Neu in der Fremde. Von Menschen, die ihre Heimat verlassen.

Autor*in
Eichenlaub, Carolin
ISBN
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
206
Verlag
Gattung
Ort
Weinheim
Jahr
2016
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
16,95 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

"Die Temperatur in unserem Haus ist um etliche Grad wärmer geworden", sagt Friederike, die junge syrische Flüchtlinge aufgenommen hat. In diesem und weiteren 19 Texten erzählen und berichten Jugendliche und Erwachsene, wie es war und ist, wenn man irgendwo in der Fremde neu beginnen will oder muss - für einige ist es ein Abenteuer, aber für viele ist es zunächst auch eine schwere Last. Vor allem, wenn man nicht freiwillig die alte Heimat verlässt und auch nicht gleich herzlich aufgenommen wird.

Beurteilungstext

Heribert Prantl stellt sich und dem Leser in seinem Nachwort zum gerade wieder neu aufgelegten Bilderbuch von A. Greder "Die Insel" vor, wie es wäre, wenn es ein Flüchtlingsbuch gäbe, in dem es eine Seite für jeden Flüchtling gäbe, der seine Heimat verlassen hat und anderswo Schutz suchen müsste. Ein solches Buch hätte 60 Millionen Seiten, bestünde aus 120000 Bänden und wenn man alle Bände stapelte, wäre der Bücherturm höher als der Mount Everest.
In der vorliegenden schmalen Anthologie erzählen 20 Menschen von ihrem Neuanfang, fern der Heimat und der vertrauten Menschen. Nicht alle sind Flüchtlinge, aber alle stellen sich dem, was die Herausgeberinnen im Vorwort so beschreiben: "Egal, ob man irgendwo neu anfängt, weil man es möchte - oder weil man es muss. Ein Neustart ist immer eine Herausforderung. Er reißt Menschen aus gewohnten Lebenszusammenhängen, konfrontiert sie mit neuen Bedingungen an fremden Orten..." (S. 8)
Die sehr unterschiedlichen Geschichten und Berichte zeigen eine große Vielfalt an Herangehensweisen, Ausdrucksformen und Perspektiven auf die neue Situation:
Mit knappen Worten im Interview, wie Hesham, der sagt, seine Heimat ist da, wo seine Kinder sind und wo er sein Brot verdient. (S. 51) Wie Jannis, der seine Tätigkeit in der Flüchtlingsberatung in Frankfurt in einer Reportage vorstellt und betont wie bedeutsam die Prinzipien Humor, Höflichkeit, Respekt und Achtung in der Beratung sind (S. 165). Aboud, der junge Syrer berichtet ausführlich und sehr eindringlich von seiner "Suche nach Heimat", nachdem für ihn nur der Tod oder das Gefängnis in Syrien geblieben wäre, zwischen Hoffen und Bangen, ob er bleiben darf oder nicht: "Europa, die Heimat für Leute, die kein Land mehr haben."(S. 54) Ena, angehende Journalistin, musste im Jugoslawienkrieg 1992 als 9-jährige mit ihrer Mutter fliehen und erzählt von ihrer glückliche Kindheit, berichtet von der Flucht, den ersten Erfahrungen mit den Deutschen und reflektiert ihre kindlichen sowie erwachsenen Vorstellungen vom Leben auf sehr nachdenkliche, aber auch humorvolle Weise. Ihre Überlegungen zur Sprache sind bemerkenswert: Das Wort für Deutschland oder Deutsche "Njemacka" hat sie sich mit Katze übersetzt, weil Macka Katze heißt. In der Schule hört sie dann, dass "Nijemac" sich von dem Wort "nijem" ableitet, was "stumm" bedeutet.(S. 105ff)
Die Selbstportraits und Geschichten zeigen uns Menschen, die im eigentlichen Wortsinn ihre Menschlichkeit und Humanität bewahrt haben, die anderen und sich selbst Mut machen und helfen: Als "Biodeutsche", wie die 15jährige Siri, die sich in der Schule für Flüchtlinge engagiert oder Antonia, die sich politisch engagiert für Frauen in der Initiative "Women in Exile & Friends" oder auch Thomas, der sich als begeisterter Fußballer in seinem Wohnort dafür stark macht, Flüchtlingen über Sportangebote zu helfen. Als Flüchtling wie Zerai, der in Frankfurt das "Projekt Moses" mitbegründet hat, das eritreisch-deutsche Jugendliche und Familien unterstützt.
Inhalt und Gestaltung des Buches sind sehr gelungen: Texttitel und farblich sowie in der Schriftgröße herausgehobene Zitate der AutorInnen betonen das Besondere, das Persönliche des jeweiligen Textes. Texte und Bilder (in der Regel Fotos) sind in Blau- und Rottönen gehalten, wie auch das Cover und Vorsatz.
Für den Unterricht in GL und/oder Deutsch - am besten aber fächerübergreifend - eignen sich die Texte sehr gut. Man könnte sie je nach Interesse und (Lese-)kompetenz verteilen, fragengeleitet (oder frei) lesen lassen, Recherchen anschließen und sowohl sachliche wie sprachliche Auseinandersetzungen anregen bzw. durchführen.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Veröffentlicht am 01.07.2016

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