Mein Freund Otto, das wilde Leben und ich
- Autor*in
- Lambeck, Silke
- ISBN
- 978-3-8369-5625-3
- Übersetzer*in
- –
- Ori. Sprache
- –
- Illustrator*in
- Jung, Barbara
- Seitenanzahl
- 184
- Verlag
- Gerstenberg
- Gattung
- Buch (gebunden)Erzählung/Roman
- Ort
- Hildesheim
- Jahr
- 2018
- Lesealter
- 8-9 Jahre10-11 Jahre
- Einsatzmöglichkeiten
- –
- Preis
- 12,95 €
- Bewertung
Teaser
Wenn man in Musik einen eigenen Rapsong vorstellen muss und der Besitzer des einzigen Laden im Viertel, der Gummischlangen verkauft, von Immobilienmaklern und fiesen Schlägertypen bedroht wird, dann kann das Leben schon mal ein bisschen wild werden. Silke Lambeck verpackt dies in einem Großstadtroman mit Spannung und Witz.
Beurteilungstext
Otto und Matti sind 10 Jahre alt und schon immer beste Freunde. Sie wohnen in Berlin Mitte und wachsen wohlbehütet zwischen Yoga- Unterricht, Klavierstunde und veganen Cafés auf. Ihr größtes Problem ist, dass Ottos Mutter einen Lifestyle- Blog betreibt und dort das Familienleben inklusive Fotos veröffentlicht. Als die Beiden im Musikunterricht den Auftrag bekommen einen Rap-Song zu verfassen, wird ihnen klar, dass sie dafür zu brav sind. Auf der Suche nach dem titelgebenden „wilden Leben“ geraten sie in ein turbulentes Abenteuer. Denn als sie ihren Rap über den fiesen Ladenbesitzer „Hotte“ schreiben wollen, stellen sie fest, dass dieser von Immobilienmarklern unter Druck gesetzt und sogar bedroht wird, weil er seinen Laden verlassen soll. Es ist jedoch der einzige Laden, der noch Süßigkeiten und normales Schokoeis, anstatt Lavendel- Quitte und Chili- Erdbeer verkauft. Also ändern die Jungs ihren Plan, beschließen zu helfen und stellen nebenbei fest, dass „Hotte“ gar nicht so fies ist. Das Mieten teurer werden und sich ganze Stadtviertel verändern ist ein aktuelles Thema, welches Kinder durchaus wahrnehmen. Der Roman bietet hier viel Potential, um im Anschluss darüber zu sprechen. Auch im Roman vorgeführte Klischees und Rollenerwartungen bieten Anschlussgespräche.
Silke Lambeck karikiert mit ihrem Großstadtroman das bürgerliche Milieu mit den Augen eines 11-jährigen Jungen, der damit aufgewachsen ist und (selbst-) ironisch seine Welt reflektiert. Die Wahl der Ich- Perspektive ist gelungen, wenn auch an mancher Stelle die Sprache ein wenig zu erwachsen klingt und die ironisch-gestalteten Momente möglicherweise nicht jede*r versteht. Das Zielpublikum dürfte auf jeden Fall genau jenes sein, welches im Roman beschrieben wird! Die Illustrationen von Barbara Jung greifen den ironischen Ton des Romans gekonnt auf.
Wie ihren Protagonisten Matti und Otto traut die Autorin auch ihren Leser*innen viel zu und verknüpft geschickt das aktuelle gesellschaftspolitische Thema Gentrifizierung mit einer leichtfüßigen, aber temporeichen und spannenden Kindergeschichte. Sie zeigt die verschiedenen Facetten Berlins, wenn Otto und Matti von Mitte nach Neukölln fahren und überspitzt hier bewusst und setzt kulturelle Klischees, um sie ein Kapitel später zu dekonstruieren und als solche zu entlarven. So fühlen sich die Protagonisten und sicher auch manche Leser*in ertappt, wenn sich herausstellt, dass die „arabischen Gangster“ in Neukölln ein ganz normales Leben führen und „Bruda Berlin“ Sohn einer Krankenschwester und eines Lehrers ist. So gesteht Matti an mehreren Stellen: „Ich schämte mich ein bisschen.“
Ein deutliches Manko des Romans sind die weiblichen Figuren, die außer in Form von Müttern und einer sich ständig schminkenden Schwester überhaupt nicht vorkommen. Trotz dessen ist der Autorin eine witzige Geschichte über eine besondere Freundschaft gelungen, die im ersten Moment nach einer Kopie von Rico und Oskar klingt, aber durchaus eigenen Charakter besitzt.