poesie.exe

Autor*in
Navarro, Fabian
ISBN
978-3-947106-62-2
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
120
Verlag
Satyr
Gattung
LyrikTaschenbuch
Ort
Berlin
Jahr
2020
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
14,00 €
Bewertung
eingeschränkt empfehlenswert

Teaser

Eine irritierende Gedichtsammlung, gemixt aus computerkreierten Texten sowie von menschlichen Autor/innen, wobei zunächst nicht ersichtlich ist, welcher Text durch wen erstellt wurde.
Im Anhang wird eine Offenlegung durch einen Handy-Weg ermöglicht, die bei einigen Handhabungen Übung oder Geduld erfordert.

Beurteilungstext

Eine Binsenwahrheit: Gedichte werden viel geschrieben, aber wenig gelesen.
Dieses Buch will eine „offene Auseinandersetzung mit digitaler Literatur und Technologie fördern“, um zu zeigen, dass künstliche Intelligenz vor allem eins ist: ein Werkzeug. Fragt sich nur: Werkzeug wofür? Werkzeuge sind üblicherweise hergestellte Dinge, die dem Menschen handwerkliche Arbeiten erleichtern sollen.
Der Herausgeber Fabian Navarro erwartet, dem Leser „interessante und spannende Kunstwerke“ zu liefern, die Spaß machen. Dabei ist die Frage, welches „Gedicht“ stammt von einem Menschen, welches von einer Maschine, die treibende Energie.
Jeder Leser geht sicher mit einer anderen Grundhaltung an Lektüre von Lyrik / Poesie. Dem einen bedeutet sie die Erweiterung von Wahrnehmungen und Inhalten, dem anderen vorwiegend Freude an Sprachklängen, an Wortspielereien, humorvollen Blicken auf die Welt, Konzentration von Wahrheiten oder eine Gegenwelt gegenüber der Wirklichkeit.
Diese Sammlung, die Jugendliche und /oder Erwachsene anspricht, umspannt sowohl verständliche Texte wie auch inhaltslose Aneinanderreihungen von Buchstaben, Wörtern, Zeichen und Kürzeln, letzteres sogar über 3 Seiten hinweg. Da fragt man sich nach der ersten Zeile: Warum soll ich hier weiter -„lesen“??
Manch ein Leser wird aufatmen, wenn er beim Blättern einen Text findet mit vollständigen Sätzen und erkennbarem Inhalt.
Im Anhang sind aufgelistet 28 Begründungen der menschlichen Autoren, wie sie zu ihrem jeweiligen Gedicht gekommen sind - z.B. durch zufällig entnommene Worte und Satzteile aus fremden Texten oder durch Einfälle kurz vor dem Einschlafen, also durchaus mit einem gehörigen Schuss Beliebigkeit. Im Anschluss daran verspricht der abgebildete QR-Code die Auflösung der Rätselfrage nach der Autorenschaft der Gedichte.
Unbeantwortet bleibt die Frage, ob die menschlichen Autoren ihre ganz eigene, charakteristische Art vom Gedichteschreiben beibehalten haben oder für diesen Band mit der Gegenüberstellung zu „Maschinengedichten“ ganz spezielle Formen und Stile entwickelten.
Eine weitere Auflistung stellt in einer kurzen Vita die aufgenommenen Autoren vor.
Selbstverständlich möchten die meisten Leser das Rätsel lösen, um ihre Vermutung über die Autorenschaft bestätigt zu sehen. Wer den QR-Code über das Handy geladen hat, braucht Übung darin, die angebotenen „Überschriften“ mit dem Buch in Übereinstimmung zu bringen und Geduld, um die teilweise sehr langen Ausführungen zu verarbeiten.
Wer dann noch von „Spaß“ oder „Vergnügen“ sprechen möchte, diese Gedichte gelesen und zugleich richtig eingeordnet zu haben, braucht ein glückliches Naturell, viel Freizeit für Beschäftigungen mit menschlicher Sprache und den Antrieb, für rätselhafte Gegebenheiten Lösungswege zu finden.
Da die Rezensentin seit der Kindheit Freude an Lyrik hat, die sie sich bis heute erhalten konnte, erschien der Versuch dieses Ratespiels als reizvolle Anregung, die jedoch an etlichen Widerständen verging, wie z.B. an total sinn- und inhaltslosen „Texten“, die zum Ursprung und der Funktion von Sprache keinerlei Bezug aufweisen, sondern reiner Nonsense sind. Wer aber diese Barriere überwinden kann, sollte sich auf das Experiment einlassen.

Geeignet für Jugendliche und Erwachsene ab 14 Jahre.
Geeignet als Klassenlesestoff, um Lyrik auch als „Experiment“ verstehen zu lernen.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von RSchV; Landesstelle: Nordrhein-Westfalen.
Veröffentlicht am 02.11.2020