Rude Girl

Autor*in
Weyhe, Birgit
ISBN
978-3-96445-068-5
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Weyhe, Birgit
Seitenanzahl
305
Verlag
avant-verlag
Gattung
Comic
Ort
Berlin
Jahr
2022
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
BüchereiKlassenlektüreFreizeitlektüre
Preis
26,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Der Comic erzählt von der Suche nach Zugehörigkeit und kultureller Identität. Crystal wächst im Chicago der 1980er auf. Als Kind, deren Eltern aus Barbados und Jamaika stammen, ist sie für die Weißen nicht reich genug und für die Schwarzen zu angepasst. In der linken Skinhead-Szene und dem Germanistikstudium findet sie jedoch ihren Platz.

Beurteilungstext

Zu Beginn des Buches wird von seiner Entstehungsgeschichte berichtet. Während ihres Aufenthalts in Nordamerika wird die Autorin nicht nur mit einer Fremdheitserfahrung, sondern auch dem Vorwurf kultureller Aneignung in ihren Geschichten konfrontiert. Darf sie als weiße, deutsche Frau also nur über solche schreiben? Die Frage bleibt zunächst unbeantwortet, doch inspiriert ein Interview mit der amerikanischen Germanistik-Professorin Priscilla Lane sie dazu, einen Comic-Strip über das bewegte Leben der Akademikerin zu gestalten. In ‚Rude Girl‘ sind sämtliche dieser Comics in einer zusammenhängenden Erzählung verwoben. Um bei diesem Projekt kulturelle Aneignung zu vermeiden, integriert Weyhe die Kommentare ihrer Protagonistin als zweite Ebene der Erzählung, die sich dennoch in den chronologischen Ablauf der Biographie einfügt. Die Personen und Begebenheiten der Erzählung sind verfremdet, sodass die Anonymität gewahrt bleibt, wodurch das Buch zu einem fiktiven Werk wird. Leser*innen wird somit ein sehr persönlicher Einblick in das Leben von Lane ermöglicht, dessen Hintergründe von ihr selbst erläutert werden. Damit gibt Weyhe ihrer Protagonistin eine Stimme in der Erzählung, die der ihren gleichgestellt ist.
Die Geschichte selbst setzt mit der späten Familiengeschichte der Hauptfigur - genannt Crystal - an. Diese ist von mehrfachen, generationsübergreifenden Emigrationsgeschichten gezeichnet, die letztlich bei Crystal und ihren Eltern in Chicago enden. Da die Familie ihrer Mutter aus England nach Nordamerika und ihr Vater aus Jamaika nach Nordamerika emigrierten, sind beide Elternteile fremd in einer Kultur, die ihre Tochter von Geburt an prägt. Das Mädchen versucht zwar, sich anzupassen, doch ihre strenge Mutter und die schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse der Familie machen dies unmöglich. Für die Schwarzen Mitschüler ist sie ein Oreo - außen Schwarz und innen Weiß, denn besonders Einwanderer der karibischen Inseln gelten als sehr angepasst. Für ihre Weißen Klassenkameradinnen ist sie wiederum nicht wohlhabend genug. Crystal freundet sich also immer mit den Außenseitern an, die sie weder für ihre Herkunft, noch ihr Aussehen verurteilen. Auch ihr Zuhause ist kein sicherer Ort für sie; als junges Kind wird sie von ihrem älteren Cousin missbraucht. Nachdem der Missbrauch aufgedeckt wird und sie gegen ihn vor Gericht aussagt, ist die Familie zerrüttet. Nur ihre Mutter und ihr Großvater, der in London lebt, halten stets zu ihr. Gemeinsam mit ihrer Mutter muss sie in einen anderen Stadtteil von Chicago umziehen, in dem sie sich noch weniger akzeptiert fühlt. Als ihr Cousin vom Gericht freigesprochen wird, wächst ihre Wut gegenüber einer Gesellschaft, die sie weder akzeptiert noch für glaubwürdig hält. Die Teenagerin findet Trost in der Musik, die auch eine zentrale Rolle bei ihrer Entscheidung spielt, sich der linken Skinhead Szene anzuschließen. Nach ihrem Schulabschluss studiert sie in Chicago, Berlin und den USA Germanistik, da sie sich bereits seit frühester Kindheit für die Sprache interessiert. In Europa begegnet ihr eine neue Art der Multikulturalität, aber auch der Vorurteile und Klassenunterschiede. Sie fühlt sich in London und Berlin wohl, Städte, in denen die Arbeiterklasse, die karibische und die Skin-Kultur einen höheren Stellenwert haben. Doch in den darauf folgenden Jahren werden die Unterschiede der Herkunft und kulturellen Identität durch das elitäre akademische Umfeld in Berkeley wieder zu einem Thema. Letztendlich findet die Protagonistin in ihrer Anstellung als Professorin das soziale Umfeld, in dem sie ihren Platz und Akzeptanz findet - von den meisten Seiten jedenfalls.
Die Zeichnungen trennen durch ihre Farbgebung die fiktive Geschichte von den Kommentarseiten. In emotional intensiven Momenten sind die Zeichnungen der Hauptfigur durch einfarbige Muster und Farbkleckse übermalt, so findet Weyhe auch ohne Worte ein eindrückliches Darstellungsmittel für die Crystals Gefühlswelt. Die Teilhabe der Hauptfigur am Entstehungsprozess des Comics macht das Werk zu einem wertvollen Zeugnis kultureller Zugehörigkeit und zeigt, wie auch Geschichten fremder Kulturen auf respektvolle, wirklich authentische Art erzählt werden können. Gerade im Hinblick auf die immer größer werdende Auseinandersetzung mit deutscher Kolonialgeschichte und strukturellem Rassismus ist das Werk für den schulischen Gebrauch zu empfehlen.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von RPTK; Landesstelle: Rheinland-Pfalz.
Veröffentlicht am 15.02.2023

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