Rico, Oskar und die Tieferschatten

Autor*in
Steinhöfel, Andreas
ISBN
978-3-551-55551-9
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Schössow, Peter
Seitenanzahl
220
Verlag
Carlsen
Gattung
Ort
Hamburg
Jahr
2008
Lesealter
8-9 Jahre10-11 Jahre12-13 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
12,90 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Haben Sie mal 'ne Nudel auf dem Gehsteig gefunden und sich ernstlich Gedanken über die Herkunft dieser einsamen Teigware gemacht? Nein? Warum nicht? Rico schon. Rico macht sich nicht nur Gedanken, sonder er nimmt die Frage ernst und versucht heraus zu finden, woher sie gekommen sein mag, die Nudel.
Und dann sind da noch die Tieferschatten im Hinterhaus, Oskar mit dem blauen Helm auf dem Kopf und der unheimliche Mister 2000...

Beurteilungstext

Rico ist ein wunderlicher kleiner Kerl. Nein, eigentlich ist er einfach wunderbar! Tiefbegabt und trotzdem irgendwie schlau, selbstbewusst und mutig. So ist Rico. Und man muss ihn einfach lieben, diesen kleinen Jungen, der ganz allein einen Serienentführer enttarnt.
Andreas Steinhöfel hat es mal wieder geschafft: Er schreibt einen Roman über einen Jungen, der auf Grund seiner Behinderung eigentlich benachteiligt sein sollte - so meint man doch gemein hin, oder? Und dann hat er auch noch einen Mutter, die im nicht gerade sonnenbeschienenen, gesellschaftlich geachteten Kreise ihr Geld verdient. Bardame! Da rümpft man die Nase und denkt: "Das kann ja nix werden!" Und schließlich Ricos einziger Freund, Oskar. Der ist zwar im Gegensatz zu Rico hochbegabt, weniger sonderbar macht ihn das auch nicht. Oskar läuft immer mit einem blauen Sturzhelm durch die Gegend. Aber Andreas Steinhöfel mach da dramatische Geschichte draus. Im Gegenteil: Diese spannende Kriminalgeschichte á la Miss Marple ist so hinreißend komisch, dass man auch als großer Leser das Buch nicht aus der Hand legen mag!
Rico also: "Ich sollte an dieser Stelle wohl erklären das ich Rico heiße und ein tiefbegabtes Kind bin. Das bedeutet, ich kann zwar sehr viel denken, aber das dauert meistens etwas länger als bei anderen Leuten. In meinem Kopf geht es manchmal so durcheinander wie in einer Bingotrommel." Und weil ihn schnell etwas verwirrt, kann Rico auch nur gerade aus gehen. Rechts und links lässt sofort die Bingotrommel anlaufen und dann findet er sich nicht mehr zurecht. Das hält Rico aber nicht davon ab, wissbegierig durch die Welt zu gehen. Und er ist aufmerksam und neugierig. Das hat auch sein Lehrer im Förderzentrum erkannt und Rico mit einer Ferienaufgabe betraut, die diesem erste einmal gar nicht behagt: Er soll ein Ferientagebuch schreiben. Die Rechtschreibung ist dabei glücklicherweise nicht wichtig - die Korrekturen erledigt das Rechtschreibprogramm des Computers - und unbekannte Wörter werden von Rico im Lexikon nachgeschlagen oder erfragt und in kleinen Kästchen erklärt. Dabei sind seine Definitionen manchmal so treffend, dass man sie sich merken möchte: "Depression: Das grau Gefühl. Mama hat es mal so genannt., als wir uns über Frau Dahling unterhielten. Eine Depression ist, wenn all deine Gefühle im Rollstuhl sitzen. Sie haben keine Arme mehr und es ist leider auch gerade niemand zum Schieben da. Womöglich sind auch noch die Reifen platt. Macht sehr müde."
Vor allem beeindruckt Rico durch eines: Durch sein ungeheures Selbstbewusst sein. "Kann es sein, dass ein bisschen doof bist?" fragt ihn Oskar, ein kleines Kerlchen mit riesigen Zähnen und einem noch größeren Sturzhelm auf dem kleinen Kopf bei ihrer ersten Begegnung. "Ich bin ein tiefbegabtes Kind" antwortet Rico da einfach - und Oskar ist beeindruckt, der ist genau das Gegenteil: hochbegabt nämlich. Aber besser ist das auch nicht, wie Rico bald erkennt: "Ich habe fast immer gute Laune, weiß aber nicht so viel. Oskar wusste jede Menge merkwürdige Dinge, aber seine Laune war dafür im Keller. Bestimmt ist das so, wenn man sehr schlau ist - es fallen einem zu allen schönen Sachen auch gleich noch ein paar schreckliche ein."
Die beiden werden natürlich Freunde - und lösen gemeinsam einen höchst verzwickten Kriminalfall der Berlin in Atem hält: "Mister 2000" wird der Unbekannte genannt, der kleine Kinder entführt und dann 2000€ Lösegeld verlangt. Rico sammelt sicherheitshalber in seinem Reichstag Geld, falls es ihn mal erwischt und die Mama nicht genug Geld hätte. Ob Oskar auch solch eine Spardose hat? Rico ist sich nicht sicher und als Oskar verschwindet, macht er sich auf die Suche nach seinem neuen und einzigen Freund.
Steinhöfel erzählt diese Geschichte mit soviel Spaß, dass man ihn förmlich kichern hören könnte - wenn man nicht selbst beim Lesen immer lachen müsste. Rico und Oskar sind nämlich nicht die einzigen komischen Figuren, die in diesem wunderbaren Buch zu Hause sind. In der Diffe 93 wohnen neben Rico und seiner Mutter noch die bereits erwähnte Frau Dahling, eine alternde Dame, die ihren untreuen Ehemann an die Luft gesetzt hat und nun gemeinsam mit Rico Müffelchen futternd vor dem Fernseher sitzt und je nach Stimmung schniefend Liebesfilme guckt, oder einen spannenden Film konsumiert. Und dann der Fitzke, der immer in seinem schmuddeligen Bademantel rumläuft und sich über den Lärm der anderen Bewohner beschwert. Mit dem schönen Herrn Bühl (eigentlich heißt der Westbühl - aber mit den Himmelsrichtungen hat es Rico auch nicht so. Rechts und links und so eben.), mit dem jedenfalls würde Rico seine Mutter zu gerne verkuppeln. Die Wohnungen kennt Rico auch alle - ist so ein Tic von ihm. Wenn jemand neu einzieht erklärt er auch diese Neugierde selbstbewusst mit seiner Tieferbegabung.
Die visuelle Begleitung übernimmt im Übrigen Peter Schössow - und der liefert Bilder, die dem Text in nichts nachstehen. Mit seinen bekannten schlichten und doch so grandios treffenden Zeichnungen begleitet er jedes Kapitel einleitend mit einer den Schlüsselmoment zeigenden Illustration.
So, erzählen und zitieren könnte man jetzt. Aber eigentlich bleibt nur eines zu sagen: Los, kaufen! LESEN!

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Diese Rezension wurde verfasst von ar.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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