Power to the Princess. Märchen für mutige Mädchen

Autor*in
Murrow, Vita
ISBN
978-3-551-51908-5
Übersetzer*in
Niehaus, Birgit
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Bereciartu, Julia
Seitenanzahl
96
Verlag
Carlsen
Gattung
Buch (gebunden)Märchen/Fabel/Sage
Ort
Hamburg
Jahr
2019
Lesealter
8-9 Jahre10-11 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
18,00 €
Bewertung
empfehlenswert

Teaser

Vita Murrow hat 15 Märchen ganz neu erzählt und dabei nicht nur Handlungselemente modernisiert, sondern die Perspektive stärker auf die Mädchenfiguren gelegt.

Beurteilungstext

In Märchen geht es oft um existenzielle Grundkonflikte, die in die Märchenfiguren eingeschrieben sind. Dabei scheint die Rolle "Prinzessin" zunächst auf Passivität festgelegt zu sein, die meist mit der Eigenschaft Schönheit zusammensteht. Ob dieses Bild tatsächlich den Märchen der Sammlung Grimm, Hans Christian Andersens oder auch in anderen traditionellen Märchensammlungen eingeschrieben ist, kann durchaus kritisch bezweifelt werden - unser oft von Disney & Co geprägtes stereotypisches Märchenprinzessinnenbild trifft es jedoch durchaus.

Diesem Bild treten die 15 von Vita Murrow erzählten Märchen entgegen, indem sie an traditionelle Märchen anknüpfend die Geschichten neu erzählen und dabei emanzipatorisch daherkommen. Der erste Schritt dahin ist, dass die Mädchen in den Märchen Namen bekommen und somit nicht auf die Funktion "Prinzessin" reduziert oder auf ein Sinnbild wie "Dornröschen" angewiesen sind. So heißt Rotkäppchen Filipa und die Prinzessin auf der Erbse Sevinah. Zudem wird die Märchenwelt modernisiert. Zwar wirken in diesen Welten noch Zauber und Flüche, Tiere können mit Menschen reden und es gibt Königreiche, aber die Themen stehen einer modernen Welt nahe: In "Die kleine Meerjungfrau" etwa spielt die Verschmutzung der Meere durch den Menschen eine wesentliche Rolle, bei "Rotkäppchen" die Verdrängung der Wölfe durch Zersiedelung der Landschaft. Moderne Technik, wie beispielsweise Autos oder Computer, bleiben jedoch weitgehend außen vor. Mit diesem Arrangement gelingt es Murrow, eine Märchenwelt zu schaffen, in der Traditionelles und Modernität Platz haben, ohne zu anbiedernd zu sein. Dies gelingt beispielsweise in "Belle, die Mutige" (als Pendant zu "Die Schöne und das Biest") oder auch bei "Stern und die zertanzten Schuhe".

Bisweilen wirken die Erzählungen jedoch auch arg gewollt, etwa wenn in "Schneewittchen" der Mutter-Tochter-Konflikt eher über die Art des Schminkens ausgetragen wird und Schneewittchen eben nicht von ihrer (Stief-) Mutter in den Tod geschickt wird, sondern sich eine "Auszeit" im Zwergenhaus nimmt. Schneewittchens Rolle ist dabei wenig emanzipativ, denn es ist ihre Mutter, die auf Schneewittchen zugeht. Eigentlich scheint ja gerade die Emanzipation der Prinzessinnen Anliegen des Buches zu sein: Statt Passivität ist es oft Handlungskraft, die die Prinzessinnen auszeichnet, gekoppelt an einen Beruf oder eine Berufung. So wird Rapunzel Architektin und nennt ihr Architekturbüro "Weg mit den alten Zöpfen". Und Zadé aus "Zadé und die 1001 Ideen" wird Geschäftsführerin der Sesam AG. Die Ideen für Lösungen bilden dabei eine Vielfalt ab, z. B. auch dadurch, dass in "Die kleine Meerjungfrau" Marisha, die jüngste Tochter des Meereskönigs, am Ende das Menschenmädchen Melody heiratet.

Doch leider bleibt manches hinter den "Originalen" zurück. Der feine und durchaus ironische Erzählton Hans Christian Andersens in "Die Prinzessin auf der Erbse" geht durch die handlungsstarke Umkehrung der "Trickserei" ebenso verloren wie manch elementarer Grundkonflikt bei Grimms Märchen. Das ist schade.

Die Illustrationen von Julia Bereciartu unterstützen die Vielfalt des Erzählten, etwa indem Menschen ganz unterschiedlicher Herkunft dargestellt werden. Oftmals werden die Charaktere in den Bildern hervorragend ausgearbeitet, etwa in Schneewittchens Blick, die sich trotzig ihrer Mutter widersetzt.

So liegt mit diesem Band eine Sammlung erneuerter Märchen vor, von denen einige hervorragend neue Perspektiven auf Märchenprinzessinnen werfen, andere jedoch enttäuschen, weil es ihnen an Tiefe fehlt.

Christoph Jantzen

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von Christoph Jantzen; Landesstelle: Hamburg.
Veröffentlicht am 07.03.2020

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