Montmorency - Dieb, Gauner, Gentleman

Autor*in
Update, Eleanor
ISBN
978-3-7941-8038-7
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
200
Verlag
Gattung
Krimi
Ort
Düsseldorf
Jahr
2006
Lesealter
12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
14,90 €
Bewertung
empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Montmorency wird 1875 bei einem Einbruch erwischt, weil er abstürzt und sich so schwer verletzt, dass er nur überlebt, weil er als Forschungsobjekt von einem jungen Mediziners entdeckt wird. In der Universität vorgeführt, lernt er für sein Leben: Nach der Entlassung benutzt er das neue Kanalisationsnetz Londons als Ausgangspunkt für seine Einbrüche. Das Diebesgut verwaltet er so gut, dass er es als Startkapital für den Einstieg in das bürgerliche Leben nutzen kann.

Beurteilungstext

1. Ein spannender Krimi aus dem London Ende des 19. Jahrhunderts. Der Held ist jung, ehrgeizig und greift zu dem einzigen Strohhalm, der sein Leben verändern könnte; dass er als kleiner Ganove keine Chancen hat, führen ihm seine Mithäftlinge deutlich vor Augen. Das neue Kanalisationsnetz ist für Polizei und Unterwelt noch ungenutzt, er sieht aber die Möglichkeit, unvermittelt am Tatort zu erscheinen und spurlos wieder zu verschwinden. Das Netz birgt seine Gefahren, mehrfach entkommt er ihnen knapp. Bis zu seinem Ausstieg aus der kriminellen Laufbahn aber kommt die Polizei ihm nicht auf die Spur. Dazu ist es auch hilfreich, dass Montmorency schnell erkennt, dass er zwar einen Gehilfen braucht - erst recht, wenn er in der Öffentlichkeit als Gentleman auftreten will, ein Mitwisser aber die Gefahr der Aufdeckung potenziert. So spielt er beide Rollen selbst: als Gehilfe des vermögenden Gentlemans steigt er in die Kanalisation, in die Unterwelt, als Montmorency lebt er in der Gesellschaft und kann das Diebesgut gefahrlos als Familienschmuck veräußern.
2. Die Geschichte eines Aufsteigers. Montmorency lernt begierig alles, was sein Fortkommen befördert. Das fängt im Gefängnis an, als er von seinem Mithäftling lernt, andere zu beobachten und nachzuahmen, von Bewegungen bis zur Sprache, und endet damit, dass er das Vertrauen eines Marquis erlangt, der ihm schließlich die Grundlage für ein neues Leben verschafft.
3. Ein reiner Männerroman. Merkwürdig, dass ihn eine Frau geschrieben hat. Klassisch sind die Rollen der Männer, in deren Leben praktisch keine Frau vorkommt, allenfalls am Rande und eher als Karikaturen denn als reale Charaktere, was besonders auf die einzige Frau zutrifft, der ein relativ großer Raum eingeräumt wird. Aber sie ist nur lästig und wird dennoch gebraucht, um einer Entdeckung Montmorencys vorzubeugen. Allerdings merkt sie noch nicht einmal etwas davon. Ich bin versucht zu sagen, dass dies ein frauenfeindlicher Roman ist.
4. Eine Sittengeschichte des ausgehenden 19. Jahrhunderts, wie sie wohl für alle europäischen Großstädte gelten könnte: Gerade entdeckt man, wie gesundheitsschädlich die Abwässer sind, der allgegenwärtige Gestank wird eindringlich beschrieben. Dass die Gasbeleuchtung nicht ohne Gefahren ist, liest man ebenso wie von der beginnenden Elektrifizierung der Städte. Das Wissen darum ist bei Montmorency - stellvertretend für den Großteil der Bevölkerung - eher rudimentär. Ebenso wenig begreift er den Begriff der Hygiene, der Sepsis et.al., deren Kenntnis den jungen Arzt, der am Anfang seiner Karriere steht, zu seinem Aufstieg verhilft.
Liebe und Zuneigung spielen nur eine sehr untergeordnete Rolle; dies entspricht dem erwarteten Verhalten in der Öffentlichkeit - das Private wird allerdings ausgeklammert.
5. Eine sozialromantische Geschichte, vom Traum des in diplomatische Höhen Aufsteigers aus der Gosse. Mir ist zwar bekannt, dass eine lückenlose Überwachung der Karriere eines Menschen selbst heute kaum möglich ist, dass aber ein junger Krimineller nur einen anderen Namen anzunehmen brauchte, um seine gesamte Vergangenheit abstreifen zu können, ohne Papiere, ohne Nachweise sogar in Staatsdienste treten zu können, ist zumindest eine verklärte romantische Sicht. Konsequenterweise erfährt der Leser nichts vom Vorleben des Helden.
6. Ein chauvinistischer Roman: Wenn Borat sein Kasachstan karikiert, dann mag das an der Grenze der Geschmacklosigkeit liegen. Update aber beschreibt ein erfundenes Balkanland, das an einem Weltbrand zündelt und ein Personal in seine Londoner Botschaft geschickt hat, das sämtliche zeitgenössischen Vorurteile gegen den Balkan bestätigt. Hier ist das aber ernst gemeint. Die Botschaft dient Montmorency auch nur dazu, seine unterirdischen Fähigkeiten in den Dienst der Krone zu stellen und so seine eigene Zukunft zu sichern.
7. Aber auch ein jugendfreier Krimi, was in der heutigen Zeit der Massaker- und Serienmordkrimis nicht zu verachten ist. Nicht nur existiert so etwas wie Sex überhaupt nicht, es wird auch keiner umgebracht - na ja, jedenfalls nicht von Montmorency: Er selbst stirbt fast durch seinen Unfall am Anfang, wird aber wieder zusammen geflickt. Er mordet nicht, sondern klaut. Ein Freund bricht ungeschickter Weise in ein Haus ein, dessen Besitzerin nicht ausgegangen ist. Und die stirbt an Herzversagen, der Verursacher wird dafür hingerichtet. Der Leser bekommt dies nur indirekt beschrieben mit.
Und unser Held macht den Schaden wieder gut, wo er Freunde oder Gutmenschen geschädigt hat: er bringt das Gestohlene zurück. Und noch nicht einmal seinen Wohltäter betrügt er mit seiner nicht erzählten Biografie richtig: der ahnt etwas davon, weiß es vielleicht sogar ganz sicher, stellt den neu gewonnenen Freund aber nicht bloß, sondern vermittelt ihm eben einen Staatsjob, in dem er seine Fähigkeiten optimal nutzen kann.
Und die Autorin auch, denn sie arbeitet schon an einer Fortsetzung.

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Diese Rezension wurde verfasst von cjh.
Veröffentlicht am 01.01.2010