»Noch wichtiger als das Wissen ist die Phantasie«

Autor*in
Fischer, Ernst Peter
ISBN
978-3-328-11111-5
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
320
Verlag
Penguin
Gattung
Ort
München
Jahr
2016
Lesealter
16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
9,00 €
Bewertung
eingeschränkt empfehlenswert

Teaser

In diesem neu erschienenen Taschenbuch stellt der Autor 50 (fünfzig) Wissenschaftler auf jeweils 3 Seiten vor, die mit ihren Erkenntnissen Geschichte geschrieben haben.

Beurteilungstext

Der als „renommierter Vermittler von populärer Naturwissenschaft“ geltende Autor versucht hier auf kürzeste Weise - nämlich auf jeweils 3 Buchseiten - 50 bekannte Wissenschaftler mit ihren bahnbrechenden Erkenntnissen vorzustellen. Jedem neuen Kapitel ist ein markantes Zitat des Forschers vorangestellt, das Interesse wecken kann.
Es stellt sich dem aufmerksamen Leser die Frage, wen der Autor mit der Fülle der Wissenschaftler und der Kürze der Darstellungen erreichen möchte. Fachleute bestimmt nicht; die breite Bevölkerung wohl kaum. Blieben also die an diesen Themen interessierten Jugendlichen, denen diese Zusammenstellung als Anregung dienen könnte, sich mit dem einen oder anderen Forscher näher zu beschäftigen. Da sieht die Rezensentin allerdings einige Mängel.

Der Titel des Buches macht neugierig auf die Bedeutung der „Phantasie“ (Fantasie), was sowohl „Vorstellungskraft“ als auch „Trugbild“ bedeuten kann. Leider wird der Bezug zu den Wissenschaften in diesem Buch dann vernachlässigt. Im Gegenteil: Als der Autor Galileo Galilei vorstellt - den er übrigens menschlich unvorteilhaft schildert, ohne Quellen dafür anzugeben - nennt Fischer ihn aufschneiderisch für dessen Überzeugung, dass Gott „mathematisch fassbare Naturgesetze“ geschaffen habe, was sich, wie der Autor anschließend bemerkt, erst Ende des 17. Jahrhunderts als „relevant und akzeptabel“ herausstellen sollte. Fischer verlegt Galileis Vorstellung in den Bereich von „Wünschen“ und „kühner Vision“, was „aber leider mit dem ihm zu seiner Zeit verfügbaren Wissen nichts“ zu tun habe. Wo bleibt hier die Anerkennung der im Titel hervorgehobenen „Phantasie“ = Vorstellungskraft?
In der Einführung verweist der Autor auf den Anhang in der Annahme, dass „der Leser neugierig auf die Menschen“ geworden sei, „von denen die Weisheiten stammen.“ „Ihnen kann mit den biografischen Anhängen zu den Schöpfern der zitierten Erkenntnisse geholfen werden.“
Vergeblich sucht der Leser nach diesen Anhängen. Finden tut man lediglich bibliografische Angaben zu den selben Zitaten, die den Kapiteln ohne Quelle vorangestellt sind.

Sprachlich leistet sich Fischer etliche Missgriffe; z.B. S. 24, wo er schreibt, dass Newton „die Bühne der Wissenschaft betrat und die Schwerkraft einführte.“
Im Oppenheimer-Kapitel (S. 126) heißt es: „ Einsteins Formeln ermöglichen den Kollaps des ganzen Weltalls....“
Etliche Bandwurmsätze mit extrem vielen und unterschiedlichen Informationen erschweren stellenweise das Lesen, z.B. S. 27, wo von Kant, Euklid, Einstein und Newton und deren verschiedenen Ansichten in einem einzigen Satz die Rede ist.
Auffällig ist auch, wie oft der Autor seine eigenen Aussagen verwässert, indem er Informationen in den Bereich der Vermutung verschiebt mit: vielleicht, möglicherweise, wäre, ist wohl, wahrscheinlich, womöglich.

Logische Missgriffe: Unter den Naturforschern und Biologen stellt Fischer u.a. Charles Darwin vor, dem er dann attestiert, dass Darwins Gedanke vom „Kampf ums Dasein“ „gar nicht aus der Natur stammt“ (S.191) und auf S. 193, dass „keine Naturbeobachtungen“ die Grundlage sind für „seine gefeierte Einsicht in die Entwicklung des Lebens“. Vielmehr stammten Darwins Gedanken aus der „englischen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts“ und seine Begriffe kämen „aus der humanen Lebenswelt“. Offenbar ist für den Autor die menschliche Lebenswelt nicht zur Natur gehörig.
Darwins Naturbeobachtungen an den Galapagos-Finken bleiben unerwähnt, obwohl dem Darwin-Kapitel ein sehr spezielles Zitat gerade zu den Tieren und Pflanzen Südamerikas vorangestellt ist.

Unerfindlich bleibt der Rezensentin, wie Fischer die Gottgläubigkeit der verschiedenen Forscher darstellt - und das wäre für jugendliche Leser ein wichtiger Punkt: Hat der Leser in manchen biografischen Beschreibungen den Eindruck, Fischer wertet die Gläubigkeit durchaus als wertvolle Ergänzung zu wissenschaftlichem Tun, (S. 35, bei Faraday), so erscheint im Darwin-Kapitel eine unangenehme Intoleranz Andersdenkenden gegenüber: „Es gibt leider nach wie vor zahlreiche Gegner des evolutionären Gedankens, und Menschen, die mehr einem Gott als ihrem Verstand vertrauen, meinen, einen intelligenten Designer herbeirufen zu müssen, der Menschen schafft. Dabei kann jeder Evolutionsbiologe diesem Wunschwesen sofort riesige Dummheiten nachweisen.“ Selbstverständlich meint der Autor damit die Kreationisten, nennt diese aber nicht deutlich genug, um Missverständnisse zu verhindern.
In einigen Lebensbeschreibungen bleibt Fischer lediglich bei einer Bestandsaufnahme, die auch noch mit Zahlen überfüllt ist. (z.B. bei Gauß, S. 142 ff.)
Fazit: Die Absicht des Autors, wissenschaftliche Erkenntnisse in populärer Weise darzubieten, wäre für junge Menschen ein Gewinn, wenn diese denn gelungen wäre. Die oben erwähnten Einwände zu Fischers Ausführungen konnten hier nur beispielhaft für weitere genannt werden.
Wen allerdings diese Mängel nicht stören, mag sich dieser Lektüre ohne Schaden widmen.

Wer jedoch an Kurz-Informationen interessiert ist, kann sich schneller und objektiver des Internets bedienen.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von RSchV.
Veröffentlicht am 01.10.2016

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