Made in Vietnam

Autor*in
Philipps, Carolin
ISBN
978-3-8000-5421-3
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
144
Verlag
Ueberreuter
Gattung
Ort
Wien
Jahr
2009
Lesealter
12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
9,95 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Über Leben und unerträgliche Arbeitsbedingungen in den Fabriken Vietnams, in denen Kleidung für Deutschland hergestellt wird - aus Sicht der tapferen dreizehnjährigen Lan
und die Schwierigkeit, fairen Handel in Gang zu bringen.

Beurteilungstext

Was erfahren wir nicht alles über das Land Vietnam, aus dem nicht wenige Menschen in unserem Land Zuflucht gefunden haben und hier meist unauffällig und geschätzt leben –
über die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen, die Feste, Sitten und Gebräuche, die (schwindende) Wertschätzung der Alten
über die patriarchalisch bestimmte Gesellschaft – „Es ist immer noch der Vater, der bestimmt, was jeder in der Familie zu tun hat.“
über den großen Krieg gegen die Weltmacht USA, die das kleine Land nicht besiegen konnte, aber jetzt „verlieren (wir) unser Gesicht an den Kapitalismus“
über die schlimmen gesundheitlichen Folgen und Missbildungen, die durch chemische Kampfstoffe wie „Agent Orange“ verursacht wurden
über die Ungerechtigkeit, dass amerikanische Soldaten Anspruch auf „Wiedergutmachungszahlungen“ der Chemiekonzerne haben, aber die vietnamesischen Opfer nicht; sie sind auf die Solidarität der Familie angewiesen
über „Kriegstourismus“ und die Tunnel von Cu Chi und die Kriegstraumata, mit denen die Menschen leben müssen „bis ins dritte und vierte Glied“
über die Stellung des Landes im globalen System, d.h. über die wirtschaftliche Verflechtung des Landes auch mit Deutschland...

Es gibt viel Wissenswertes in diesem Buch, da kann man darüber hinwegsehen, dass die Geschichte, die Carolin Philipps erzählt, sehr konstruiert erscheint:
Lan muss als 13jährige die Schule verlassen, weil sie Geld für die Familie verdienen muss (drei Cousins sind missgebildet, der Vater hat Schulden beim Anwalt, weil er auf „Wiedergutmachung“ geklagt hat). Sie und später ihre 11jährige Schwester müssen die Familie und das Heimatdorf verlassen.
Lan erfährt in der Fabrik sowohl Solidarität als auch Misstrauen. Sie erlebt die demütigenden Strafen in der Fabrik, arbeitet später – weil sie mit Schlangen umgehen kann- bei dem Vater des Fabrikbosses. Der war im Krieg mit Lans Vater zusammen in den Tunneln, aus denen heraus vietnamesiche Soldaten jahrelang die Amerikaner bekämpften und schließlich zermürbten. Die Eingänge der Tunnel waren als Schlangengruben getarnt und die Augen einer Kobraschlange wurden am Ende des Krieges von zwei „Tunnelsoldaten“ als Kriegtrophäe gehütet – sie bringen den bitterarmen Vater Lans in das Haus des reich gewordenen Fabrikbesitzers. Am Ende kann Lan einer Delegation aus Deutschland, die der Fabrik ein Plakette für „faire Arbeitsbedingungen“ verleihen will, Informationen zukommen lassen, die die wahre Situation in der Fabrik schildern.
Zu gefährlich sind die Abgründe, in die Lan gerät, zu glücklich immer wieder ihre Rettung, als dass man es für wahr halten könnte. „Man merkt die Absicht und ist verstimmt.“ Aber nur ein wenig, denn die schlimmen Tatsachen, von denen berichtet wird, verschlagen selbst gut Informierten immer wieder die Sprache. All die spottbilligen T-Shirts und die wundervollen Sportschuhe, die besonders für unsere Jugendlichen zum Statusobjekt gepuscht wurden, werden unter unsäglichen Bedingungen produziert.
In Fabriken, die wie Gefängnisse sind, von Frauen, die oft noch Kinder sind, unter Missachtung der Gesetze können Aufseher Strafen verfügen, die uns ans Mittelalter erinnern: Streichhölzer unter die Augenlider, wenn nach mehr als 12 -stündiger Arbeit die Augen zufallen, Lohnabzug, fehlende medizinische Versorgung, fristlose Kündigung bei Krankheit.
Die moralische Empörung der Autorin, die mit einem Vietnamesen verheiratet ist, ist zwischen den Zeilen immer wieder zu spüren. Wie schwer eine Änderung dieses Systems ist, wird auch deutlich. Selbst diejenigen, die sich um faire Arbeitsbedingungen kümmern, kommen nur schwer an die richtigen Informationen. Die Delegation, die die Arbeitsbedingungen prüfen wollte, verlässt das Fabrikgelände mit neuen Schuhen. Nur Wiebke, die Tochter des Delegationsleiters, die sich mit Lan verständigen konnte, geht barfuß hinaus. Eine kleine hilflose Demonstration – eine Hoffnung auf eine neue Generation?
„Die Sünde unserer Zeit heißt Uninformiertheit“ - darauf hat Dorothee Sölle immer wieder hingewiesen. Niemand kann nach der Lektüre diese Buches sagen, nichts gewusst zu haben. Niemand kommt um die Entscheidung herum, wie er oder sie sich weiter beim Einkauf verhält. Niemand in diesem System ist frei von Schuld.
Ein Thema für jeden jungen Menschen – ein Aufruf zu gerechtem Handeln – ein Eingeständnis von Hilflosigkeit und Schuld - ein großes Thema für den Religionsunterricht!



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Diese Rezension wurde verfasst von .
Veröffentlicht am 01.01.2010

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