Rico, Oskar und die Tieferschatten

Autor*in
Steinhöfel, Andreas
ISBN
978-3-551-55551-9
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Schössow, Peter
Seitenanzahl
224
Verlag
Carlsen
Gattung
Ort
Hamburg
Jahr
2008
Lesealter
10-11 Jahre12-13 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
12,90 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

"Es ist merkwürdig, dass die Leute mit einem nicht so Schlauen praktisch genauso wenig anfangen können wie mit einem nicht so Dummen."
Rico denkt viel über die Welt nach, obwohl er tiefbegabt ist. Ausgerechnet der hochbegabte Oskar wird sein Freund. So bestehen die beiden Außenseiter fast allein ihr Abenteuer mit den Tieferschatten und einem gemeinen Verbrecher. - Witzig, tiefsinnig und glaubwürdig!

Beurteilungstext

Rico soll ein Ferientagebuch führen. Gar nicht so einfach für einen, der sich für tiefbegabt hält. Aber er kriegt das hin - und nicht nur das: Er findet endlich einen Freund. Auch das war bisher nicht so.
Rico erzählt uns seine Geschichte selbst: von Samstag bis Donnerstag. Dass Rico tiefbegabt ist, hat ihm seine Mama erklärt. Aus seinem Gehirn fallen manchmal einfach ein paar Sachen heraus. Und in seinem Kopf geht es manchmal zu wie in einer Bingotrommel. Trotzdem kann er sehr viel denken, nur dauert das meistens etwas länger als bei anderen. Rico kommt damit gut zurecht, und wenn die anderen das nicht schaffen, ist das deren Problem.
Probleme hat offenbar auch der kleine Knabe, der ständig mit einem Fahrradhelm auf dem Kopf herum- und Rico über den Weg läuft. Dass der berüchtigte Kindesentführer Mister 2000 gerade die Stadt unsicher macht, ist das eine Problem. Ricos Mutter muss zu ihrem Bruder zu Besuch, der ist sterbenskrank. Das ist das andere Problem, denn Rico soll allein zu Hause bleiben. Das klappt auch zunächst ganz gut, denn Rico kennt ja mittlerweile Oskar, den mit dem Helm. Als aber Oskar zu einer Verabredung nicht erscheint, muss Rico sich ganz schön anstrengen, um seine Bingomaschine in Schach zu halten. Klar, dass daraus ganz schnell ein Kriminalfall wird, oder?!
Der Krimi, der sich aus dieser Geschichte entwickelt, ist längst nicht so raumgreifend wie Ricos Gedanken. Doch gerade die Einzigartigkeit des Jungen, sich mit Dingen wie einer schmutzigen Fundnudel vor der Haustür so intensiv zu beschäftigen, befähigen gerade ihn, das Rätsel zu lösen. Der Gedanke, dass er soeben etwas Gefährliches unternimmt, hat nun mal einfach keinen Platz in Ricos Gehirn.
Andreas Steinhöfel ist nicht der Autor, der uns mit abgedroschenen Klischees langweilt. Die Perspektive dieses Buches ist also durchaus speziell. Der tiefbegabte Rico trifft den hochbegabten Oskar. Das Reizvolle daran ist, dass man es als Leser schon nach kurzer Zeit fast gar nicht mehr merkt, dieses Tiefbegabte... so spannend sind die Ereignisse, so groß die Gefühle! Was macht es da für einen Unterschied, wie begabt jemand ist? Nun, so einfach ist die Sache dann doch wieder nicht. Steinhöfel will uns gar nicht weismachen: Behindert? Ach, das macht doch nichts!
Die Probleme von Rico sind schon da, aber er kann damit durchaus ganz gut leben. Er weicht ihnen auch nicht aus, das kann er gar nicht mit seinen Ängsten. Aber auch andere Menschen (alle?) haben es nicht sooo leicht wie es mitunter erscheint. Die Schilderung der Nachbarn in Ricos Haus macht das sehr schön deutlich. Mit wem möchte man da wohl tauschen? Die Sympathie geht also schnell auf Rico, später sicher auch auf den kleinen Oskar. Bei ihm hingegen muss man beinahe aufpassen, dass daraus nicht Mitleid wird. Hier relativieren sich die Vorzüge einer "Hoch-Begabung" sehr rasch.
Der Autor lässt uns einfühlsam, geradlinig und einzigartig die Welt mit den Augen eines besonderen Kindes sehen. Mit unglaublichem Wortwitz, der in seiner Banalität genial wirkt, beschränkt er sich vollständig auf die Wahrnehmungen und Gedanken des lernbehinderten Jungen. Besonders kunstvoll dabei ist der Einsatz von Einfachwörtern, wie sie in Ricos Kopf entstehen. Diese Beschreibungen treffen so haargenau den Nagel auf den Kopf, dass man sie manchmal erst nach längerem Nachdenken verstehen kann. Damit versetzt uns der Autor in die gleiche Lage wie seinen Haupthelden, dem es im Alltag mehr als einmal so geht. Allerdings hat der sich eine einfache Methode ausgedacht: er schreibt sein eigenes Erklärungsbuch für alle schweren Wörter. In seinem Bemühen, sich der anderen Welt zu nähern, ist er den meisten von uns damit weit voraus. Und trifft mehr als einmal den Nerv der Leser, denen der ewige Reformwahn unserer Sprache auf denselben geht.
Eine durchaus ambivalente Toleranzgeschichte, dieser kleine Band, mit einer guten Portion Spannung und in-die-Irre-Führen durch die Krimi-Anteile.

Peter Schössow steuert mit seinen skurrilen Zeichnungen zu Beginn jedes Kapitels einen schönen Schuss Humor bei. Die Zwei sind schon auf dem Buchcover ein starkes Gespann!

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von wa.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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