der Leser, gemeinsam fügen sie Stein auf Stein und - neben den Schicksalen der Familie - entblättert sich ein Menschen verachtender NS-Staat, dessen Protagonisten sich bis zu ihrem Tod keinerlei Schuld bewusst werden, die sich in keinem Augenblick fragen, was ihre blinde Befolgung von verbrecherischen Gesetzen für die einzelnen Menschen bedeutet: Sie haben gelernt, dass Juden keine Menschen seien.
Ohne Anklage - außer gegen den bornierten Polizeipräsidenten in Ulm - legt Amelie Fried ihre bitteren Erkenntnisse auf den Tisch.
Die Nachkriegskarriere ihres Vaters beweist, dass sich die Zeiten geändert haben. Nicht aber alle Menschen, anonyme antisemitische Briefe verfolgen den Kulturredakteur der Ulmer Tageszeitung bis nach seinem Tode. Aber derlei gab es nach der Erstauflage dieses Buches im Jahre 2008 nicht mehr, nur noch Bestätigung. Das gibt Grund zu der Annahme, dass sich jetzt auch die Menschen - eine gänzlich neue Generation - geändert haben.

Im Anhang werden Reaktionen auf dieses Buch beschrieben, einige Details dadurch ergänzt. Ein 13-seitiges Glossar erklärt klar und knapp 74 Begriffe und Namen, allesamt für sich schon lesens- und wissenswert und eine Zeittafel chronologisiert wichtige Daten vom 30. Januar 1933 (Machtergreifung, Fackelzug in Ulm) über 1937 (Beamte mit jüdischen Ehepartnern werden entlassen) bis 20.11.1945 (Beginn der Nürnberger Prozesse).
Im Anschluss ist noch ein Stammbaum der Familie Fried mit knappen Daten abgebildet.

Absolut lesenswert.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von cjh.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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