Mein Vater, der Pirat

Autor*in
Calí, Davide
ISBN
978-3-942787-39-0
Übersetzer*in
Jacoby, Edmund
Ori. Sprache
Italienisch
Illustrator*in
Quarello, Mauricio A.C.
Seitenanzahl
48
Verlag
Jacoby & Stuart
Gattung
BilderbuchSachliteratur
Ort
Berlin
Jahr
2014
Lesealter
10-11 Jahre12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
14,95 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Fest glaubt der kleine Junge, dass sein Papa als Pirat auf den Weltmeeren unterwegs ist und deshalb nur selten nach Hause kommen kann. Doch dann erfährt er, dass sein Vater in Belgien im Bergwerk arbeitet und dort schwer verletzt wurde. Hat Papa die ganze Zeit Lügen erzählt? Als er mit der Mutter nach Belgien zum Vater reist, lernt er die Wirklichkeit kennen. Es vergehen Jahre - der Vater lebt längst wieder in der Heimat -, bis der Sohn beginnt den Vater und dessen Geschichten zu verstehen.

Beurteilungstext

Man kann sich gut vorstellen, wie die Welt des kleinen Jungen erschüttert wird, als er seinen Vater im Krankenhaus sieht und feststellen muss, dass der seinen Alltag nicht auf einem Piratenschiff, sondern unter Tage in einem Bergwerk verbracht hat. Der Junge muss sich von den Abenteuergeschichten verabschieden, die der Vater ihm erzählt hat, und von den heldenhaften Begleitern seiner Kindheit: von dem Tätowierten, von Tobacco und Piccolo und all den anderen wilden Kerlen aus Papas Mannschaft. Und auch die Geschenke wie zum Beispiel die Piratenfahne, die der Vater mitbrachte, haben ihren Reiz verloren.
Der Vater kommt ihm jetzt wie ein Unbekannter vor. “Mein Vater, der Pirat, war wirklich gestorben. Ich hatte einen anderen Papa gefunden..... Und ich wusste nicht, ob ich ihm nur Gutes wünschte.”
Es braucht viele Jahre, bis der Junge die Wahrheit hinter den Geschichten seiner Kindheit erkennt. Erst bei der Stilllegung des Bergwerkes, bei dem sich die ehemaligen Kumpel wiedertreffen, versteht er: Eigentlich waren es keine Lügen, die der Vater erzählt hat. Sicher - manches ist anders als in den Geschichten und seinen Vorstellungen von damals. Nicht das Schiff hieß “Hoffnung”, sondern das Zimmer in der Baracke, in der der Vater mit seinen Freunden wohnte und deren Wände im Wind wie ein Schiff knarrt. Und da sind die Freunde der jahrelangen Zusammenarbeit, der Junge erkennt sie alle: den Tätowierten und Tobacco, den Bärtigen und Piccolo....
Dem Jungen wird klar, dass dieser Moment sein besonderes Zeichen braucht. Er klettert auf den Hochspannungsmast der Zeche und hisst die Piratenflagge, die der Vater ihm vor langer Zeit geschenkt hatte. Nun sieht der Junge den Vater so, wie er in seiner Erinnerung gewesen war. “Mein Vater, der große Pirat. Er war nie etwas anderes gewesen.”
Aus der Sicht eines sogenannten “Gastarbeiterkindes” erzählt der Autor von einer besonderen und doch für diese Generation und diesen Kulturkreis typischen Vater-Sohn-Beziehung. Anrührend und ergreifend sind die Erlebnisse und Gespräche, einfühlsam und nachdenklich werden die Gefühle und Gedanken aufgegriffen. So wird von dem Schiff erzählt, das Hoffnung heißt. “Hoffnung, heil nach Hause zu kommen”, begründet der Vater den Namen. Auch der Ort in Belgien wird ja so benannt, weil die Männer das Bergwerk nie hassen konnten, “denn es hatte die Hoffnung in ihnen wachgehalten, einmal dorthin zurückkehren zu können, von wo sie ohne Hoffnung aufgebrochen waren.”
Dieses Bilderbuch erzählt keine “Bilderbuchgeschichte” im engen Sinne, und auch die Illustrationen sind nicht typisch für ein Bilderbuch. Maurizio Quarello hat für diese Erzählung besondere und ganz wunderbare Bilder geschaffen. Da sind kantige und sehr individuelle Gesichter zu sehen, wilde Fantasielandschaften und realistische Darstellungen des Industriegebietes. Der Wechsel zwischen den leuchtenden Farben, mit denen die Abenteuergeschichten des Vaters illustriert werden, und den grau-braunen Bildern aus dem Revier verdeutlichen den Unterschied zwischen Fantasie und Wirklichkeit. Der Bruch in der Vater-Sohn-Beziehung wird durch düstere Bilder verdeutlicht.
Das Buch spricht in erster Linie ältere Kinder und auch noch Jugendliche an... und sicher auch die Erwachsenen, die eine ähnliche Kindheit kennenlernen mussten. Grundschulkinder -etwa in der vierten Klasse- werden die eigentliche Aussage des Buches nur schwer verstehen können und benötigen sicher ein anschließendes Gespräch mit einem Erwachsenen.
Ein ganz besonderes Bilderbuch mit einer ungewöhnlichen Geschichte, sehr empfehlenswert für alle ab etwa zehn Jahren! Weil es die Thematik der Arbeit im Ausland aufgreift, ist es aus meiner Sicht auch sehr empfehlenswerte Literatur zur Arbeitswelt (Wolgast-Preis).

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von htd.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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