Pullerpause im Tal der Ahnungslosen

Autor*in
Gehm, Franziska
ISBN
978-3-95470-147-6
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Klein, Horst
Seitenanzahl
256
Verlag
Gattung
Ort
Leipzig
Jahr
2016
Lesealter
8-9 Jahre10-11 Jahre12-13 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
12,95 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Teaser

Im Jahr 1987: Der 11jährige Jobst stoppt mit seiner Mutter nach dem Mittelalterurlaub eigentlich nur ganz kurz im Jahr 1987 in der DDR. Doch die Pause wird unfreiwillig länger als gedacht: der Zeitreisekoffer geht verloren und ohne diesen sitzen die beiden in der Vergangenheit fest. Zum Glück lernt Jobst Jule und Letscho kennen. Gemeinsam gelingt ihnen als "Letschobande" ein ganz großer Coup...
Ein sehr amüsantes Leseabenteuer, in dem Leser einiges über die DDR erfahren können.

Beurteilungstext

Der 11jährige Jobst ist mit seiner Mutter auf der Heimreise aus dem Urlaub. Doch die beiden reisen nicht in andere Länder, sondern in die Vergangenheit. Vom Mittelalter schaffen sie es nicht non-stop in das 21. Jahrhundert, denn Jobsts Mutter muss zwischendurch "mal raus". Die sogenannte Pullerpause lässt sie im Jahr 1987 in der DDR stoppen. Die Pause wird jedoch länger ausfallen als geahnt, denn plötzlich ist der Koffer verschwunden.
Noch mit Mittelaltergewändern und Bundsandalen gekleidet, werden Jobst und seine Mutter schnell für Verrückte gehalten. Zum Glück werden sie von dem Theaterregisseur Frank Kühne gerettet bevor die Polizei auf sie aufmerksam werden könnte. Beide können in Kühnes Datsche, der "Oase des Sozialismus" wohnen und werden neu eingekleidet: Jobst trägt nun eine Hose mit Herzchenflicken auf den Knien und ein T-Shirt, das ihm viel zu kurz ist. Während Jobst aber nur in seiner optischen Erscheinung komisch ist, erscheint seine Mutter - nun gleich mit einer Rolle in Kühnes neuer Insznierung versehen - mit ihrem Verhalten als komisch bzw. verrückt oder - wie Jobst sagt - peinlich.

In der Tochter des Regisseurs Jule und deren Freund Letscho findet Jobst schnell enge Freunde, die ihm helfen wollen, den Koffer wieder zu finden. Jedoch wird das eine komplizierte Angelegenheit: sie erfahren, dass dieser "aufgrund von verdächtiger, staatsfeindlicher Beschaffenheit" in Berlin ist und Erich Honeckers Interesse geweckt hat. Gleichzeitig wird den drei Kindern die Mission durch Patrizia und Ingo erschwert: zwei hochengangierte und loyale Thälmannpioniere, die zum einen in ihrer Linientreue die sozialistischen Instituationen der DDR repräsentieren, sich zum anderen aber in ihrem Alter nicht von den drei Protagonisten Jobst, Jule und Letscho unterscheiden.

Die Geschichte von Franziska Gehm folgt der Komödisierung der DDR, was aber keinesfalls ein Verlachen ist. Sie aktualisiert das Leben in der DDR auf eine sehr unterhaltsame, kurzweilige Weise und entspinnt ein Abenteuer, das durch Situationskomik und Wortwitz überzeugt. Letzteres vor allem durch die Figur Letscho: der Junge, der gern mal zwischendurch aus einem Glas Paprikagemüse nascht, hat stets flotte Sprüche auf der Zunge: "Ich glaub, mein Trecker humpelt!", "Aus welchem Sputnik bist du denn gefallen?"

Nachdenklich wird vor allem Jobst, der feststellen muss, "dass er mehr über irgendwelche fantastischen Comic-Welten wusste, als über die Zeit, in der Jule und Letscho lebten.", wobei sein Vater in der DDR geboren wurde. Und wie geht es Jobst, als er mit seiner Mutter wieder in den Koffer steigen und das Jahr 1987 verlassen kann?

Insgesamt eine Komödie in doppelter Hinsicht, denn die Komödie wird inhaltlich der Behelf, um den Koffer zurück zu bekommen, andererseits ist die gesamte Geschichte eine originelle Komödie.

Paratextuell ist die Geschichte Gehms mehrfach gerahmt: typisch für Kinder- und Jugendliteratur zur DDR gibt es ein Glossar, hier als "Kleines Pionierwörterbuch" bezeichnet; jede Seitenzahl ist in Ähren eingefasst; die Illustrationen von Horst Klein sind innerhalb der Geschichte sparsam als Vignetten zum Beginn jedes Kapitels eingesetzt. Aussagekräftig sind neben dem Coverbild die Coverinnenseiten, die ein Schaufenster eines HO-Marktes zeigen, in dem "Fotos" aller zentralen Figuren stehen: diese sind im Stil von Karikaturen gezeichnet und stützen so die Narration als Komödie.

Eine sehr unterhaltsame, kurzweilige Geschichte, die ähnlich wie bekannte Narrationen zur DDR und Wende (Good bye, Lenin; Sonnenallee; Sputnik) Geschichtsversionen ausfabulieren. Ein Buch, das sowohl Kinder und Jugendliche, wie auch Erwachsene begeistern kann und am kommunikativen Gedächtnis zu diesem Abschnitt der jüngsten Zeitgeschichte teil hat.

[Susanne Drogi]

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von sd; Landesstelle: Sachsen-Anhalt.
Veröffentlicht am 12.12.2016

Weitere Rezensionen zu Büchern von Gehm, Franziska

Gehm, Franziska

Kiki legt los! Erste Stunde Kritzelkunde

Weiterlesen
Gehm, Franziska

Lieber ein Lama!

Weiterlesen
Gehm, Franziska

Wer ist hier der Big Boss?

Weiterlesen
Gehm, Franziska

Carla Chamäleon - Zoff im Zoo

Weiterlesen
Gehm, Franziska

Carla Chamäleon. Oh Schreck, ich bin weg!

Weiterlesen
Gehm, Franziska

Pullerpause in der Zukunft

Weiterlesen