Monsieur Hulot am Strand
- Autor*in
- Merveille, David
- ISBN
- 978-3-314-10338-4
- Übersetzer*in
- –
- Ori. Sprache
- –
- Illustrator*in
- Merveille, David
- Seitenanzahl
- 50
- Verlag
- DerDiwan Hörbuchverlag
- Gattung
- –
- Ort
- Zürich
- Jahr
- 2016
- Lesealter
- 4-5 Jahre6-7 Jahre8-9 Jahre10-11 Jahre12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
- Einsatzmöglichkeiten
- Bücherei
- Preis
- 0,00 €
- Bewertung
Schlagwörter
Teaser
Komische Missgeschicke des Monsieur Hulot während eines Tages am Strand eines bretonischen Badeorts. Textlose Bildergeschichte nach dem Film „Die Ferien des Monsieur Hulot" von Jacques Tati aus den frühen 1950er Jahren. Ein vergnüglicher Spaß für 4 – 99 J.
Beurteilungstext
Inhalt
Auf dem Vorsatzblatt wird der Schauplatz vorgestellt, an dem Tati seinen Film drehte: Saint-Marc-sur-Mer, ein bretonischer Badeort mit kleinen Strandhotels und dem noch menschenleeren Sandstrand mit Felspartien dazwischen und verstreuten Badekabinen, darüber ein unendlich hoher Himmel und eine Sonne, die gerade aus dem Morgennebel emportaucht. Auf der Titelseite zeigt ein runder Bildausschnitt, wie Monsieur Hulot aus der Dachluke schaut und begutachtet, wie das Wetter werden wird. Auf der ersten Doppelseite sieht man, wie der kleine Ort zum Leben erwacht. Hulot hat das Haus verlassen, ausgerüstet mit Sonnenschirm, Kescher, Federballschläger, Strandstuhl und Tasche mit Badehandtuch. Er kauft bei einer alten Dame mit weißer Schürze, die vor ihrem Zeitschriftenlädchen sitzt, eine Zeitung. Ein schnauzbärtiger dicker Herr mit Kühltasche und sein Sohn mit Wasserball sind im Begriff, die Treppe zum Strand hinunterzusteigen, auf dem sich die ersten Badegäste einfinden. Auf der nächsten Doppelseite hat sich der Schnauzbart mit seiner Familie unter einem Sonnensegel etabliert, während Hulot an ihnen vorbeistelzt. Auf der dritten Doppelseite sieht man auf der weiten Strandfläche, wie in fünf Simultanszenen Hulot in Slapstickmanier mit den Tücken des Objekts kämpft, mit dem Klappmechanismus seines Liegestuhls. Aus der endlich gefundenen Ruheposition wird er aufgeschreckt durch den Wasserball des kleinen Jungen, der ihm Pfeife und Zeitung entreißt. Hulot schießt den Ball zurück, aber sein Schuh fliegt gleich mit – bis ins Wasser. Hulot angelt ihn, auf einem Bein hüpfend, mit seinem Kescher wieder heraus und legt ihn zum Trocknen auf seinen aufgespannten Sonnenschirm. Eine Möwe entführt den Schuh und deponiert ihn auf einem Sims des Strandhotels als Nest. Hulot eilt dem Vogel hinterher und stellt auf der Caféterrasse des Hotels mehrere Tische und Stühle übereinander, um an den zum Nest umfunktionierten Schuh heranzukommen. Weil er aber tierliebend ist und den kleinen Vögelchen nichts zu Leide tun will, verzichtet er auf die Wiedergewinnung seines Schuhs und bewegt sich von nun an auf einem Schuh und einer Strumpfsocke durch die Geschichte. Unter den Cafégästen hat er viel Aufregung verursacht und entschuldigt sich umständlich bei ihnen.
Nachdem er sich wieder auf seinen Liegestuhl gesetzt hat, wird er aus seiner Ruhe durch den Tennisball des kleinen Jungen aufgestört, der ihm Pfeife und Mütze wegschlägt. Dennoch beteiligt sich der gutmütige Hulot nun am Spiel des Jungen. Aber nach seinem allzu kräftigen Schlag fliegt auch der Tennisball ins Meer.
Nach diversen weiteren Störungen kann Hulot sich endlich auf seinem Liegestuhl liegend seiner Zeitung widmen, während der kleine Junge eine Sandburg rund um ihn herum baut. Endlich schläft Hulot ein und bemerkt nicht, dass die Flut ansteigt und ihn einschließt. Erst bei Sonnenuntergang erwacht er, steigt an Land und kauft sich eine neue Zeitung.
Form
Wir haben es hier mit der Adaption eines Filmes für das Comicgenre zu tun, die die komisch-poetischen Qualitäten des Originals kongenial wiedergibt. Außerdem sind die intermedialen Bezüge zu den liebenswerten Bildergeschichten von „Vater und Sohn“ von E.O. Plauen deutlich.
Die Episoden voller witziger, absurder oder poetischer Gags sind textlos. Die Figuren sind nicht schwarz konturiert, sondern flächig auf den Grund gesetzt. Es gibt nur einen sparsamen Einsatz von typischen Comicmitteln wie Bewegungsstriche oder Sterne und natürlich keine Sprechblasen.
Dem Schwarz-Weiß-Film entsprechend, arbeitet Merveille nur mit Acrylfarben in heller oder dunkler abgestuften Grautönen.
Die Figuren sind vereinfacht und scheinen wie in einer Papiercollage aus eckigen oder runden Formvariationen zusammengesetzt.
Auf den Doppelseiten ohne Rand sind die Figuren mit Abstand über die weite Fläche verstreut. Sie wurden also nicht in dicht gedrängten Szenen arrangiert wie in den typischen Wimmelbilderbüchern. Die übersichtlichen Bilder strahlen eine gewisse Ruhe aus und laden zum beschaulichen Betrachten ein. Überall ist der hochgewachsene hagere steifbeinige Hulot mit seiner Pfeife und den Hosen auf Hochwasser, unter denen die geringelten Socken hervor schauen, leicht auffindbar, ebenso durch seine ungelenken Bewegungen und seine außergewöhnliche Slapstick-Gestik.
Meist blickt man in leichter Aufsicht auf die Szene. Neben den Bildern über die ganze Doppelseite hinweg sind einzelne Seiten auch separat gestaltet, ganzseitig, oder auch in zwei oder vier Panels aufgeteilt.
Rezeption
Auf den ersten Seiten sind die Inschriften noch französisch: „Hotel de la Plage“ und „Presse“, auf den letzten Seiten englisch: „The Beach Inn“ und „The Press“, „The Fun“. Ist dies Versehen oder hat sich der Zeichner/Verlag um eine internationale Käuferschaft bemüht?
Tati hat die Filme in den 1950er Jahren gedreht. Sie atmen die bürgerliche Atmosphäre jener Zeit. Der erwachsene Betrachter hat die Filmbilder im Kopf und schaut die Zeichnungen mit liebevoller Nostalgie an. Wie reagiert jedoch die heutige kindliche Leserschaft? Der Slapstickhumor ist sicher überzeitlich wirksam. Merveille hat mit wenigen winzigen Details eine Aktualisierung versucht: Der dicke Schnauzbartvater betätigt sich auf einem Tablet, und ein Strandgast hält sich ein Handy ans Ohr. Die Handlung bestimmend bleibt aber der Zeitung lesende Hulot mit seinem bald altmodischen Papiermedium. Die Pfeifenraucher sind heute bereits aus dem Bild der Öffentlichkeit verschwunden, ebenso die strickende Frau. Auch haben Serviceleister heute keine weiße Schürze um. Hulots gestreifter Ganzkörper-Badeanzug wurde in den 1950er Jahren noch von alten Männern getragen. Heutige Kinder könnten ihn jedoch als Clownsattribut verstehen und so akzeptieren.
Einsatz in der Gruppe
Ähnlich wie die zeitlosen „Vater- und Sohn“-Geschichten lässt sich auch dieses Bilderbuch wunderbar als Vorlage zum Nacherzählen nutzen. Die gestische Komik der kleinen Szenen um den unbeholfenen, aber gutmütigen Hulot macht einfach gute Laune und versetzt in eine heiter-beschwingte Urlaubs- und Strandstimmung. Kinder könnten selbst kleine Urlaubsmissgeschicke erinnern oder erfinden und aufschreiben oder zeichnen.
Sie könnten auch in den Fotoalben ihrer Eltern oder Großeltern nach Strandszenen suchen und historisch überholte Details beschreiben.
Zum Illustrator
Merveille wurde 1968 geboren und ist Professor für Illustration in Brüssel. Er hat bereits viele Bilderbücher gezeichnet. Seit 2006 haben es ihm die Filme von Jacques Tati angetan. Er bringt die Filme auf CDs neu heraus, arrangierte eine Ausstellung von Tatis Zeichnungen und hat bisher drei comicartige Bilderbücher aus dem Fundus des Tati-Kosmos nachgestaltet. Auf dem deutschen Markt sind bisher „Hallo Monsieur Hulot“ (2013) und der vorliegende Band „Monsieur Hulot am Strand“ (2016, beide im Züricher Nord-Süd Verlag) erschienen.
Geralde Schmidt-Dumont