Ohne dich

Autor*in
Sassen, Erna
ISBN
978-3-7725-3113-2
Übersetzer*in
Erdorf, Rols
Ori. Sprache
Holländisch/Niederlä
Illustrator*in
van der Linden, Martijn
Seitenanzahl
262
Verlag
Freies Geistesleben
Gattung
Buch (gebunden)Erzählung/Roman
Ort
Stuttgart
Jahr
2021
Lesealter
12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
20,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Teaser

Solange er denken kann, ist Joshua mit Zivan eng befreundet, einem Mädchen aus dem Irak. Eines Tages ist sie verschwunden aus der gemeinsamen Klasse der Realschule. Joshua hört immer seltener von ihr.
Als er in die Klasse Neun einer Hauptschule versetzt wird, lernt er Sergio und Dylan kennen und das Fürchten (vor ihnen!).
Mit seinem Dauer-Zeichnen dämpft er seine Sorge um Zivan, die Furcht vor den Kumpels und …, unerwartet öffnen sich durchs Malen Türen.

Beurteilungstext

In Ichform erzählt der 15jährige Joshua seine Geschichte. Von der Sehnsucht nach Zivan, die ihm in der siebten Klasse vorübergehend …und danach noch einmal, verlorengeht, diesmal wohl für immer. Auch seinen Umgang mit zwei sehr speziellen Muskelmänner-Typen, Kickboxer der neuen Hauptschulklasse, kriegt er vermutlich malend besser in den Griff.

Dabei experimentiert der Illustrator, Martijn van der Linden, mit dem Pinsel, strichelt mit Fasermaler, zeichnet mit Kohle oder er aquarelliert. Manchmal entstehen ganze Serien, die er Joshua malen lässt. Häufig geht es um Zivan, die er beim Malen freihält von sexuellen Fantasien, diese aber auf ein Mädchen aus der neunten Klasse projiziert.
Ich hätte diese Menge an Bildern nicht gebraucht, da wo sie einzeln eingestreut werden, fand ich sie sehr inspirierend.

Während Joshuas Bilder das Unausgesprochene seiner Gedanken preisgeben, fällt es anfangs schwer, das Wortgemisch von Normal- und Jugendsprache auf Anhieb zu verstehen. Der Stil, in dem Erna Sassen schreibt, ist ungewohnt und originell und sehr lebendig. Er hat keine Ähnlichkeit mit dem häufig unternommenen Versuch von Autor:innen, gängigen Jugendslang zu imitieren, was meist eher peinlich endet. Die Sprache, die Erna Sassen für ihre Hauptfigur erfindet, passt zielgenau zu dem Charakter, den sie für Joshua entwirft.
Insgesamt brütet sie ausgefallene Figuren aus und schreibt mit unerschöpflichem Humor, der die Handlung vorantreibt und das Buch so lesenswert macht.

Spannend ist auch, dass Zivan, die Freundin, um die sich bei Joshua alles dreht, im Buch nicht erscheint.
Joshua ist, ein introvertierter, sensibler Fünfzehnjähriger mit viel Selbstreflektion und Skrupeln, ein eher unsportlicher und unauffälliger Junge. Der gelungene Gegenentwurf zu den zwei Rambos, mit denen es Joshua in der Hauptschulklasse zu tun kriegt. Jungen, die das Zeug haben, eine Lehrerin in den Nervenzusammenbruch zu treiben und in der Klasse Angst und Schrecken zu verbreiten. Pensionierten Lehrerinnen blutet beim Lesen ihr Herz.
Aber wie originell es Erna Sassen gelingt, diese Szene so anschaulich und witzig auszukosten! So ideen- und trostreich, dass sich sämtliche einfühlsamen Lehrerinnen schnell erholen von ihrer Empathie mit der Kollegin im Buch..
Ebenfalls bringt es Erna Sassen fertig, die diversen Charaktere füreinander zu interessieren, sie sogar zu Freunden werden zu lassen. So entsteht nicht das Klischee vom dümmlichen Hauptschüler als total unsensiblem Muskel-Rambo.*)
Und auch nicht das Klischee von Menschen, die einfach nicht zusammen passen. Bei ihr passt vieles zusammen, was unüblich ist und ganz neu. Der Blickwinkel aus tiefgründigem Humor verbindet sich mit dem Tieftraurigen dieser Geschichte.

Auch die Eltern von Joshua sind besonders, so hat sich die Mutter aus der Ehe ausgeklinkt, weil sie doch noch ihre großen Liebe fand. Deswegen wird sie aber nicht angeprangert, sondern weiterhin als mitfühlende Mutter gezeigt, die für Joshua da ist und die mit ihm weint, als ihr Sohn Angst um Zivan hat.
Der Vater ist für Joshua da, lebt mit ihm zusammen, zeigt sich liebe- und verständnisvoll, zeigt weiche und ‚mütterliche‘ Seiten. Ein etwas anderes, ein schönes Eltern-Modell für die Altersstufe der dreizehn- bis sechzehnjährigen Leser:innen.
*)
Leseprobe S. 182
Joshua wird von den beiden Freunden zum Kickboxen der Kleinkindgruppe eingeladen. Er ist beeindruckt, wie sich Dylan, der Rambo aus der Neunten, als Sport-Trainer bei Kickboxer:innen-Minis verhält.
‚Dylan erledigt die eigentliche Arbeit. Er ist irrsinnig entspannt mit den Kleinen. Bei dem Minitrampolin hält er sie an den Händchen fest, damit sie sich trauen und höher springen können. Alle schreien nach ihm. „Dylan!Dylan!“ Er ist hier offenbar ein ganz anderer Mensch‘.

Im Unterricht ab der siebten oder achten Klasse kann dieses Buch ein Gewinn sein für die Themen „Weiblichkeit und Männlichkeit“ bis hin zur „Zwangsehe“. Ebenfalls geeignet wäre es, um Vater-und Mutterrollen und das Tätigsein im Beruf zu erörtern, sowie die Frage, wer für welche Bereiche zuständig ist.

Wenn Erna Sassen über wichtige Themen für Jugendliche scheibt, entfalten sich die Dinge auf eine Weise, in der sie aushaltbar werden, weil die Autorin eine passende literarisch ansprechende Form findet. Und ganz besonders der ihr eigene Humor garantiert ihr das Gelingen.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von G-KH; Landesstelle: Schleswig-Holstein.
Veröffentlicht am 01.04.2022

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