Mission Kolomoro oder Opa in der Plastiktüte

Autor*in
Blesken, Julia
ISBN
978-3-7512-0052-3
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
287
Verlag
Oetinger
Gattung
Buch (gebunden)Erzählung/Roman
Ort
Hamburg
Jahr
2021
Lesealter
10-11 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
15,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Teaser

Sechs Kinder und ein Rehpinscher auf der Mission Kolomoro: Julia Blesken entwirft mit ihrem kinderliterarischen Debüt ein gleichsam schräges wie liebenswertes Figurenarsenal, das sie auf eine rasante Reise schickt. An einem einzigen Tag erleben die Kinder ein unfassbar witziges und doch realistisches Abenteuer. Ein moderner, komischer Kinderroman, der für Diversität und Toleranz mit Andersartigkeit einsteht und zugleich ein Plädoyer für die Akzeptanz des Todes auch schon in der kindlichen Lebenswelt ist. Julia Blesken versteht es, eine mitreißende Handlung mit ernsthaften Thematiken zu koppeln und präsentiert eine sehr empfehlenswerte kinderliterarische Roadnovel voller Witz und Spannung.

Beurteilungstext

Die Herbstferien haben begonnen. Katja, Zeck, Jennifer, Mustafa, Fridi und Polina treffen sich zufällig auf der Straße und stürzen sich in ein gemeinsames Abenteuer, völlig ungeplant und ganz spontan. Denn Jennifer Klar trägt eine Plastiktüte mit der Urne ihres Großvaters mit sich herum, dem sie versprochen hat, ihn in seiner Kleingartenkolonie zu bestatten. Als Namen für diese hat sie Kolomoro abgespeichert. Mehr weiß sie nicht. Die Kinder, die alle unterschiedliche familiäre Konflikte im Gepäck haben, beschließen, Jennifer in ihrem Vorhaben zu unterstützen und rufen die „Mission Kolomoro“ aus und machen sich auf die Suche nach dem Kleingartenverein, folgen dabei einer vagen mental map: Der Weg scheint das Ziel zu sein, was die Handlung zu einer kinderliterarischen Roadnovel avancieren lässt, die es in sich hat. Während Jennifer ihren Opa in der Plastiktüte herumträgt, hat Mustafa seinen toten Kanarienvogel dabei, den er versehentlich zerdrückt hat. Er traut sich nicht, das seiner „Anne“ zu sagen, von der er meint, dass sie den Vogel mehr liebte als ihn.
Die sechs Kinder kennen sich nur flüchtig, kommen aus unterschiedlichen sozialen Verhältnissen und vereinen sich nun für einen einzigen Tag zu dieser schrägen Mission, der sie sich selbst mit voller Energie verschreiben. Sie schalten die Handys aus, damit ihre Eltern sie nicht mehr erreichen können und fahren einfach mit der S-Bahn los. Das ist allein schon von der Erzählanlage her schräg, funktioniert als Narration aber prächtig. Julia Blesken schickt ihre kindlichen Protagonist*innen in ein rasantes Abenteuer, das von komischen Elementen und schnellen Handlungsabläufen lebt. Die Komik erwächst aus der Nähe zum Slapstick und dem Sprachwitz, der sich allein darin spiegelt, dass Jennifer Klar und Katja Pfeiffer fast durchgehend mit vollem Namen genannt werden. Das ist sprachlich nah an der kindlichen Lebenswelt, denn häufig spricht man über eher entfernte Klassenkamerad*innen unter Nennung des Nachnamens. Diese Terminologie ist aber im Kinderroman ungewöhnlich und innovativ, allein durch diese schreibt man dem Text als Rezipient Authentizität zu und geht voll mit der abstrusen Handlung mit. Zugleich transportiert das Buch einen Aufruf zur Anerkennung von Diversität und Heterogenität. Katja Pfeiffer wächst mit zwei Vätern auf, was der Text nicht problematisiert, sondern als kindliche Normalität begreift. Explizit erkennen die Kinder das interkulturelle Zusammenleben an, indem sie das Hissen von Nationalflaggen im Kleingartengebiet kritisch kommentieren:

„Ja, wenn Fußball ist, ist das vielleicht was anderes, da kämpfen die Mannschaften der Länder gegeneinander, aber jetzt spielt gerade keiner Fußball, es kämpft keiner oder so. Wir leben einfach zusammen, scheißegal, aus welchem Land wer mal gekommen ist oder in welchem Land einer wohnt. Wir gehören alle zu einer Welt.“ (S. 209)

Durch solche Einwürfe wirkt der Text lebensnah, ebenso durch intermediale Bezüge und Genderfragen, die in der Diskussion der Kinder, ob Wickie ein Junge oder ein Mädchen ist, zusammengeführt werden. Julia Blesken erweist sich mit diesem besonderen Kinderroman als sensible und genaue Beobachterin von aktueller Kindheit, die sich in ebensolchen Figurendialogen spiegelt, die direkt aus dem Leben gegriffen zu sein scheinen. Fridi meint, dass sie Wickie oder Yakari besser findet als das Krümelmonster, worauf Katja Pfeiffer antwortet:

„Ich schwöre, ich auch, Mann. Nur ob Wickie ein Junge oder ein Mädchen ist, habe ich nie rausgekriegt.“
„Na, ein Mädchen, ist doch klar. Es heißt schließlich, sie fasst das Segel an,“ meint Zeck besserwisserisch.
„Klar, ein Mädchen. Hab ich auch immer gedacht.“ Jennifer nicht (S. 194)

Am Ende schaffen es die Kinder ganz ohne Google zum Schrebergarten, wo sie die Asche von Jennifers Großvater verstreuen können. Damit steht Bleskens Kinderroman auch in besonderer Weise für einen unbeschwerten Umgang mit dem Tod ein, der zum Leben dazugehört wie die Geburt.
Ein starker, innvovativer Kinderroman, der zurecht mit dem Kirsten-Boie-Preis ausgezeichnet wurde, der sich sowohl für die schulische Lektüre in der späten Primarstufe oder Orientierungsstufe (4.-6. Klasse) als auch das häusliche Lesen eignet.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von kku; Landesstelle: Rheinland-Pfalz.
Veröffentlicht am 28.11.2021

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