Opferland - Wenn die anderen dich kaputt machen

Autor*in
Obrecht, Bettina
ISBN
978-3-570-40248-1
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
285
Verlag
Gattung
Ort
München
Jahr
2014
Lesealter
14-15 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
7,99 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

In Cedric bricht seine ganze Mobbing-Vergangenheit auf, als er in der Film-AG eine Rolle übernehmen soll. Seine Reaktion bringt alle gegen ihn auf, außer Sinja. Sie scheint ihn zu verstehen, auch wenn er nichts erzählt. Cedric war immer anders als seine Mitschüler, die konnten sich ihn als Opfer auswählen, weil die Lehrer sich scheinbar neutral verhielten, ihn aber eigentlich verurteilten - immer zu Unrecht. Erst in Cedrics 5. Schule kann sich das ändern.

Beurteilungstext

Bettina Obrecht ist sehr gründlich. In Cedrics Mobbingleben lässt sie wirklich nichts aus, was einen Menschen zerstören kann. Auch wenn Cedrics Eigenschaften ihn zum Opfer werden lassen, sind es auch gerade sie wiederum, die ihn am Leben halten. In zwei Handlungssträngen erzählt Cedric von seinem Leiden, beide chronologisch, der der Grundschule in kursiv. Sind die Grundschulgeschichten deprimierend in ihrer Gründlichkeit, führt die Handlung der Gegenwart beinahe in den Suizid, wäre da nicht Sinja. Das ist ein starkes Mädchen, das einmal einen Selbstmordversuch überlebt hat. Sie kam damals in die richtige Behandlung und wirklich so stark in die Schule zurück - auch sie in eine andere, in der es keinerlei Verbindung zu ihrer alten Schule geben konnte - , dass sie nicht nur Cedrics Problem auf der Spur ist, sondern ihm im rechten Augenblick in der für ihn richtigen Form helfen kann.
Was geradezu fassungslos macht, ist die Ignoranz, mit der die Lehrer auf den Erstklässler Cedrik und die mobbende Klasse reagieren. Dass Kinder grausam sein können, ist eine Binsenweisheit. Sie dürfen nur nicht alleine gelassen werden, und es ist gerade die Kernaufgabe der Lehrer, im richtigen Augenblick so nachhaltig einzugreifen, dass die Grausamkeiten ein Ende haben. Das geht anfangs ganz leicht, die Schäden des Gemobbten sind noch nicht so evident, dass sie zum Persönlichkeitsmerkmal werden müssen. Lässt man die Kinder aber gewähren, gibt man den Raubtiergesetzen freie Hand.
Der Lehrer der Film-AG ist nicht der große Psychologe, er tut aber zumindest nichts Falsches und ermöglicht so der Freundin Sinja, richtig eingreifen zu können.
Fassungslos macht den Leser diese Geschichte vor allem, weil Cedric zwar anders ist als die anderen, das aber in einem so normalen Maße, dass er seinen Quälern im Grunde keinerlei Anlass bietet. Er trägt etwas andere Kleidung als sie, hat lange Haare, die er nicht abschneiden will, er ist intelligenter und weiß einfach mehr (was die Lehrer nicht etwa honorieren, sondern ihm vorwerfen: er solle sich nicht so in den Vordergrund drängen), er lehnt Gewalt grundsätzlich ab, er will noch nicht einmal an einem Selbstverteidigungskurs teilnehmen. Aber seine Wut staut sich so an, dass er verbal explodiert, schon als Kleiner schreit und brüllt er schnell - sofort gerät er in das Blickfeld der Lehrer und wird bestraft. Er gerät in eine endlose Spirale der Eskalation pädagogischer Missgriffe.
Seine Eltern sind bewundernswert gelassen, so sehr sie selbst angegriffen werden. Sie reden mit allen, nur hilft das nicht. So müssen sie für den Jungen eine neue Schule suchen. Dort läuft das Gleiche ab, und sie suchen eine neue Schule….
Aufatmen kann Cedric erst, als er erkennt, dass es auch etwas anderes als Schule gibt. Er freut sich auf ein Praktikum im Altenheim, das er kennt, weil dort eine skurrile Nachbarin lebt, die er schon eine ganze Weile besucht und ins Herz geschlossen hat. Denn das hat er sich bewahrt: dass er nicht auf alle Menschen so aggressiv reagieren muss wie seine Mitschüler auf ihn, oder so ängstlich wie er auf sie. Zum Verhalten der Mobbingopfer gehört auch, dass sie Angst haben, anderen ihre Geschichten zu erzählen. So ist Cedrics Geschenk für Sinja das Größte, was er ihr, die ja genauso gelitten hatte, überhaupt machen kann: Seine eigene Mobbinggeschichte, die er aufgeschrieben und vergraben hat (das ist der kursiv gedruckte Text). Eine Schatzkarte führt sie dorthin.
Wichtiger als für Mobbingopfer ist dieses ein Lehrbuch für Lehrer. Vielleicht überdenken die ja auch mal Fehler, die sie selbst gar nicht wahrnehmen, die ihnen hier aber in aller Deutlichkeit vor Augen geführt werden. Cjh14.10

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von cjh.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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