Mitternacht in Charlbury House

Autor*in
Peters, Helen
ISBN
978-3-522-18515-8
Übersetzer*in
Panzacchi, Cornelia
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Körting, Verena
Seitenanzahl
367
Verlag
Thienemann
Gattung
Buch (gebunden)Fantastik
Ort
Stuttgart
Jahr
2020
Lesealter
10-11 Jahre12-13 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Fachliteratur
Preis
15,00 €
Bewertung
empfehlenswert

Teaser

Evi muss ein paar Ferientage bei einer alten Großtante verbringen, denn ihre Mutter, bislang alleinerziehend, hat geheiratet und fährt auf eine kurze Hochzeitsreise. Das Mädchen ist nicht begreistert, denn Großtante Anna lebt in einem uralten abgelegenen Herrenhaus, das mittlerweile zu Wohnungen umgewandelt ist, aber trotzdem immer noch weder W-LAN noch andere moderne Bequemlichkeiten bietet. Doch dann beginnt das Abenteuer einer Zeitreise.

Beurteilungstext

Zuerst sieht Evi ein Mädchen in der Fensterscheibe, wie ein Spiegelbild, aber eben doch keines, und dieses scheint um Hilfe zu flehen. Und in die Scheibe eingeritzt ist ein Name und ein Datum: "Sophia Fane, hier eingesperrt am 27. April 1814". Nachts dann hört Evi nach der alten Uhr aus Annas Wohnung eine weitere Uhr schlagen. Als sie etwas verängstigt ihr Zimmer verlässt, findet sie sich im Herrenhaus im Jahr 1814 wieder - und zwar als Dienstmagd.
Sie erlebt das harte Leben von Dienstboten zu der Zeit, erfährt, dass es noch viel härtere Arbeiten für Kinder gibt, die schon mit 4 oder 5 Jahren in die Manufakturen geschickt werden, und lernt Sophia kennen. Sophia soll, um die Familie vor dem Ruin zu retten, einen alten wohlhabenden, aber sehr unsympathischen Mann heiraten. Weil sie sich weigert, will ihr Vater sie in ihr Zimmer einsperren. Sophia liebt den Gärtnersgehilfen Robbie, der wie sie Freude an Gedichten und Zeichnungen hat. Zugegeben ungewöhnlich für die Zeit, dass er überhaupt lesen und schreiben und so gut mit Stiften umgehen konnte, dass er wunderbare Zeichnungen anfertigte, aber es war das Zeitalter der Empfindsamkeit und auch eine Zeit der ersten Befreiungsversuche der Frauen.
Evi hat Mühe, sich an die Regeln der Zeit anzupassen, was zu manchmal komischen, manchmal beunruhigenden Situationen führt, und sie weiß nicht so recht, wie sie in ihre Zeit zurückkommen soll. Aber sie erkennt nach und nach, dass sie in die Vergangenheit katapultiert wurde, um Sophia zu helfen. Sie setzt sich in den Kopf, Robbies und Sophias Liebe zu retten, und am Ende, nach einigen Missgeschicken, gelingt es ihr. Da erst erfährt sie, woher die Verbindung zwischen der lange verstorbenen Sophia und ihr stammt: Sie ist Nachfahrin von Robbie und Sophia, denn Robbie trägt den seltenen walisischen Nachnamen Tregarron, so wie Evi.
Parallel zur historischen Handlung und Evis Rettungsaktion lernt sie, sich mit der Wiederverheiratung ihrer Mutter auszusöhnen und zu sehen, dass es für ihre Mutter einfach schön ist, einen Partner gefunden zu haben. Sie wächst aus ihrer egoistischen und egozentrischen Haltung heraus.
Das Buch ist spannend und es informiert gleichzeitig über Lebensbedingungen vor etwa 200 Jahren. Die Zeitreise ist immer ein geeignetes Mittel, um die Sichtweisen und Erfahrungen heutiger Heranwachsender mit denen aus der Vergangenheit zu konfrontieren. Das Buch erinnert an "Tom's Midnight Garden" (Pearce), auch an "Harding's Luck" (Nesbit), zwei Klassiker der englischsprachigen Fantastik für Kinder, in denen die Zeitreise als Mittel und Motiv genutzt wird. Aber es ist eine ganz eigene Geschichte. Evi ist eine sympathische Protagonistin, deren Mut und deren Sensibilität für Ungerechtigkeiten so langsam in Einklang kommen mit ihrer eigenen selbstbezogenen Wahrnehmung und Haltung. Die Dramatik der Lebensbedingungen wird etwas zurückhaltend dargestellt, so z. B. könnte es Evi mit ihren Aktionen zur Rettung des Liebespaares passieren, verhaftet zu werden und sogar am Galgen zu enden, doch diese erschreckenden Details werden nur vorsichtig erwähnt, und eine tatsächliche Angst um die Protagonistin wird nicht geweckt. Sie erzählt zu munter, um wirklich Angst auszulösen.
Schade und unerklärlich, dass aus "Evie" im Original hier "Evi" gemacht wurde.
Helen Peters hat eine ganze Reihe von Kinderbüchern verfasst, von denen sehr wenige bislang auf Deutsch erschienen sind.

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Diese Rezension wurde verfasst von Gudrun Stenzel; Landesstelle: Hamburg.
Veröffentlicht am 02.11.2020

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