Mission Kolomoro oder: Opa in der Plastiktüte
- Autor*in
- Blesken, Julia
- ISBN
- 978-3-7512-0052-3
- Übersetzer*in
- –
- Ori. Sprache
- –
- Illustrator*in
- Jung, Barbara
- Seitenanzahl
- 287
- Verlag
- Oetinger
- Gattung
- Buch (gebunden)Erzählung/Roman
- Ort
- Hamburg
- Jahr
- 2021
- Lesealter
- 6-7 Jahre8-9 Jahre10-11 Jahre
- Einsatzmöglichkeiten
- –
- Preis
- 15,00 €
- Bewertung
Teaser
Emil und die Detektive im Jahre 2021 - ein Abenteuer in der Stadt.
Beurteilungstext
Rezension Mission Kolomoro
Es ist immer wieder schön, Bücher zu lesen, in denen Kinder erfolgreich ohne Erwachsene agieren. Die sechs Berliner*innen haben eine gar nicht so leichte Aufgabe zu lösen – müssen sie doch den letzten Wunsch von Jennifers Opa erfüllen und ihn in Kolomoro bestatten, ohne seine geheimnisvolle Ortsangabe ad hoc entschlüsseln zu können. Dabei bilden sechs Kinder aus unterschiedlichsten Milieus ein soziales Plateau der Großstadt ab – mitsamt den sozioökonomischen und kulturellen Vielfalten. In ihrer Vielfalt bearbeiten sie die Trauer Jennifers um den Großvater ebenso wie Probleme, die sich für die Kinder aus ihrer sozioökonomischen Situation ergeben. Ein bisschen erinnert das an „Emil und die Detektive“ – vielleicht auch, weil der Ort der gleiche ist: Das Berlin derer, die dort ihren Alltag der Nöte und Sorgen haben. Doch was an sich einen spannenden Plot bereithält, wird auf der Ebene des discours durch die Figurenkonzeption und die Stimmen der Kinder gebrochen. Pazifistische, anti-rechts-kulturelle oder linksökonomische Kritik in den Stimmen der Kinder, welche den Alltag Berlins füreinander interpretieren, sind ohne Frage erfreulich, wirken aber mit ihrer Konzentration auf den Jungen aus links-alternativem Milieu mit dem sprechenden Namen Zeck eher holzschnittartig und belehrend. Doch nicht nur Zeck oder die überbehütete wohlhabende Polina werden klischeehaft gezeichnet. Es ist zwar folgerichtig, in ein modernes Berlin auch ein Kind mit familiären Migrationserfahrungen einzubeziehen. Doch Mustafa „Mustis“ Stimme verweist weniger darauf, dass er ein Kind unter mehreren ist, sondern wie Zeck oder Polina muss er einen bestimmten Typus verkörpern, indem er als handyverliebt und ungebildeter als Zeck von diesem oft belehrt wird. Sein omnipräsentes „Ich schwör“ mag auf den Ethnolekt verweisen – in seiner Dauerhaftigkeit legt es ihn auf eine andere Sprache und eine andere Herkunft fest. Und so kommen manche Figuren nicht aus ihrer Haut – was schade ist, da doch ein solches Abenteuer nicht nur eine moderne Version vom kleinen Dienstag – den kleinen Fridi – mutiger machen sollte.
Vielleicht ist „Mission Kolomoro“ aber auch kein Roman, der als realistische Widerspiegelung einer Kinderrealität in Berlin funktioniert, sondern kann als Möglichkeitsraum gelesen werden. Dafür spricht, dass den Kindern ein gemeinsames Abenteuer ohne Geld und Handy auch jenseits sozioökonomischer Grenzen gelingt. Und es gibt ein fantastisches Element im Roman, was ja ebenfalls für einen Möglichkeitsraum spricht: Die Figur Katja Pfeiffer zeichnet ständig Ratten, die – vielleicht als Synonym für die Unterdrückten, Kleingehaltenen in den Gassen und Untergründen Berlins – schließlich zu Ermächtigungsbildern werden. Barbara Jung hat die Ratten und die anderen Zeichnungen in witzigen, grafitiartigen Zeichnungen bebildert. Wenn ein solcher Möglichkeitsraum allerdings beabsichtigt gewesen sein sollte, so hätten die Figuren ein bisschen mehr Entfaltungsraum verdient, nicht so sehr, wie ihre eigenen Klischees zu erscheinen.
Astrid Henning-Mohr