Manchmal male ich ein Haus für uns: Europas vergessene Kinder

Autor*in
Horst, Alea
ISBN
978-3-95470-263-3
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Horst, AleaZaeri, Mehrdad
Seitenanzahl
80
Verlag
Klett Kinderbuch
Gattung
Buch (gebunden)Sachliteratur
Ort
Leipzig
Jahr
2022
Lesealter
10-11 Jahre12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre8-9 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
BüchereiKlassenlektüre
Preis
16,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Gerade stehen der Ukraine-Krieg und die damit zusammenhängende Flüchtlingswelle im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, doch darf man nicht die anderen Geflüchteten vergessen, die auf ein sicheres Zuhause warten. „Europas vergessene Kinder“ ist der Untertitel dieses Buches mit eindrucksvollen Fotos, das darauf hinweisen will. Im Lager Moria auf Lesbos wohnten 2020 über 20.000 Menschen, fast die Hälfte davon Kinder. Einige von ihnen erzählen hier von sich, von ihrem Alltag und von ihren Träumen.

Beurteilungstext

Immer wieder gab es Nachrichten über die Flüchtlingslager auf der Insel Lesbos, die Unruhen und die Brände, die anschließende Umsiedlung der Menschen in das neue Lager. Journalisten, griechische Einwohner, Politiker und Helfer berichteten über die Situation, nur die Bewohner selbst kamen bislang selten zu Wort. In diesem Buch erzählen nun Kinder von ihrem Leben im Lager, von ihren Erinnerungen, ihren Wünschen.

Über vierzig eindrucksvolle Fotos zeigen diese Jungen und Mädchen, im Hintergrund erkennt man ihre augenblickliche Wohnsituation nach der Umsiedlung in das neue Camp. Durch die einfühlsamen Porträtaufnahmen wirken die Kinder sehr präsent, ihre Berichte sind bewegend und schon für Leser im Grundschulalter gut nachvollziehbar. Die Jungen und Mädchen schildern ihre Sorgen um die Eltern und Geschwister, klagen über die Unterbringung und die mangelnden Möglichkeiten zum Lernen, über den Hunger und den Lärm in den Zeltstädten. Sie berichten über ihre Flucht, den Brand im ersten Lager, die Umsiedlung, das Leben auf der Straße und das Angst machende Verhalten der Polizei. Die Kinder erzählen aber auch von ihren Erinnerungen an das Leben vor der Flucht: an Verwandte in der Heimat, an den Gang zum Markt, an das Spiel mit Freunden. Egal aus welchem Land sie kommen und wie alt sie sind, allen Jungen und Mädchen gemeinsam ist der Wunsch, endlich das Lager verlassen zu können. Alle sehnen sich danach, ein neues Leben mit ihren Angehörigen in einem richtigen Zuhause beginnen zu können und eine Schule besuchen zu dürfen.

Auf diese Art bekommt die Not im Lager ein Gesicht, ja viele Kindergesichter; meist werden sie auf ganzseitigen Fotografien gezeigt. Man sieht nur selten traurige Gesichter und bei dem, was die Kinder erzählen und was man im Hintergrund sehen kann, ist das erstaunlich. Es ist die Kunst der Fotografin, der es gelingt, den Lebensmut der Jungen und Mädchen zu zeigen. „Wir halten uns an der Hoffnung fest“, meint Elahe, eines der Kinder.

Gerade der Kontrast zwischen dem oft zuversichtlichen Gesichtsausdruck und der ungewissen Zukunftsperspektive berührt. Für uns Erwachsene lässt sich das nur schwer aushalten, wir wissen um die weiteren Unsicherheiten im Leben der Geflüchteten. Kinder aus Deutschland werden sich mit den Abgebildeten aber identifizieren können und sich eine Nachbarschaft, einen gemeinsamen Schulbesuch und das gemeinsame Spiel vorstellen können. Damit sind sie gut vorbereitet auf neue Mitschüler, denen es am Ende doch noch gelingen sollte, in einem sicheren Land ein Zuhause zu finden.

Die deutsche Fotografin Alea Horst arbeitet seit vielen Jahren als ehrenamtliche Nothelferin; in einem Vorwort berichtet sie über ihre Arbeit an diesem Projekt. Sie hat im Februar 2021 im Lager Kara Tepe auf Lesbos mit den Kindern die Interviews geführt, die hier in Ausschnitten veröffentlicht werden. In voller Länge kann man sie auf der Seite des Verlages www.klett-kinderbuch.de finden. Inzwischen wurde der Verein „Alea e.V.“ gegründet, mit dem Alea Horst Hilfsprojekte, Aufklärung und Zukunftsbildung fördern möchte.

Mehrdad Zaeri hat kleine Vignetten gezeichnet, die die Fotos und die Interviewauszüge durch ihren freundlichen, kindgemäßen Charakter auf gelungene Art ergänzen. Der Künstler stammt aus dem Iran, kam aber schon als Kind nach Deutschland. Er hat bereits zahlreiche Kinderbücher illustriert.

Das Buch ist sehr zu empfehlen - sowohl für die Arbeit an Schulen und in Kindertagesstätten, als auch für Jugendliche und Erwachsene. In einem Interview im ‚SWR 2‘ bezeichnet Alea Horst ihr Buch als „Mehr-Generationen-Buch“. Da die Zusammenstellung der Fotos und der dazugehörigen Geschichten recht umfangreich ist, wird man wohl zuerst in dem Buch nur blättern und es auszugsweise lesen. Soll es im Unterricht zum Einsatz kommen, können einzelne Abschnitte ausgewählt werden.
Ab etwa acht Jahren werden die meisten Kinder die Texte selbstständig erlesen können, sollten aber die Möglichkeit haben, sich mit Erwachsenen darüber auszutauschen. Dazu gehört selbstverständlich auch die Frage, wie man Geflüchtete vor Ort oder notleidende Menschen in ihren Herkunftsländern aktuell unterstützen kann.

Das Buch wird unter anderem auch von der UNO-Flüchtlingshilfe Deutschland empfohlen: „Die Bilder zeigen den unglaublichen Lebensmut, den Flüchtlingskinder unter schwierigsten Bedingungen an den Tag legen und der viel Hoffnung macht.“

Anmerkung

Eine Fotoausstellung wird von der UNO-Flüchtlingshilfe zur Verfügung gestellt und eignet sich u.a. für Schulen, Bibliotheken und Kirchengemeinden.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von htd; Landesstelle: Niedersachsen.
Veröffentlicht am 13.08.2022