Nell oder Die Gabe der Mainacht

Autor*in
Hearn, Nell
ISBN
978-3-423-70998-9
Übersetzer*in
Holtei, Christa
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
316
Verlag
dtv
Gattung
Fantastik
Ort
München
Jahr
2006
Lesealter
12-13 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
10,00 €
Bewertung
empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Nell ist die 12 jährige Enkelin der Zauberin und Hebamme eines kleinen englischen Dorfes. Der neue Pfarrer unternimmt alles um den Ruf der Weisen Frau und Nells zu zerstören. Er gibt ihr die Schuld an der rätselhaften Erkrankung seiner Tochter Grace. Die Dorfbewohner sind ihm in ihrer Angst vor Satan hörig und unterstützen sein Vorgehen. Eine gefährliche Zeit beginnt für die beiden Frauen.

Beurteilungstext

Die Handlung beginnt im April des Jahres 1645, Sam und Nell toben durch den geheimen Obstgarten. Kobolde und Feen tauchen bald als geheimnisvolle Wesen auf, sie werden toleriert, respektiert und mehr noch - geachtet. So haben die Dorfbewohner seit Jahrhunderten gelebt, sie haben in Ritualen der Natur Opfer gebracht und erwartet dafür entsprechende Hilfen zu erhalten. Mit Ankunft des neuen Pfarrers ist dies nun vorbei. Er wettert gegen alle Sittenlosigkeiten von der Kanzel und sieht sich am Ende berechtigt, den Generalhexenjäger zu holen. Wie zu erwarten, sind die Weise Frau und Nell die Opfer dieses Mannes. Denn sie kennen das Geheimnis der Pfarrerfamilie: Grace erwartet von Sam ein Kind und Nell weigert sich dem Mädchen den Trank zu geben, durch den sie das Kind verlieren würde. Deshalb behauptet Grace, dass sie von Nell verzaubert wäre, was die Dorfbewohner glauben. Doch noch ein weiteres Geheimnis umgibt diese Familie, deren Oberhaupt jegliche Sittenlosigkeit verurteilt: Nell ist die Tochter der Pfarrersfrau, die Nells Vater beim Maienritual kennen gelernt hatte. Sie starb bei Nells Geburt, der Vater nahm das kleine Wesen an sich und übergab es seiner Mutter. Von ihm selbst haben weder die Weise Frau noch Nell irgendetwas jemals wieder gehört. Es wird in der Geschichte nicht geklärt, ob der Pfarrer dies weiß - aber er erkennt die Ähnlichkeit Nells mit seiner Frau, als er die junge Heilerin an den Galgen bringen will.
In dem Buch wird deutlich zum Ausdruck gebracht, welche Macht die Vertreter Gottes in dieser Zeit hatten, wie sehr sie die Menschen mit der Drohung des Satans und der Verleumdung von Frauen als Hexen beeinflussen konnten. Nur durch Zufall wird Nell in letzter Minute gerettet - und dies nicht durch ein Zeichen Gottes, sondern durch den Sohn des englischen Prinzen. Dem hatte sie ebenfalls das Leben gerettet, nachdem er von einem Gutsherrn, dessen Tochter er in einer Scheune verführt hatte, angeschossen worden war. Sensationsgierig werfen die Leute vom Dorf zunächst die Weise Frau in den Dorfteich, retten sie dann aber reumütig. Dennoch stirbt diese. Pfarrer und Hexenjäger lassen nicht locker, zumal beide nun die Ursache von Grace Veränderung kennen - es wäre fatal, wenn Nell irgendetwas an die Öffentlichkeit brächte. Sie überrumpeln die Heilerin, als diese sich an Allerheiligen in eine Trance fallen lässt, nutzen deren Wehrlosigkeit aus und stecken Nell ins Gefängnis, wo sie so lange gefoltert wird, bis sie zusammenbricht. Auch wenn alle wissen, dass die Anklagepunkte nicht wahr sein können, bleibt nur eine Frau aus dem Dorf auf ihrer Seite. Diese rettet am Ende Grace' Kind, das der Pfarrer in einer eiskalten Dezembernacht sofort nach der Geburt aussetzen lässt, und nimmt es in ihrer Familie auf. Mit ‚tadellosem Ruf' verlassen der Pfarrer und seine beiden Töchter im darauf folgenden Frühjahr das Land und siedeln in Amerika, nicht minder puritanisch oder fanatisch.
Das Buch ist einfühlsam geschrieben, an manchen Stellen wächst die Spannung, es zeigt aber auch, wie liebevoll sich das Verhältnis zwischen Großmutter und Enkeltochter gestalten kann. In einem Nachwort erläutert die Autorin, was sie mit den Gestalten von Grace und Patience Madden ausdrücken wollte, den historischen Zusammenhang mit Charles II und die Bilder, die sie auf die Weise Frau und Nell projizierte. Dennoch erscheint mir die Aussage an manchen Stellen für den jugendlichen Leser nur bedingt verständlich.

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Diese Rezension wurde verfasst von magic.
Veröffentlicht am 01.01.2010