Schluss. Jetzt werde ich etwas tun. Die Lebensgeschichte der Sophie Scholl
- Autor*in
- Gottschalk, Maren
- ISBN
- 978-3-407-74417-3
- Übersetzer*in
- –
- Ori. Sprache
- –
- Illustrator*in
- –
- Seitenanzahl
- 264
- Verlag
- –
- Gattung
- BiografieTaschenbuch
- Ort
- Weinheim
- Jahr
- 2021
- Lesealter
- 14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
- Einsatzmöglichkeiten
- –
- Preis
- 9,95 €
- Bewertung
Teaser
Sophie Scholl steht wie kaum eine andere Person für das "andere Deutschland" während der nationalsozialistischen Diktatur, für Widerstehen, Mut und Anstand in einer grausamen Umwelt. Maren Gottschalk zeichnet in ihrer lebendigen Biografie das kurze Leben von Sophie Scholl nach und vermag es, neue Quellenmaterialien in die fesselnde Darstellung einer komplexen Persönlichkeit einzuarbeiten.
Beurteilungstext
Wie kaum ein anderer Mensch verkörpert Sophie Scholl das Gesicht des Widerstands gegen die menschenverachtende Nazi-Diktatur. Zusammen mit ihrem Bruder Hans und einer Reihe von Freunden verbreiteten die jungen Süddeutschen Flugblätter gegen das Regime und wurden 1943 hingerichtet.
Das Buch zeichnet die Biografie Scholls einfühlsam nach. Angefangen von den Kinderjahren in der Kleinstadt Forchtenberg im nördlichen Baden-Württemberg, über die Jahre in Ludwigsburg und vor allem die Schuljahre in Ulm bis hin zur Zeit in der Ausbildung zur Erzieherin in verschiedenen Städten, die Monate im "Reichsarbeitsdienst" bis hin zum Studium in München. Die Familie erhält einen breiten Raum, was sehr gerechtfertigt ist, da die Erziehung durch die Eltern Lina und Robert, vor allem aber das Verhältnis zu den Geschwistern prägend für das Mädchen waren. Intensiv wird besonders die Beziehung zur ältesten Schwester Inge ausgeführt. Ebenso breiten Raum nehmen die Freundschaften ein. Die konfliktreiche Liebe zum Soldaten Fritz Hartnagel wird facettenreich beleuchtet. Die sozialen Verhältnisse, in denen sich Sophies Leben abspielte, werden ebenso knapp, aber nachvollziehbar dargestellt wie die geschichtlichen Hintergründe. Am intensivsten aber beschäftigt sich die Autorin damit, die "innere Biografie" Sophies Scholls auszuleuchten - ihre Gefühle, Interessen und Neigungen, die weltanschauliche Entwicklung, die psychischen und sozialen Konflikte, mit denen sie kämpfte. Vor allem bemüht sich Gottschalk, den langen Weg Sophies von der überzeugten Nazi-Anhängerin und "Jungmädel-Führerin" zur entschiedenen Widersacherin des Regimes nachzuzeichnen und zu begründen; bis hin zum Prozess nach der Verhaftung und der Hinrichtung Sophies, ihres Bruders Hans und vier weiterer Mitglieder der Widerstandsgruppe.
Sophie Scholl hat in jedem deutschen Geschichtslehrbuch einen Platz, es gibt Ausstellungen und Filme über Aspekte ihres Lebens, Straßen und Schulen in der ganzen Republik tragen ihren Namen. Nicht zuletzt gibt es eine vielfältige Literatur zu ihr - angefangen mit dem bereits Anfang der fünfziger Jahre erschienenen Standardwerk "Die Weiße Rose" ihrer Schwester Inge Scholl bis hin zum ebenfalls als Jugendbuch konzipierten Werk "Das kurze Leben der Sophie Scholl" von Hermann Vinke (1987). Ein neues Buch über diese vermeintlich bekannte Person muss also den Anspruch haben, neue Gesichtspunkte einzubringen. Diesem Anspruch wird Maren Gottschalk mit ihrer Biografie gerecht. Die Autorin stützt sich auf andere Bücher und verweist auf diese; macht aber auch deutlich, wo sie zu anderen Einschätzungen kommt. Vor allem aber bezieht sie Quellen ein, die jahrzehntelang nicht freigegeben waren, oder wenig Beachtung gefunden hatten. Dieses "Hinausgehen" über frühere biografische Darstellungen schützt das Buch vor der Gefahr, nur Altbekanntes neu zu erzählen. Besonders deutlich wird dies beim Unterfangen, die Wandlung der Einstellung Sophie Scholls (und ihrer älteren Geschwister) von glühenden Anhängern der Hitlerjugend hin zu selbstständig denkenden und verantwortungsbewusst handelnden Kämpfenden gegen das mörderische Regime nachzuzeichnen. Die Etappen dieses Wandlungsprozesses werden detailliert geschildert und quellengestützt an Schlüsselereignissen nachvollzogen, so der Verhaftung von Hans Scholl durch die Gestapo wegen des Vorwurfs der Homosexualität oder den Konflikten mit HJ-Verantwortlichen wegen des Bestrebens der Scholls, dem HJ-"Dienst" individuelle Seiten abzugewinnen und Elemente der verbotenen bündischen Jugendbewegungen einzubringen.
Beeindruckend ist auch, wie es der Autorin gelingt, Sophie in all ihrer Vielschichtigkeit und Widersprüchlichkeit lebendig werden zu lassen. Ihre inneren und äußeren Konflikte, ihre Selbstzweifel, ihre verzweifelte Suche nach philosophisch-ideologischer Orientierung wie auch nach ehrlicher Freundschaft und nach Liebe werden ohne Beschönigung und Idealisierung herausgearbeitet. Es entsteht ein beeindruckendes Porträt einer komplexen Persönlichkeit.
Maren Gottschalk ist es daran gelegen, die Relevanz des Wirkens von Sophie Scholl für die heutige Zeit und die heute lebenden Jugendlichen aufzuzeigen. Dabei verlässt sie die "Chronistinnen-Rolle", wenn sie den Kampf gegen Extremismus und Neofaschismus in der Gegenwart als Verpflichtung aus dem Leben und dem Tod der Mitglieder der "Weißen Rose" anmahnt.
Eine Literaturübersicht, ein Verzeichnis der Zitate und eine Zeittafel ergänzen das Werk.