Pferde, Tränen, Lachanfälle

Autor*in
Kuhl, Anke
ISBN
978-3-95470-307-4
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Deutsch
Illustrator*in
Kuhl, Anke
Seitenanzahl
100
Verlag
Klett Kinderbuch
Gattung
Comic / Graphic Novel
Ort
Leipzig
Reihe
Wir Kinder von früher
Jahr
Lesealter
6-7 Jahre8-9 Jahre10-11 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
BüchereiVorlesen
Preis
16,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Ohne Eltern in den Reiterferien im Odenwald! Das ist das Größte für Anke, ihre große Schwester Eva und die Freundinnen Annette und Tamara.

Beurteilungstext

Wie viele Pferde haben in Deutschland seit 1945 im Laufe ihres Lebens schon Mädchenherzen höher schlagen lassen?! Seit das Pferd auch für die normale Bevölkerung nicht mehr nur Nutztier und das Reiten einigermaßen erschwinglich ist, sind es vor allem Mädchen, die sich Reiterferien wünschen. Und so war es auch 1983, als die Mädchengruppe um Anke im Odenwald im Ostertal Ferien machen kann. Voller Vorfreude – denn sie waren schon häufiger auf diesem liebenswerten Hof – nennen sie schon die Namen der Fjordpferde, die „nicht so groß, ganz gemütlich, etwas dicklich und total lieb“ (S. 12) sind. Diesmal dürfen sie als Gruppe ohne Erwachsene ihre Ferien hier verbringen. Natürlich gehört auch die Tierpflege zum Reiten. Bald entdecken sie bald die Muttersau, die gerade sehr viele Ferkel geworfen hat und auch bei der Geburt eines Kalbes dürfen sie dabei sein.

Als Anke entdeckt, dass eines der Ferkel zu schwach zum Trinken ist, übernimmt sie das Füttern mit der Flasche, muss aber nach ein paar Tagen feststellen, dass das Ferkel „Wursti“ verschwunden ist. Bei der Nachfrage beim Bauern erfahren die Mädchen entsetzt, „ Da werd`s die Sau halt gfresse hewwe“ (S. 65) „Das arme, arme Wursti! Wie kann nur die Mama-Sau ihr eigenes Kind fressen? Nicht mal beerdigen können wir`s. Das Leben ist so ungerecht!“ (S. 66) Diese große Trauer hindert die Mädels allerdings nicht, die abendliche „Wurschtsupp“ (S. 67) mit Freude und Genuss zu essen. 1983 ist die Welt noch in Ordnung? Na ja!

Tatsächlich gibt es auch 2x2 Doppelseiten auf denen kurz auf die politische Situation der damaligen Zeit eingegangen wird: die Antiatombewegung, Präsident Reagan, Bundeskanzler Kohl, Breschnew, Honecker und die deutlich hörbaren Düsenjäger mit ihrem unsäglichen Lärm um ein paar Schwerpunkte zu nennen. Die Mädchen sind verängstigt, amüsieren sich aber deutlich mehr über die angereiste Seniorengruppe, die mit Gesang und Geselligkeit für eine gemütliche Atmosphäre sorgen.
Als die Mädchen abgeholt werden, haben sie viel gelernt und zu erzählen.

Das vorliegende Buch besticht vor allem durch seine Authentizität. Die Einheimischen sprechen den Odenwälder Mundart-Sprech, die pubertären Mädchen giggeln häufig und das „Frieren vor Gemütlichkeit“ nach Degenhardt ist deutlich spürbar. Genau dieser Widerspruch zwischen scheinbar heiler Welt: reiten, Sonnenschein, Freundschaft und der politischen Situation und der Ignoranz, mit der die Mädchen „Wurschtsupp“ essen, bleibt ein Dilemma.

Die wunderbaren Bilder - von der Autorin selbst gestaltet - suggerieren Fotos in einem alten Fotoalbum, die beim Betrachten zum Erzählen einladen. Ist es nun ein Buch für Erwachsene aus dieser Zeit, ist es eine Art Geschichtsbuch für ihre heutigen Enkel? Vielleicht für alle. Und vielleicht nimmt man nun auch noch einmal die eigenen alten Fotos heraus und erzählt.

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Diese Rezension wurde verfasst von 6; Landesstelle: Nordrhein-Westfalen.
Veröffentlicht am 23.08.2025