Mit dem Ballon in die Freiheit
- Autor*in
- Fulton, Kristen
- ISBN
- 978-3-473-44719-0
- Übersetzer*in
- Hein, Jakob
- Ori. Sprache
- Englisch
- Illustrator*in
- Kuhlmann, Torben
- Seitenanzahl
- 56
- Verlag
- Ravensburger
- Gattung
- Buch (gebunden)Sachliteratur
- Ort
- Ravensburg
- Jahr
- 2019
- Lesealter
- 6-7 Jahre8-9 Jahre10-11 Jahre
- Einsatzmöglichkeiten
- –
- Preis
- 20,60 €
- Bewertung
Teaser
Angesichts der Feierlichkeiten zum 30. Jahrestages zum 3. Oktober 1990 bietet das Sachbilderbuch Mit dem Ballon in die Freiheit eine gute Gelegenheit, schon Grundschulkinder an die deutsch-deutsche Geschichte heranzuführen.
Beurteilungstext
Kristen Fulton widmet sich der spektakulären Flucht zweier Familien mit Hilfe eines Heißluftballons über die Mauer im Jahr 1979. Zu diesem Vorfall gibt es heute ein kleines Denkmal in der Nähe der oberfränkischen Stadt Naila. Die Story ist schon 1982 von den Disney-Studios verfilmt worden und kürzlich in einem Remake aus dem Jahr 2018 von Michael Bully Herbig auch in SAT 1 im Fernsehen gezeigt worden. Die Autorin war in den USA auf den Fall aufmerksam geworden und hatte mit dem Familienvater Günter Wetzel Interviews geführt. Fulton ist in den USA eine bekannte Kinderbuchautorin, die sich vor allem geschichtlichen Themen widmet. Sie erzählt die Ereignisse um die Flucht nach einer kurzen Einleitung in die Situation der DDR in den 70er Jahren, aus der Sicht des kleinen Peter, der von seinen Eltern zwar in die Pläne eingeweiht, aber zu vollständiger Geheimhaltung verpflichtet wurde. Mit dieser Perspektivierung gelingt es der Autorin, auch kindliche LeserInnen im Grundschulalter anzusprechen. Besonders die Illustrationen von Torben Kuhlmann, den man von seinen Sachbilderbüchern zu Lindbergh, Armstrong und Einstein kennt, erlauben es aber, den Hintergrund des Lebens in der DDR den LeserInnen eindrücklich nahezubringen. Kleidung, Automarken, Gegenstände des Alltags sind gut recherchiert und lassen in das Alltagsleben eintauchen. Außerdem greift Kuhlmann die Dramatik der Flucht, die sich durch den Text aufbaut („Das musste die Polizei sein! Peters Herz schlug schnell und stark. Jemand musste sie verraten haben.“, S. XXX) durch spannende Blickwinkel auf – hier etwa durch die Untersicht auf einen DDR-Polizeiwagen mit Hunden und Beamten von hinten. Insgesamt steht vor allem die nächtliche Flucht im Zentrum der Erzählung und diese wird durch dramatische Nachtbilder emotional geschildert. Zweiseitige und einseitige Bilder wechseln sich ab, die Situation des Aufstiegs des Ballons unter Beobachtung und Bedrohung der DDR-Polizei wird auch durch einzelne Pannels dargestellt, begleitet von einem Text, in dem jeweils die Höhenmeter und die besonderen Vorkommnisse geschildert werden. Das Buch schließt mit einem Glossar zu wichtigen technischen und historischen Fragen (Ballonanfertigung, - größe und -material, aber auch zum Entstehungsprozess des Buches sowie zu „Der Kalte Krieg und die Berliner Mauer“). Dieses Glossar gewinnt vor allem an Bedeutung, wo es Authentizität vermittelt, vor allem durch die Original-Fotos der Flucht.
Das Bilderbuch eignet sich für Grundschulkinder der 3. und 4. Klasse, weil es über eine eindrückliche, spannende Geschichte zu einer historischen Situation führt. Der Hintergrund (Auswirkungen der Grenze auf das Leben der Kinder) wird in den Eingangsseiten kindgerecht dargestellt, diese sechs Seiten könnten zunächst gezeigt werden mit der Frage an die SchülerInnen, ob sie selbst etwas über diese Zeit wissen. Manche Kinder, deren Familien selbst im Osten der Republik aufgewachsen sind, können Erzählungen beitragen. Daraufhin wird der Entschluss der beiden Familien dargestellt, mit dem Heißluftballon zu fliehen. Die SchülerInnen äußern Vermutungen darüber, welche Konsequenzen dies für Kinder und Erwachsene haben werde. Nach dem Betrachten und Lesen des Rests des Buches, am besten mit einer Dokumentenkamera und Beamer oder mit eingescannten Seiten als Power-Point-Präsentation („Bilderbuchkino“) sollte eine genauere Auseinandersetzung mit dem historischen Hintergrund stehen: Dabei könnte man für Kinder dieses Alters auch andeuten, dass die Flucht nicht nur aus Reiselust geplant wurde. („Die Westdeutschen konnten nach Ostdeutschland und nach Honolulu fahren, wenn sie wollten. Aber für Ostdeutsche war es streng verboten, nach Westdeutschland zu fahren. Sie waren eingesperrt von der Grenze.“) Im Bild dargestellt wird zwar ein Stasi-Beamter beim Abhören und der „Geheimdienst“ wird erwähnt (S. XXX), muss aber sicher von betreuenden Erwachsenen erklärt werden (die sich hoffentlich in die Materie eingearbeitet haben). Insgesamt eignet sich das Bilderbuch auf jeden Fall für den Deutschunterricht der Grundschule, müsste aber fachübergreifend durch Informationen zur DDR-Geschichte flankiert werden, etwa durch folgende Kinderbücher zum Thema DDR:
- Franziska Gehm: Pullerpause im Tal der Ahnungslosen. (Illustrationen: Horst Klein) Leipzig: Klett Kinderbuch 2016.
- Franziska Gehm: Hübendrüben. Als deine Eltern noch klein und Deutschland noch zwei waren. (Illustrationen: Horst Klein). Leipzig: Klett Kinderbuch 2018.
- Susan Schädlich: Wie war das in der DDR? Einblicke in die Zeit des geteilten Deutschland. Illustration: Alexander von Knorre). Hamburg: Carlsen 2019.
Diese Bücher könnten in mehreren Exemplaren oder Auszügen an Arbeitsgruppen verteilt werden, die arbeitsteilig bestimmte Aspekte auf Plakaten zusammentragen, z.B. Versorgungslage, Schule und Jugendorganisationen, Stasi und Überwachung, Organisation der Mauer und Ausreiseverbote, weitere Beispiele für Flucht.
Möglich ist es schließlich, die authentischen Erfahrungen noch einmal intermedial aufzugreifen - entweder über die im Internet zugänglichen Interviews mit Günter Wetzel (https://www.youtube.com/watch?v=RwU2EVooWV8), Dokumentationen (des Bayrischen Rundfunks https://www.youtube.com/watch?v=TdLThVh-r5 oder https://www.youtube.com/watch?v=Cs5QKVSELWg) oder mit Auszügen aus den oben erwähnten Spielfilmen. Zu dem Film aus dem Jahr 2018 findet sich auch Unterrichtsmaterial von Visionkino.de (https://www.visionkino.de/unterrichtsmaterial/filmhefte/filmheft-zu-ballon/), das zwar für ältere SchülerInnen zusammengestellt wurde, aber Anregungen auch für den Grundschulbereich bietet.
Annette Kliewer (AJuM Rheinland-Pfalz)