Mit heißem Herz

Autor*in
Wildenhain, Michael
ISBN
978-3-423-71234-7
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
206
Verlag
dtv
Gattung
Ort
München
Jahr
2007
Lesealter
12-13 Jahre14-15 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
7,95 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Nach einer gewalttätigen Auseinandersetzung zwischen verfeindeten Schülergruppen in der Schule soll die Theateraufführung von "Romeo und Julia" als pädagogische Maßnahme zur Verständigung beitragen. Bernd ist begeisterter Regisseur, steht aber zwischen allen Stühlen und kann am Ende nichts daran ändern, dass das wirkliche Leben mit aller Gewalt ins Theaterleben einbricht.

Beurteilungstext

Bernd, so unscheinbar und durchschnittlich wie sein Name, ist die Hauptfigur und der Ich-Erzähler dieses spannenden Jugendromans, der von Jugendlichen erzählt, wie sie uns im echten Leben begegnen könnten. Wir schauen als Leser durch seine "Brille", teilen seine Empfindungen und beobachten mit ihm die Ereignisse, die in spiralenförmigen Zuspitzungen und Dramatisierungen in einem dramatischen Schluss zusammenlaufen, der doch alles offen lässt. Er wurde von Lehrer Pocher zum Regisseur ausgewählt - beide glauben zunächst noch, dass diese pädagogische Maßnahme wirklich dazu beitragen kann, die Konflikte zwischen den arabisch- und türkischstämmigen Jugendlichen einerseits und den Deutschen andererseits zu entschärfen oder gar zu lösen. Beide werden schmerzlich - und nicht nur im übertragenen Sinne - eines anderen belehrt, als eine maskierte Schlägerbande die Theaterprobe überfällt. Bernd kann nur staunend sowohl an sich als auch an seinen Freunden beobachten, wie sich Gefühlskälte und auch Abstumpfung ausbreiten, vor allem durch die langsam eskalierenden Gewalttätigkeiten. "Nur ein toter Nazi ist ein guter Nazi!" - ist es wirklich so einfach, wie es auf einem Graffiti steht?
Dabei geht es natürlich nicht nur um das gesellschaftliche Oben (für das die Tochter aus reichem Haus Xelia und Mek, der britische Unternehmersohn stehen) und Unten (die Bewohner der farbigen Hochhausblocks, wie Halil, Vural - beide mit arabischen Eltern - und Gözde - kurdische Mutter, die nicht mehr lebt und einem deutschen, politisch engagierten Vater - stehen), sondern auch um die Liebe. So wie bei Shakespeare die Liebe zwischen Romeo und Julia nicht lebbar ist, so ist es auch mit Bora und Xelia, die sich mit Hilfe der Freunde und gefälschten Pässen absetzen wollen. Und kann ein Theaterstück überhaupt irgendetwas bewirken oder verändern? Oder hat Knut, Bernds Cousin recht, der nach dem Überfall der Rechten auf die Theaterprobe meint: "Find ich ja gut, Theater. Aber mit der Wirklichkeit hat das nix zu tun." Und Vural: "Das is alles Dschungel hier. Die oder wir." (S. 176)
Wildenhain schreibt in einer überzeugenden, dichten Sprache, fokussiert und spitzt zu, seine Helden sind keine in schwarz-weiß gezeichneten Guten oder Bösen , es gibt Schattierungen und viele Fragezeichen, wie die Dinge gemeint sein könnten oder sind. Er schildert die Lebenswirklichkeit in unseren Großstädten wie er sie aus eigener Erfahrung (er lebt in Berlin) kennt und beobachtet. Und wie in "Wer sich nicht wehrt..." bietet er in "Mit heißem Herz" statt einer pädagogischen Botschaft viel Stoff zum Nachdenken und Diskutieren. Er sagt in einem Gespräch mit einer Journalistin des Deutschlandfunks zu seinem neuen Buch: "Wenn sich in der Realität derartige Konflikte auftun, dann sagt man, jetzt brauchen wir ein Projekt, ein Krisenmanagement... Das ist etwas spät und vordergründig, denn die Konflikte haben ja eine lange Geschichte und im Prinzip muss man an einem Punkt intervenieren, wo der Konflikt noch gar nicht sichtbar ist ... Nicht, dass Theater nicht eine ganz Reihe von Schülern ansprechen könnte, sondern dass pädagogische Maßnahmen immer erst ergriffen werden, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist."

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von ASR.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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