Oskar und das Geheimnis der Kinderbande
- Autor*in
- Frieser, Claudia
- ISBN
- 978-3-423-71399-3
- Übersetzer*in
- –
- Ori. Sprache
- –
- Illustrator*in
- Spengler, Constanze
- Seitenanzahl
- 256
- Verlag
- dtv
- Gattung
- –
- Ort
- München
- Jahr
- 2009
- Lesealter
- 10-11 Jahre12-13 Jahre
- Einsatzmöglichkeiten
- –
- Preis
- 7,20 €
- Bewertung
Schlagwörter
Teaser
Oskars zweite Zeitreise führt erneut ins spätmittelalterliche Nürnberg zu seinem fast gleichaltrigen Freund Albrecht Dürer. Gemeinsam klären sie auf, warum ein flüchtendes Mädchen so viele eigenartige Münzen besitzt, es auf dem Sebalder Kirchhof spukt und wer hinter der berüchtigten Diebesbande, der "Zunft der Bettler", steckt.
Beurteilungstext
Im Zentrum bei einer Zeitreise steht natürlich das Historische, das ungemein anschaulich und mit allen Sinneswahrnehmungen vermittelt wird. Dabei werden auch die unangenehmen Seiten der Zeit, in die die Reise geht, nicht außer Acht gelassen. Doch Oskar nimmt diese bewusst auf sich, um die Lateinstunde mit dem unsympathischen Onkel aufzuschieben. Sehr schön ist, dass am Schluss auch bei diesem zu Beginn recht eindimensional als unsympathisch charakterisierten Onkel ein Wissen um die Zeitreisemöglichkeit aufblitzt.
Mit dem Eintauchen in die Vergangenheit kann Oskar Vergleiche zwischen dem damaligen und dem heutigen Leben in Nürnberg ziehen, ohne dass diese künstlich aufgesetzt wirken. Oskar und mit ihm der Leser werden sich dadurch über selbstverständliche Annehmlichkeiten von heute wie sanitäre Einrichtungen klar. Die streng genommen vorhandene Sprachbarriere wird übergangen: Oskar müsste eigentlich frühneuhochdeutsch sprechen und verstehen können. Doch bei zentralen Begriffen der Zeit darf er nachfragen, so dass der Leser weitere Einblicke in für die Zeit besonders wichtige Denkweisen erhält. Nett sind die Parallelen, die Oskar zum heutigen alltäglichen Kindsein entdecken kann, wie die besorgte oder strenge Mimik der Mütter und Erziehungsberechtigen, das Hadern mit elterlichen Verboten und ihr geschicktes Umgehen.
Im Mittelpunkt der historischen Thematik dieses zweiten Zeitabenteuers von Oskar steht die soziale Ungleichheit in einer spätmittelalterlichen Stadt. Mit Armen hat man entweder Mitleid oder man akzeptiert Armut als Selbstverständlichkeit. So werden lediglich Folgen der Armut durch Almosen und symbolische Handlungen wie die Siechenschau gemildert, nicht aber Ursachen beseitigt.
Frieser zeigt in den Figuren die unterschiedlichen Einstellungen gegenüber städtischer Armut ohne historisch zu verfälschen oder nur gegenwärtige Maßstäbe und Empörung auf die historische Situation zu übertragen. Dennoch ergeben sich Parallelen zur heutigen Situation von Straßenkindern in aller Welt, auf die Frieser selbst im Nachwort hinweist und sie verständlich und altersangemessen erklärt. Möglicherweise kann der kindliche Leser von heute sich mit Oskar zusammen in das historische Beispiel aus der eigenen kulturellen Vergangenheit sogar stärker einfühlen als in eine Erzählung aus heutiger Zeit und außereuropäischer Kultur.
Neben diesen ganzen so genannten didaktisch-pädagogisch wertvollen Aspekten darf natürlich nicht zu kurz kommen, dass "Oskar und das Geheimnis der Kinderbande" ganz viel Lesevergnügen bietet. Frieser überfrachtet ihren Roman nicht mit den mittelalterlichen Themen und überfordert die Leser nicht mit Fachbegriffen. Es ist richtig spannend zu lesen, wie Oskar und Albrecht das Geheimnis der Kinderbande aufklären. Das liegt auch an der Handlungsführung: Die wenig originelle Erzähltechnik, am Ende des Kapitels jeweils mit Vorausdeutungen und Fragen neugierig auf den weiteren Verlauf zu machen, setzt Frieser sehr gekonnt ein. Sie bindet sie fließend und natürlich in die Handlung ein und wählt an sehr geeigneten Stellen den Kapiteleinschnitt - man fühlt sich erinnert an Italo Calvinos "Wenn ein Reisender in einer Winternacht…" Vergnüglich ist es, eine berühmte Person wie Dürer, sonst lexikonerstarrt und als Jesus in der Erinnerung verhaftet, als unternehmungslustigen, durchaus standesbewussten und zeichenverrückten Jugendlichen kennenzulernen. Neugier für sein Werk und seinen späteren Lebensweg werden sicher geweckt, wenn der erste Zugang so positiv ist. Auch nicht so geschichtlich interessierte Kinder werden bestimmt durch den unheimlichen Spuk und die detektivischen Aufgaben gefangen, denn damit gibt es Erzähl- und Lesemuster sogar für Drei-Fragezeichen-Leser. Sehr empfehlenswert für alle Kinder ab etwa 10 Jahren!