No place, no home

Autor*in
Rhue, Morton
ISBN
978-3-473-58491-8
Übersetzer*in
Ganslandt, Katarina
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
286
Verlag
Ravensburger
Gattung
Ort
Ravensburg
Jahr
2016
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
7,99 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Dans Familie befindet sich im freien sozialen Fall: Arbeitslosigkeit, Haus weg, Unterschlupf bei Verwandten, schließlich ein Zelt in der Obdachlosensiedlung. Kann es noch schlimmer kommen? Es kann!

Beurteilungstext

Der 17-jährige Dan ist ein sehr guter Baseballer und ein sehr guter Schüler. Er hat das College-Stipendium schon in der Tasche. Doch kurz bevor er die High-School abschließt, bricht über die Familie das herein, wovor die Eltern Dan lange abschotten konnten: Die Familie wird obdachlos. Dans Eltern gehören eigentlich zur gut qualifizierten amerikanischen Mittelschicht. Dans Mutter arbeitete gut bezahlt im Finanzsektor, sein Vater war Sozialarbeiter. Nachdem beide Eltern ihre Jobs verloren, konnte sich die Familie noch einige Jahre über Wasser halten. Doch jetzt ist es soweit: Sie müssen ihr Haus verlassen. Zunächst kommen sie beim Bruder der Mutter unter, einem Immobilieninvestor, der ebenfalls in finanziellen Schwierigkeiten steckt. Die ständigen Spannungen dort veranlassen die Eltern jedoch, lieber in ein Zelt im Stadtpark zu ziehen. Dan ist entsetzt. Zu dritt in einem Zelt leben, Verpflegung im Großraumzelt, Stigmatisierung in der Schule. Sogar vor seiner Freundin, Tochter eines wohlhabenden und einflussreichen Investors, hält er diesen Abstieg so lange es geht geheim. Letzten Endes aber muss er sich der Situation stellen. Dans Leben wird sich radikal verändern.
Arbeitslosigkeit in einer Gesellschaft, die fast kein soziales Netz bietet, kommt einer persönlichen Katastrophe gleich. All die Selbstverständlichkeiten eines geregelten Schulalltags gehen für Dan verloren. Bett, Schreibtisch, Schrank, das war früher. Dan schläft jetzt auf einer Luftmatratze und macht seine Hausaufgaben am Kirmestisch im Großraumzelt - wenn er sie nicht bei Starbucks machen muss, weil er dort für einen Kaffee kostenlos ins Internet kommt. Ein einziger Fernseher im Großraumzelt lässt keinen Raum für Programmwünsche. Ein gefüllter Kühlschrank gehört der Vergangenheit an, selbst ausreichend Essen steht nicht immer zur Verfügung. Dan wird zum Almosenempfänger in der Schulkantine und muss sich von seiner Freundin aushalten lassen. Mehr als einmal wird Dan mit demütigenden Sprüchen konfrontiert, etwa, dass sein Vater ein Versager sei, und dass er schon eine Arbeit finden würde, wenn er wirklich wollte. Als Dan seinen Dad in der Stadt im Mülleimer nach Pfandflaschen wühlen sieht, bricht für ihn eine weitere Welt zusammen. Doch es kommt noch viel schlimmer, als Gewalt und politische Radikalisierung ins Spiel kommen.
Morton Rhue zeigt sehr anschaulich die Situation der amerikanischen Mittelschicht, und zwar sowohl derer, die sich dort noch halten können, als auch derer, die schon abgestiegen sind. Zentraler Schauplatz ist der Stadtpark, in dem die Stadtverwaltung ein Obdachlosenzentrum mit sanitären Anlagen und Busanschluss eingerichtet hat. Hunderte Menschen leben dort; solche, die sich aufgegeben haben, andere, die die Situation hinnehmen, wie sie ist, und wieder andere, die sich politisch engagieren. Zu Letzteren gehören auch Dans Mutter und Aubrey, der Sprecher der Siedlung. Auch etliche Schüler von Dans Schule sind bereits in der Siedlung gelandet. Auf der Gegenseite stehen die Bürger und Investoren, die eine Abwärtsspirale für ihre Stadt befürchten, wenn das Lager zum Absinken der ohnehin schwachen Immobilienpreise führt oder wenn zu viele Menschen “auf Kosten anderer” dort leben “wollen”. Der Graben zwischen diesen Fronten verläuft direkt durch Dans Familie. Dan kämpft um seine Schulnoten, seine Würde, seine Zukunft, während sein Onkel und auch der Vater seiner Freundin der Überzeugung sind, dass das Lager um beinahe jeden Preis verschwinden muss.
Der Autor lässt seine Leser in den Alltag dieser Menschen blicken, zeigt ihre Ansichten, ihr Familienleben und die Situation in der Schule und im Freundeskreis. Manches, was die Leser dort erfahren, ist typisch amerikanisch, vieles könnte so in jeder westlichen Gesellschaft passieren.
Morton Rhue inszeniert seinen sozialkritischen Roman sehr spannend. Er schafft es, die ganze Tragödie der Situation zu vermitteln und seinen Ich-Erzähler Dan trotzdem als locker und selbstbewusst zu charakterisieren. Ein brutaler Überfall auf Aubrey wird zum Werkzeug, tief in die Abgründe gesellschaftlicher Vorgänge vorzudringen und eine zentrale Frage aufzuwerfen: Wie weit sind Menschen bereit zu gehen, um ihre soziale Stellung zu bewahren? Dans Erzählsprache ist lässig, aber präzise. Er ist ein guter Analytiker und vermittelt den Lesern so unaufdringlich Informationen und Emotionen.
“No place, no home” ist ein hochwertiger Roman, packend von der ersten bis zu letzten Seite, hoch aktuell und absolut empfehlenswert.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von spra.
Veröffentlicht am 01.07.2016

Weitere Rezensionen zu Büchern von Rhue, Morton

Rhue, Morton

Die Welle

Weiterlesen
Rhue, Morton

Creature

Weiterlesen
Rhue, Morton

Dschihad Online

Weiterlesen
Rhue, Morton

American Hero

Weiterlesen
Rhue, Morton

Creature - Gefahr aus der Tiefe

Weiterlesen
Rhue, Morton

Dschihad Online

Weiterlesen