Ohne mich!

Autor*in
Port, Moni
ISBN
978-3-95470-248-0
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Waechter, Philip
Seitenanzahl
32
Verlag
Klett Kinderbuch
Gattung
BilderbuchBuch (gebunden)Sachliteratur
Ort
Leipzig
Jahr
2021
Lesealter
6-7 Jahre8-9 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
14,00 €
Bewertung
nicht empfehlenswert

Teaser

In einer märchenhaften Katzenwelt muss Helene mit ihrem krakeelenden Vater leben. Sie will nicht so werden wie er und verlässt ihn und ihre Familie. Helene wird Musikerin und gibt ein großartiges Konzert, bei dem sie ihre Famlie wiedersieht. Werden sie wieder zusammen kommen?

Beurteilungstext

Helene ist ein kleines Mädchen, das es auf den ersten Blick gut hat im Leben. Sie wohnt in einem putzigen, schiefen Haus in einer wunderschönen Landschaft. Sie hat eine humorvolle Mutter und einen geduldigen kleinen Bruder. Die zauberhaften, detailreichen Zeichnungen von Philip Waechter ziehen den Leser sofort in Bann.

Aber das ist auch schon alles. Der Vater taucht auf, brüllt und tobt herum. Die Zeichnungen zeigen nur noch diesen krakeelenden, wütenden Vater. Die Idylle ist zerbrochen.
Helene fühlt sich unwohl. Als Lösung bietet die Mutter an, genauso zu werden wie der Vater. Helene überlegt, berät sich, packt dann ihren Koffer und verlässt das schiefe Häuschen.
Beim ersten fremden Haus, das sie nach kurzer Wegstrecke erblickt, klingelt sie und bittet darum, dort wohnen zu dürfen, weil der Vater ein Krakeeler sei. Das wird ihr gewährt.
Unterdessen suchen die Eltern sie erfolglos und der Vater scheint sich zu ändern.

Nach einiger Zeit erblicken die Eltern ein Plakat mit Helenes Bild. Sie wird ein Konzert geben. Die Familie geht dorthin und erlebt eine großartige Aufführung. Der Vater krakeelt vor Freude. Helene freut sich darüber und damit endet das Bilderbuch.

Moni Port hat sich an ein äußerst schwieriges Thema herangewagt. Sie verlagert dazu die Handlung in eine märchenhafte Katzenwelt. Alle Protagonisten sind menschenähnliche Katzenwesen. Das schafft Distanz zum schwierigen Inhalt. Aber es geht um ein sehr menschliches Problem: häusliche, hier NUR verbale, Gewalt. Philip Waechter hat mit seinen wunderbaren Zeichnungen einen wirklich widerwärtigen, krakeelenden Vater geschaffen, der sich auch von der Idylle ringsherum brutal abhebt. Folgerichtig lässt er ihn völlig allein agieren, ohne Umfeld. Er passt schon optisch nicht in seine Familie.

Aber in dieser Familie hat anscheinend nur Helene ein Problem damit. Den Lösungsweg, den ihre Mutter ihr anbietet, nämlich genauso zu werden wie ihr Vater, kommt für Helene nicht in Frage. Helene berät sich noch mit einer Freundin. Aber der Leser erfährt nichts über den Inhalt dieses Gesprächs. Dann handelt Helene.

Sie packt einen kleinen Koffer und zieht aus und gleich in das erstbeste Haus am Wege ein. Der Hinweis auf ihren krakeelenden Vater ermöglicht ihr hier wohl schon das Bleiben. Die Suche nach familiären Lösungsmöglichkeiten, die realistisch gesehen natürlich begrenzt, langwierig und nicht unbedingt erfolgreich sind, wird völlig ausgeschlossen. Es fehlen die Dialoge. Helene redet nicht mit ihrem Vater, sie redet nicht mit ihrem Bruder. Helene fühlt sich "unwohl", deshalb geht sie.

Das Buch soll Mut machen. Ist die Konfrontation der einzig gangbare Weg? Ist das die Lösung, sich Wildfremden anzuvertrauen und hat man Anspruch auf Unterstützung von diesen wildfremden Menschen, nur weil man einen, zugegeben, scheußlichen Vater hat?
Der Leser erfährt nichts darüber, wie es Helene in der neuen Umgebung ergeht.

Aber auch der Fortgang der Geschichte ist bizarr: die Familie sucht Helene ein bisschen. Der Vater gelobt im Stillen Besserung, wenn Helene wiederkommen sollte. Es bleiben erhebliche Zweifel, ob der Vater begriffen hat, dass er die Ursache für Helenes Fortgang ist. Auch hier werden keine Gefühle thematisiert. Ein Familienmitglied verschwindet, aber Trauer, Schuldgefühle, Verzweiflung werden nicht verbalisiert.

Plötzlich taucht das Plakat auf, das Helene als Konzertkünstlerin ankündigt. Die Restfamilie besucht das außergewöhnliche, unglaubliche Konzert. Der Vater fällt mal wieder durch sein Krakeelen auf, dieses Mal krakeelt er vor Freude. Darüber kann sich dann Helene freuen. Ende offen.

Dieser Fortgang ist sprunghaft erzählt. Dazwischen fehlen viele Meter Film. Es fehlt völlig das Entwickeln der Persönlichkeiten. Die Veränderung des Vaters wird dadurch nicht nachvollziehbar und damit unglaubwürdig. Von Helene erfährt man gar nichts mehr. Im Grunde hat sie nicht nur die Familie, sondern auch den Leser verlassen.

Das Thema ist wichtig, zu wichtig, um es so platt abzufertigen. Ein großer Mangel ist das Fehlen der Gefühle aller Beteiligten. Gewalt hat mit Gefühlen zu tun und sehr häufig mit der Unfähigkeit, Gefühle bei sich selbst zu erkennen und zu benennen. In den Schulen wird geklagt, dass Schüler keine Sprache für ihre Gefühle haben.

Der im Buch märchenhaft vorgeschlagene Weg, einfach abzuhauen, ist eine gefährliche Lösung. Es ist zweifelhaft, ob betroffene Kinder durch dieses Bilderbuch Mut bekommen. Mut wozu? Selbst wenn dieses Buch gemeinsam mit Erwachsenen gelesen wird, muss das Kind Glück und einen überaus kompetenten Vorleser an seiner Seite haben, dem es dann vielleicht gelingt, Mut zu machen.
Wirklich gelungen sind die feinen Zeichnungen von Philip Waechter, die leider den Inhalt nicht aufwerten können.


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Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von hu; Landesstelle: Niedersachsen.
Veröffentlicht am 01.10.2021

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