Niemandsstadt

Autor*in
Goldfarb, Tobias
ISBN
978-3-522-20267-1
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
364
Verlag
Thienemann
Gattung
Buch (gebunden)Erzählung/Roman
Ort
Stuttgart
Jahr
2020
Lesealter
12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
15,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Teaser

In der Niemandsstadt gibt es alles, was man sich in der Wirklichkeit erträumt. Statuen zwinkern einem freundlich zu. Gleich drei Sonnen wärmen Gesicht und Rücken. Räume entstehen immer dann, wenn man sie braucht. Hier fühlt sich Josefine wohl. Doch die Stadt, ihre Geschöpfe und ihr Zauber sind in Gefahr. Bedroht von der weiten, weißen Leere. Ausgerechnet Josefine soll eingreifen - aber wie bekämpft man einen Gegner, der nicht existiert?

Beurteilungstext

„Number One ist mehr als ein Computer, er ist so etwas wie eine magische Wunderwaffe. Ohne Magie kommt die Technik nicht mehr weit. In Amerika haben wir Serverfarmen auf indianischen Gräberfeldern errichtet“, sagt István Korvusz, der Erfinder der Maschine Nummer eins aus Berlin. Fast alle nutzen seine Plattform Magick. Das klingt nach einem Science-Fiction-Roman, beginnt jedoch wie eine fantastische Erzählung und endet als Dystopie.
Der Roman ist zweiperspektivisch aufgebaut. Josefine und Elisabeth berichten abwechselnd. Sie gehen in eine Klasse, doch könnten sie unterschiedlicher nicht sein: Josefine, die Träumerin, oder auch die „Josef ohne Kurven“, ist Außenseiterin. Elisabeth, Eli, ist ein Star auf Magick, der besten Plattform aller Zeiten.

Tobias Goldfarb setzt in seinem ersten Jugendroman die Sprache sehr bewusst ein: Josefines erster Bericht in einer der fantastischen Welt angemessenen Sprache wirkt märchenhaft und poetisch. „Manchmal weiß ich nicht, ob ich gerade drüben bin. Es gibt gewisse Anzeichen … eine andere Qualität des Lichts, Regen, bei dem sich ab und zu ein Tropfen vom Asphalt löst und in den Himmel fällt … Während mich, wenn ich nicht drüben bin, fast nie jemand beißt.“ Drüben, das ist die Niemandsstadt, in der sich Josefine manchmal wiederfindet. Dort flaniert sie und staunt. Dorthin träumt sie sich in langweiligen, einsamen Schulstunden. Drüben, das ist die Welt der Nachtelfendamen und der Märchen mit Lirum Larum Löffelstiel.
Elis Bericht dagegen wirkt sachlich und modern: „Ich habe beschlossen … mein Ich aufzuspalten. Privat und bei mir selbst bin ich ich geblieben. Eli. Mein Ich bei Magick nenne ich Persona. Das ist das Ich, das die Welt kennt… Persona hat die Tendenz, sich schrecklich danebenzubenehmen, nur um noch ein wenig beliebter zu werden … Ich kann Persona nicht ausstehen.“
Nicht nur die Sprache, auch die Schrifttypen – mit und ohne Serifen, Überschriften normal oder fett – unterscheiden sich, so dass immer sehr klar wird, ob gerade Josefine oder Elisabeth berichtet.

Das Cover verrät kaum etwas über den Inhalt des Buches. Es ist möglich, diesen Roman als Märchen zu lesen. Rehkälbchen verwandeln sich in junge Männer, Frösche bleiben Frösche, Drachen kämpfen gegen Crowbots und Maschinen beginnen zu träumen. Es ist auch möglich, ihn als medienkritisches Werk zu lesen. Follower verhalten sich wie Bienen oder Schafe. Der Run auf Magick wird noch einmal verstärkt durch die zeitliche Begrenzung auf sieben Jahre. Einer von Elis Sprüchen ist: „Von meinem Dekolleté gibt es im Netz mehr Bilder als vom Grand Canyon … und natürlich ist es auch viel tiefer.“ Nur Josefine mit ihrem alten zerkratzten Handy hat keine Ahnung davon, dass Eli in der geschlossenen Gruppe „Josef und seine Brüder“ boshafte Fotos von Josefine mit hässlichen Männern veröffentlicht.
Es kann auch sein, dass künstliche Intelligenz das Hauptthema des Buches ist. Magische Welten werden durch Crowbots zerstört und mit Nullen überschrieben, die Maschine Nummer eins sammelt Träume und übernimmt die Weltherrschaft. Eins - One - Number One - No. One - No-One - Niemand?

Originelle Ideen wie die nachhaltige Magiewirtschaft, literarische Anspielungen wie der Sommernachtsalbtraum oder der Name Westwind, gelegentliche Verwirrung und die Möglichkeit, sich eher mit Josefine oder eher mit Eli zu identifizieren, machen beim Lesen Spaß. Das langsame Erzähltempo des Anfangs steigert sich, genau wie die Spannung. Die beiden Protagonistinnen nähern sich einander an, unterstützen sich gegenseitig und gewinnen den Kampf um Leben oder Tod.

Nicht nur für Jugendliche.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von est; Landesstelle: Hamburg.
Veröffentlicht am 02.11.2020

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