Pandora Stone

Autor*in
Jonsberg, Barry
ISBN
978-3-570-31104-2
Übersetzer*in
Obrecht, Bettina
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
347
Verlag
Gattung
FantastikTaschenbuch
Ort
München
Jahr
2020
Lesealter
12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
10,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Teaser

Ein Grippevirus hat nahezu die ganze Menschheit in kurzer Zeit ausgerottet. Auf allen Kontinenten zusammen gibt es nur einzelne Überlebende. Pan gehört zu ihnen. Sie wird in einer Klinik gepflegt. Mit einzelnen Jugendlichen soll sie in einer nur rudimentär vorhandenen Akademie ihre Fähigkeiten schulen, um so die Ausrottung der Menschheit zu verhindern. Die Voraussetzungen hierfür sind denkbar schlecht. Visionäre Beobachtungen helfen ihr, stellen sie und ihre Kontrahenten vor große Aufgaben.

Beurteilungstext

Im Jahr 2015 entwirft Barry Jonsberg eine Szenerie, von der man annehmen könnte, er habe Ideen hierfür auf Grundlage der im Jahr 2020 erlebten Pandemie entworfen. Dieser Gedanke drängt sich trotz bekannter anderer Dystopien unmittelbar auf.
Auf dem Schulweg reflektiert die Schülerin Pandora Stone, welche Bedeutung sie ihren besonderen Wahrnehmungen geben soll. Sie verfügt über die besondere Fähigkeit, Dinge wahrzunehmen und Geschehnisse vorauszuahnen.
Sie ist sich noch nicht sicher, ob dies wirklich eine besondere Leistung oder Kraft ist. Sie vertraut darauf, dass ihre unerklärlichen Beobachtungen später einmal eine Bedeutung gewinnen werden.
Ob ein Gefühl, das sie im Augenblick der größten Katastrophe der Menschheit gerade noch befällt, eine solche wichtige Erfahrung gewesen sein könnte, klärt sich in diesem ersten Band von Johnsbergs Trilogie nicht. Vielleicht noch nicht:
Gerade noch hat sie sich von einem hinter ihr gehenden Mann beobachtet gefühlt. Sie denkt darüber nach, was er mit ihr zu tun haben könnte, als er untertaucht und sie sich unter Sterbenden, Toten, Fliehenden befindet. Gerade noch gingen die ihren Tätigkeiten nach, steuerten ihr Auto, saßen im Café. Sie verlieren die Kontrolle und sterben qualvoll. Sie ringen nach Luft, weil Gefäße versagen. Überall ist Blut. Furchtbare Nachrichten dringen in ihr Bewusstsein, kurz bevor die Stimme abbricht. Sie selbst lebt, findet aber nur noch Tote.
Pandoras Erinnerung setzt erst nach zwei Monaten wieder ein. Sie erwacht in einer auf einem einsamen Bergplateau gelegenen Klinik. Sie ist völlig erschöpft. Ein Arzt und eine Ärztin machen ihr klar, dass sie mit ganz Wenigen eine Pandemie überlebt hat und sich nun in einer Art Akademie befindet.
Träume belasten sie immer wieder nach dem Aufwachen. Sie will Antworten. Die Ärzte geben sie ihr nicht. Sie sind an ihren Erinnerungen interessiert. Sie kennt ihren Namen, der der griechischen Mythologie entlehnt ist: Pandora. „Pandora brachte Unheil und das Böse in die Welt. Aber sie brachte auch die Hoffnung.“
Pandoras neue Welt ist unwirtlich. Es herrschen eisige Temperaturen, das Gelände ist unübersichtlich. Weit entfernt unten gibt es ein Dorf, einen Hafen, eine Bucht. Eine riesige Mauer umschließt alle Gebäude, auch die Wohnblocks. Um die Eingeschlossenen mit dem Nötigsten zu versorgen, steht ein kleines Flugzeug zur Verfügung.
Die überlebenden Jugendlichen, die aus allen Kontinenten kommen, sind Gruppen zugeordnet. Sie werden von wenigen Erwachsenen unterrichtet. Ziel der Schulungen soll es sein, die speziellen Fähigkeiten herauszufinden, zu fördern und zu nutzen, um das Überleben der ganzen Menschheit zu sichern.
Pandora, kurz Pan genannt, kommt in die Gruppe von Wie-Lin. Ihre Mentorin ist offenbar schon länger auf dem Berg. Sie schlafen zusammen in großen unbeheizten Schlafräumen. Nachts quälen Angstträume die Schlafenden. Der Tagesablauf ist genau durchstrukturiert: Duschen unter zugeteiltem kalten Wasser, im Schichtbetrieb das schlechte Essen einnehmen, Unterricht, Arbeit und Schulungen.
Pan soll ihre visionären Techniken trainieren. Sie muss sich gegen ihre Überzeugung täglich in der Klinik einstellen und Spielkarten voraussagen. Unklar bleiben Sinn und Ergebnisse ihrer Übungen. Der Arzt hat einen Spielkartenautomaten, aber lebenswichtigere Dinge von außen können nicht beschafft werden.
In der Gruppe prallen bald die unterschiedlichen Charaktere und Weltsichten aufeinander. Besonders Jen, eine begabte australische Kampfsportlerin, steht in Konkurrenz zu Pan. Unterstützt wird Pan von Nate, mit dem sie sich bald verabredet, um die Akademie und die Welt hinter der Mauer zu erforschen. Sie werden entdeckt und bestraft. Nate wird sie später anspornen, um den Verbleib der schweigsamen Cara zu klären. Sie ist plötzlich fort, hat aber zuvor in unklaren Andeutungen auf Ungereimtheiten hingewiesen. Pans Visionen verweisen auf den Ort, wo sich die Vermisste befindet. Sie finden Cara dort, erfroren im Gebirge. Wie ist sie völlig allein dorthin gekommen?
Eine Trauerfeier mit Seebestattung wird abgehalten. In deren Folge bleibt die ganze Gruppe sich selbst überlassen, um weitere Überlebende zu finden. Sie wissen nicht, ob es feindlich gesinnte Menschen sein werden. Sie müssen vorsichtig sein und Material und Kräfte sinnvoll einsetzen. Sie müssen Wasser, Nahrung und nächtliche Deckung finden. Das gelingt nicht gefahrlos. Als sie angegriffen werden, erfordert die Verletzung von Sanjit Absprachen und eine riskante Planänderung. Als schnellster Läufer übernimmt Nate die Ablenkung der Verfolger. Das Schiff der Akademie greift nicht alle rechtzeitig wieder auf. Pans geträumte Voraussage wird wahr: Einer ist zurückgeblieben, Nate.
Nun fügen sich für Pan die Puzzlestücke zusammen: Ihre eigenen Fragen, die Notizen Caras im hinterlassenen Tagebuch, merkwürdige Traumsequenzen auch anderer Befragter, ergeben einen Zusammenhang.
Jonsberg schreibt von Anfang an spannend, fließend und durch seinen Stil fesselnd. Durch Kursivdruck ist zu erkennen, ob es um Traumsequenzen, Erinnerungen oder um die ‚Realität‘ geht.
Die Bedrohung durch Undenkbares ist spürbar. Das Thema ist das Überleben der Menschen auf dem Planeten. Welches Wissen wird gebraucht, wenn alle Strukturen zerstört sind?
Pandora Stone ist auch einen Roman über Gruppenstrukturen, über das Nachdenken von Wert oder Unwert menschlicher Fähigkeiten, über Wert oder Unwert des menschlichen Lebens selbst. Es geht um Manipulation und um Notwendigkeiten von Einflussnahme, um verloren gegangenes Wissen. Jonsberg beschreibt die diversen Gefühle der Protagonistin in sich ständig verändernden Ausnahmesituationen. Er kennt die Ungewissheiten im Prozess des Erwachsenwerdens, die Unsicherheiten, den eigenen Gefühlen trauen zu können. Immer wieder gelingt es ihm, neue Spannungsbögen aufzubauen und so aufzulösen, dass sich sofort neue Überlegungen anschließen müssen. Wie lässt sich Hoffnung erhalten, wenn alle Werte nicht mehr tragen? Ist es die Hoffnung, die trägt?
Manche theoretischen Überlegungen finden im Unterricht des nicht ausgebildeten Philosophielehrers statt: Wieso sollten sich die Schüler unter diesen extremen Bedingungen überhaupt mit Literatur - hier Hamlet und Shakespeare - befassen? Sind nicht vielmehr konkretes Wissen, Fitness und Können gefragt? An anderen Stellen ergeben sich philosophische Fragen zum Weltbildes indirekt, wenn es um den Zusammenhalt der Gruppe geht und die nicht immer einhellig vertretenen Kompromisse. Die Antworten haben unmittelbare Auswirkungen für die Gruppe. Sie müssen existentielle Entscheidungen unter Zeitdruck und in großer Angst treffen.
Die Protagonistin Pan reflektiert präzise und scheint sich selbst und Nate gegenüber ehrlich zu sein. Dennoch sind die Antworten nicht letztbegründet. Jede Entscheidung erzeugt sofort weitere Fragen, die zutiefst verunsichern.
Der erste Band gibt keine Antworten. Pan bekommt eine Ahnung von der Fragwürdigkeit ihrer Wahrheiten und ihrer angeblich konkreten eigenen Erinnerung. Sie fragt stattdessen nach der Wahrheit der scheinbar unwirklichen Träume. Jonsberg fragt nach den Wahrheiten hinter den traumatischen Erlebnissen.
Die LeserInnen des ersten Bandes können auf die Antworten in den bereits erschienenen Folgebänden gespannt sein.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von stoni; Landesstelle: Nordrhein-Westfalen.
Veröffentlicht am 01.02.2021

Weitere Rezensionen zu Büchern von Jonsberg, Barry

Jonsberg, Barry

Der Riss in unserem Leben

Weiterlesen
Jonsberg, Barry

Was so in mir steckt

Weiterlesen
Jonsberg, Barry

Was so in mir steckt

Weiterlesen
Jonsberg, Barry

Das ist kein Spiel

Weiterlesen
Jonsberg, Barry

Das ist kein Spiel

Weiterlesen
Jonsberg, Barry

Das ist kein Spiel

Weiterlesen