Sanctuary: Flucht in die Freiheit

Autor*in
Mendoza, PaolaSher, Abby
ISBN
978-3-551-58441-0
Übersetzer*in
Lemke, Stefanie Frida
Ori. Sprache
englischem
Illustrator*in
Lédlová, Dana
Seitenanzahl
352
Verlag
Carlsen
Gattung
Taschenbuch
Ort
Hamburg
Jahr
2021
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
15,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Teaser

Alle rechtmäßigen Bürger*innen der USA werden durch einen ID-Chip gekennzeichnet und überwacht. Vali, ihre Mutter und ihr Bruder sind migriert und damit keine rechtmäßigen Bürger*innen. Auf ihrer Flucht nach Kalifornien, der einzige Staat, der sich der Kontrolle entzieht, wird ihre Mutter verhaftet. Eine schwere Zeit voll Leid, Hunger und Schmerz beginnt, doch Vali schafft es tatsächlich, ihrem Bruder zu beschützen und Kalifornien zu erreichen.

Beurteilungstext

Vali muss mit ihrer Mutter und dem jüngeren Bruder Ernie fliehen, denn alle Bürger*innen die rechtmäßig in den USA leben, bekommen einen Mikrochip der ihre Identität nachweist. Vali und ihre Mutter sind aber undokumentierte Migrantinnen, nur ihr Bruder Ernie ist in den USA geboren und hat daher ein rechtmäßiges Recht dort zu leben. Während an den Grenzen der USA Zäune errichtet und durch Landminen gesichert werden, kommt es im Landesinneren zu Festnahmen und Jagden auf Migrant*innen. Denn diese werden für alles verantwortlich gemacht: Arbeitslosigkeit, Verlust von Wohlstand und sogar dem Klimawandel. Vali und ihre Familie schaffen es gerade rechtzeitig einer Festnahme zu entgehen und machen sich auf den gefährlichen Weg nach Kalifornien. Dort lebt Valis Tante und dieser Staat ist der Einzige, der sich widersetzt. Hier wird niemand verfolgt, eingesperrt oder ausgewiesen, sondern Kalifornien verspricht, Migrant*innen aufzunehmen und zu schützen. Damit wird der Staat Kalifornien zum Feind der Vereinigten Staaten, ein Grenzwall wird errichtet und die Flucht dorthin lebensgefährlich. Vali und ihr Bruder erfahren immer wieder Gewalt und als ihre Mutter unterwegs verhaftet und interniert wird, wiegt dieser Verlust unglaublich schwer. Doch Vali schafft es, ihren Bruder zum weitergehen zu bewegen, trotz Hunger, Schmerzen und unglaublicher Angst. Und sie schafft es allen Widrigkeiten zum Trotz, Kalifornien zu erreichen.
Das Buch spielt im Jahre 2032. Was weit entfernt scheint, ist tatsächlich beinahe real. Bereits der Blick an die europäischen Außengrenzen zeigt, wie schrecklich echt diese Erzählung ist: Gewalt, Leid, Tod, Mord und Vergewaltigungen sind tägliche Begleiter all derer, die fliehen müssen. Die von einem Leben in Europa träumen, dass sie fast nie erreichen werden. Denn Europa lehnt Schutzsuchende gnadenlos ab. Menschen ertrinken oder erfrieren auf der Flucht und werden zum Spielball der Politik. Und wer es doch bis nach Europa schafft, dem droht Gewalt, systematische Ausbeutung und Abschiebung. Selbst Menschen, die in Europa geboren wurden, sehr lange hier gelebt haben, arbeiten und Steuern zahlen, sind nicht sicher. Familien werden nachts aus dem Schlaf gerissen, in einen Flieger gesetzt und abgeschoben. Und das Schlimmste ist, viele Menschen schauen dabei zu, finden dieses Vorgehen sogar richtig, sehen Migranten als minderwertige Menschen an und bejubeln die Politik für jede durchgeführte Abschiebung.
Es gibt wenige Bücher, die ich aufgrund ihrer Brisanz, Aktualität und nachhaltigen Wirken nicht am Stück lesen konnte, "Sanctuary" ist eines dieser Bücher. Denn die Geschichte um die Flucht der jungen Vali und ihrem Bruder berührt zutiefst. Der Verlust geliebter Menschen geht unheimlich nah und die Grausamkeit, die hinter dem Tod all derer steht, ist erdrückend. Denn nichts, was in dem Buch beschrieben wird, könnte nicht genauso stattgefunden haben. Denn unsere Welt zerteilt sich mehr und mehr in arm und reich. Es ist unfassbar, wie wichtig es ist auf der "richtigen" Seite der Weltkugel geboren zu sein. Genau genommen reicht das noch nicht einmal, denn das "richtige" Aussehen ist mindestens genauso wichtig. Es tut unglaublich weh, das in Worte gefasste Leid des jungen Mädchens zu lesen, die Angst um ihren Bruder zu spüren und die Panik der fliehenden Menschen zu erleben. Obwohl beide es ins sichere Exil schaffen, wiegt der Verlust um ihre Eltern und Wegbegleiter schwer. Aber noch schwerer wiegt die Einsicht, dass Schicksale wie das der beiden Fliehenden überall auf der Welt stattfinden: heute - täglich.
Die beiden Autorinnen Paola Mendoza und Abby Sher schildern in einem beeindruckenden Nachwort die Entstehungsgeschichte ihres Romans. Die Idee zum Buch wuchs während "einer sehr dunklen Zeit unserer Nation". Im Frühjahr 2018 begann die Trump-Regierung Familien an der Grenze zu Mexiko auseinander zu reisen. Eltern wurden von ihren Kindern getrennt und inhaftiert, die Kinder in entfernte Bundesstaaten gebracht. Bis heute gibt es Familien, die sich nicht wiedergefunden haben, weil die Zeit die Kinder von ihren Eltern entfremdet hat oder weil Eltern ihre Kinder nicht wiederfinden konnten. Während das Buch entstand und sich die Autorinnen Gedanken darüber machten, welche Unmenschlichkeiten und menschliches Leid überhaupt noch möglich seien, wurden ihre eigenen Ideen für das Buch "von den aktuellen Nachrichten weggeschnappt. Jedes Mal, wenn ich dachte, wir hätten diese Zukunft zu düster und grausam gemalt, bewiesen Schlagzeilen uns das Gegenteil".
Dieses Buch ist eine Hommage an die Menschlichkeit, an die Vernunft, an unser Herz. Es ist eine Pflichtlektüre für alle Menschen, denn die Geschichte zeigt einen anderen, geklärten und ungeschönten Blick auf die Welt. Es ist ein Buch, das von Politikern gelesen werden sollte, dass im Unterricht besprochen und diskutiert werden muss. Denn eines wird beim Lesen ganz sicher klar: unsere Welt braucht mehr Menschlichkeit, es braucht einen Ausweg aus Leid, Hunger und Elend. Es muss eine Welt werden, in der jede*r leben und lachen kann, unabhängig davon, wo und wie reich man geboren wurde.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Veröffentlicht am 03.01.2022

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