Papa, hörst Du mich?

Autor*in
Bos, Tamara
ISBN
978-3-7725-2516-2
Übersetzer*in
Berger, Ita Maria
Ori. Sprache
Niederländisch
Illustrator*in
Haeringen, Annemarie van
Seitenanzahl
39
Verlag
Freies Geistesleben
Gattung
Ort
Stuttgart
Jahr
2013
Lesealter
6-7 Jahre8-9 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
13,90 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Teaser

""Papa, hörst du mich?"" Polles Vater hat den Kampf gegen den Krebs verloren. In den letzten gemeinsamen Minuten erzählt der kleine Polle dem toten Vater, was im Haus passiert, und lässt dabei einige Geschehnisse des gemeinsamen Lebens Revue passieren.

Beurteilungstext

Polles Vater ist gestorben, doch Polle ist sich sicher, dass dieser ihn noch hören kann. Schließlich liegt er, wie auch in den vergangenen Tagen, mit geschlossen Augen im Bett mitten im Wohnzimmer und so fängt Polle an zu erzählen: von der Familie, vom Krebs, vom Leben vor der Krankheit.
In einfachen Sätzen wird der Leidensweg der Familie aus der Perspektive des jüngsten Familienmitglieds geschildert. Im Mittelpunkt des Geschehens steht der kleine Polle, der zwar auch das Verhalten seiner Mutter und seines älteren Bruders beschreibt, jedoch in erster Linie seine eigenen Erfahrungen in seinen Gedanken und Monologen verarbeitet.
Trotz des überaus ernsthaften und traurigen Themas bringt die kindliche Naivität und Wahrhaftigkeit des Erzählstils aus der Sicht des Kindes den Leser immer wieder auch zum Schmunzeln. Aufgrund der Verwendung von kurzen Gedanken und Sätzen, wie beispielsweise „Ich bin heute in der Schule gewesen. Die Lehrerin war sehr lieb. Und auch traurig.“ wird dem Leser deutlich, dass es besonders in solch schwierigen und schweren Zeiten oft nicht vieler Worte bedarf, um seine Emotionen, seine Verbundenheit und sein Mitgefühl auszudrücken. Die Wahrnehmung eines Kindes von Krankheit und Tod eines geliebten Menschen unterscheidet sich enorm von der eines Erwachsenen. Dies wird dadurch deutlich, dass Polle manche Dinge zwar wahrnimmt, sie aber nicht voll verstehen und fassen kann. Er erklärt sich diese auf seine ganz eigene Weise und für ihn spielen anscheinende Nebensächlichkeiten wie der Geruch der Haare („Denn die Haare der Krankenschwester riechen nicht so gut wie die von Mama!“) eine bedeutende Rolle. Er stellt gerade heraus Fragen, die wohl jedes Kind in einer solchen Lage beschäftigen dürften und gibt sich in seinem „Gespräch“ mit dem toten Vater selbst einige Antworten. Als Leser bekommt man so eine Einsicht in seine Gefühlswelt und es scheint, als rede Polle sich auf diese Weise seine Trauer und Verwirrung von der Seele, denn sowohl Überlegungen zur Wirkung der Medikamente („Hatte sich der Doktor vielleicht vertan? Oder hatte er dir die falschen Pillen gegeben?“) wie auch zur bevorstehenden Kremation finden Platz („Sie sprechen über das Begräbnis. Oder eigentlich die Kremation. So heißt das doch wenn sie dich verbrennen? Du wolltest eine Kremation. Das hast du selbst einmal erzählt.“). Der traditionelle und familiäre Ablauf bei einem Todesfall wird nicht bloß geschildert, sondern mit den Augen eines Kindes betrachtet, das sich zum ersten Mal in einer solchen Situation zurechtfinden muss.
Polle erzählt alles so, wie es ihm grade in den Kopf kommt und bleibt dabei ehrlich und direkt. Er berichtet nicht nur von all den schönen Momenten mit seinem Vater und der Familie, sondern gibt beispielsweise auch zu, dass er sich erst jetzt traut zu sagen, wann er mit seinem Papa mal nicht zufrieden war.
Dabei verzichtet die Autorin absolut auf Kitsch oder Klischees. Das Ende der Erzählung ist nicht neu und dennoch - oder vielleicht auch gerade deshalb - entlässt es den Leser hoffnungsvoll und mit einem weinenden und einem lächelnden Auge. Es ist angelehnt an die christlichen Jenseitsvorstellungen und viele Kinder werden den Tod und Verbleib eines geliebten Menschen so erklärt bekommen haben.
Die Illustrationen von Annemarie van Haeringen sind durch ihre Beschränkung auf die zwei Farben rot und blau ebenso zurückhaltend und nüchtern wie der meist aus einfachen Hauptsätzen bestehende Text. Auf diese Weise überladen sie das Geschilderte nicht. Gleichzeitig werden sie thematisch zum Text aufgegriffen und befinden sich unterstützend zu der Geschichte auf jeder Doppelseite. Der Zusammenhang mit dem Spiel Stratego, das Polle während seiner Monologe alleine spielt, ist absolut treffend gewählt und Tamara Bos schafft es dadurch, eine so schwer fassbare Krankheit wie Krebs auch für Kinder verständlich zu machen. Ob der Zusammenhang mit diesem Spiel für diese im gesamten Verlauf durchgehend ersichtlich ist, bleibt zweitrangig, da die Bilder auch so genug Spielraum für die Fantasie der Kinder lassen. Für Erwachsene dagegen macht gerade dieses abstrakte Zusammenspiel von Bild und Text den ästhetischen Wert des Buches aus.
2012 wurde es in den Niederlanden mit „Flagge und Wimpel“ als bestes illustriertes Kinderbuch ausgezeichnet und ich kann mich abschließend nur der Begründung der Jury anschließen, die auf den Klappentext zitiert wird: „Papa, hörst du mich? ist ein Juwel. In einfachen Sätzen und mit wenigen Worten erzählt es viel...“
Wer eine solche Situation schon einmal erleben musste, fühlt sich in den Gedanken des Erzählten verstanden und getröstet. So ist es Erwachsenen, die sich mit kleineren Kindern diesem schweren Schicksal stellen müssen, nur zu empfehlen, dieses Buch als eine Möglichkeit zur Verarbeitung der Trauer zu lesen. Inwieweit diese es mit den eigenen Kindern gemeinsam lesen möchten, bleibt dabei allerdings ganz individuell zu entscheiden.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von KB-unibi.
Veröffentlicht am 01.01.2010

Weitere Rezensionen zu Büchern von Bos, Tamara

Bos, Tamara

Romys Salon

Weiterlesen
Bos, Tamara

Romys Salon

Weiterlesen
Bos, Tamara

Romys Salon

Weiterlesen
Bos, Tamara

Ein Pferd für Winky

Weiterlesen
Bos, Tamara

Papa, hörst du mich?

Weiterlesen
Bos, Tamara

Papa, hörst du mich?

Weiterlesen